Samstag, 9. Oktober 2021

Polnische Wirtschaft: Wenn zwei das Gleiche tun

In der polnischen Wirtschaft kommt es immer noch auch zu verbalen Übergriffen. Europa aber scheint meistenteils machtlos.
 

Als das deutsche Verfassungsgericht sich mitten im ersten Corona-Mai erdreistete, in einem urteil festzustellen, dass das von der Europäischen Zentralbank betriebene multimilliardenschwere Anleihekaufprogramm PSPP gegen die deutsche Verfassung verstößt,war das Entsetzen groß. Den Richterinnen und Richter, handverlesen und Kopf für Kopf von der Kanzlerin selbst abgenickt, war mehr Weisheit zugetraut worden als die, festzuschreiben, dass die EU ein Verbund von Nationalstaaten sind, deren Existenz es ist, die allein die Existenz der Gemeinschaft begründet, die aus sich selbst nicht lebensfähig ist. So dass es zwangsläufig das Recht der  Einzelstaaten sein muss, das über dem der Gemeinschaft steht - schon allein, weil diese kein Land ausschließen kann. Jedes einzelne Land aber, der Brexit hat es gezeigt, jederzeit berechtigt und in der Lage wäre, seinen Austritt zu erklären.

Der theoretische Vorrang in der Praxis

So steht es in den europäischen Verträgen, in denen allerdings auch etwas vom Vorrang des gemeinsamen europäischen Rechts steht. Ein Widerspruch unter vielen im gemeinsamen Europa, und einer mehr, an dem sich die Praxis nie gestoßen hat. Wer es schafft, Kompromisse zwischen Staaten zu schließen, die den Balkan beitreten lassen wollen oder genau das vehement ablehnen, der lebt auch mit ohne Beine, mit dem größten wenigstens halbdemokratisch gewählten machtlosen Parlament und mit dem Wissen, dass es nur nie ernst werden darf, weil dann alles zusammen brechen wird.

Das deutsche Urteil, das deutsches Verfassungsrecht höher stellte als europäisches, sorgte kurz für Aufregung und schnell war jedermann bereit, zur Tagesordnung überzugehen. Es war doch nur das höchste Gericht, das dort gesprochen hatte. dann ist es eben so, scheiß doch der Hund drauf, sprach das politische Berlin. man könne doch Urteile nicht wie Landtagswahlen einfach rückgängig machen, dann wäre man ja ein Land wie Polen! Unabhängigkeit der Justiz, meldete man nach Brüssel. Voller Bedauern. 

Vertragsverletzer Deutschland

Ein Umstand, den die EU nicht hinnehmen wollte und konnte. Bedauern reicht nicht. Denn wenn erst ein Land ungestraft behaupten kann, es besser zu wissen als EU-Kommission, EuGH und EZB, wer weiß, wann dann das nächste kommt! Die EU leitete ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein, eins von stets gerade laufenden 400 oder 500. Jedes einzelne dauert in der Regel unendlich viele Jahre lang, kommt es zum Abschluss, ist das wie der Balkanbeitritt: Niemand erinnert sich mehr, worum es überhaupt ging. 

Kein Beinbruch also, sondern eher ein Symbol von Tatkraft und Entschlossenheit anstelle derselben. Auch die EU weiß, dass das Ende der Gemeinschaft erreicht wäre, könnte Brüssel Berlin wirklich und wahrhaftig zwingen, die Karlsruher Richterinnen und Richter durch Anweisung, Drohung, Haft oder Folter zu veranlassen, Urteile stets so abzufassen, dass sie wortgleich sind mit denen, die der EuGH trifft. Deutschland würde dann austreten müssen. Es wäre der Tag, an dem in Brüssel die Lichter ausgehen, weil niemand mehr die Stromrechnung bezahlt.

Schwelbrand im Keller

Das kann und das will niemand wollen. Der Streit um das Vorrecht des deutschen Rechts vor dem europäischen wurde denn auch schnell heruntergedimmt zu einem Schwelbrand im Keller der Gemeinsamkeit. Keiner füttert ihn mehr, man hofft, dass er von selbst ausgeht oder dass wenigsten nie sichtbar Flammen aus den Kellerfenstern schlagen werden. Schklimm genug so schon, was da jetzt in Polen passiert ist: Die dortigen Verfassungsreichter haben ähnlich wie ihre deutschen Kolleginnen und Kollegen entschieden. Polnisches Recht stehe über dem der EU, die nationalen Verfassungen seien der Kern Europas und wenn EU-Recht gegen Bestimmungen nationaler Verfassungen verstöße, müsse, ja, dürfe es nicht angewandt werden.

Das ist aber jetzt kein "Kräftemessen" mehr, wie es noch der Streit zwischen Karlsruhe und Straßburg war. Das ist deutschen Medien zufolge eine Kündigung aus Warschau, ein "Schritt Richtung "Polexit", "Warschaus Kampfansage an Europa" (Spiegel) und der letztgültige Beweis, dass "Polens Regierung die EU-Rechtsordnung zerstören" (SZ) wolle, indem sie den "juristischen Polexit" ansteuere.

Was erlauben Polen!

Was erlauben Polen! War das deutsche Verfassungsgerichtsurteil, das nationales Recht über europäisches stellte, noch ein Ausrutscher,  über den inzwischen einfach nicht mehr geredet wird, gilt die polnische Absage an eine europäische Rechtssetzung, die, gerät sie in Widerspruch zum nationalen Recht, stets Vorrang hat, in der deutschen Darstellung zu einem gezielten Manöver der polnischen Regierung, die den "Justiz-Streit mit der EU eskalieren"  haben lasse. Obwohl sie doch, so steht ist nicht da, so ist es aber gemeint, einfach hätte beim Obersten Gericht anrufen und ihre Urteilswünsche durchgeben hätte können.

Wenn die Opposition im Land nun gegen das Urteil auf die Straße geht, dann stärken deutsche Politiker wie der weltweit hoch anerkannte Außenminister Heiko Maas den Massen mit Urteilsschelte aus dem Ausland den Rücken. Der SPD-Politiker, Minister eines Landes, das wegen sich der Missachtung europäischen Rechts einem Vertragsverletzungsverfahren ausgesetzt sieht, steht dabei Schulter an Schulter mit Ursula von der Leyen, die das Vertragsverletzungsverfahren einleiten hatte lassen, um einen "gefährlichen Präzedenzfall" abzustrafen, ehe jemand auf den Gedanken kommt, dass ein Vorrang europäischen Rechts vor dem nationalen seinerzeit in die geplante Europäische Verfassung aufgenommen worden war. Nach deren Scheitern aber aus dem ersatzweise unterzeichneten Vertrag von Lissabon wieder gestrichen wurde.

Glücksspiel Rechtstreue

Aktuell verstößt Deutschland mutmaßlich in 74 Fällen gegen EU-Recht, die europarechtswidrige Nicht-Anerkennung der Offenmarkt-Regelungen beim Glücksspiel zelebrierten sie staatlichen Inhaber der landeseigenen Glücksspielkonzerne zuletzt sogar über ein ganzes Jahrzehnt, immer wieder gestützt auf Gerichtsurteile, die nationales Recht über europäisches stellten. Stimmen, dass Deutschland deshalb keinen Cent mehr aus den Gemeinschaftskassen erhalten dürfe, gab es nie. Sie kommen nun aber dafür in ohrenbetäubender Lautstärke

Denn wenn zwei das Gleiche tun, mag es ja dasselbe sein. Aber die "Anerkennung der rechtlichen Oberhoheit der Europäischen Union über ihre Mitgliedsländer" (Spiegel), die das Bundesverfassungsgericht unter Prüfungsvorbehalt gestellt hat, weil die Mitgliedstaaten die Europäische Union erschufen, als sie noch ausschließlich an ihre nationalen Verfassungen gebunden waren, muss total sein und unkontrollierbar außer durch einen Europäischen Gerichtshof, der nur eine Instanz hat. 

Wäre das so, wie es die Polen-Kritiker erträumen, die mit Kritik an deutschen Vertragsverletzungen sparen, hätten sich die Regierungen durch die Gründung über- und zwischenstaatlicher Einrichtungen  erfolgreich der Verpflichtung auf die in den nationalen Verfassungen festgeschriebenen Grundrechte entzogen, Bürgerinnen und Bürger könnten sich auf die im Grundgesetz festgeschriebenen Rechte nur noch insofern berufen, als sie nicht mehr Grundrechtsschutz bieten als die gemeinsam von der Union gewährten. 

Die Würde des Menschen wäre danach zwar weiterhin unantastbar. Aber "sie zu achten und zu schützen" nicht mehr "Verpflichtung aller staatlichen Gewalt", sondern eine Empfehlung von irgendwem an irgendwen. Ein "Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit", wie es das Grundgesetz jedem Menschen zubilligt, gäbe es dann gar nicht mehr, denn den Begriff "Persönlichkeit" kennt die Charta der Grundrechte der EU ebenso wenig wie den "Entfaltung".


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ursula und Annegret werden bedauern, dass die Europäische Armee noch nicht fertig ist und nun respekteinflößend an der Ostgrenze steht, unter dem Schutz des mächtigen Euro-Flugzeugträgers, der aus dem Oderhaff die ungehorsamen Polen in ihre Schranken weist.

ppq hat gesagt…

was heißt hier "noch nicht fertig"? deutsche truppen stehen doch bereits viel weiter im osten, tut es not, wird man polen in die zange nehmen können!

Die Anmerkung hat gesagt…

Ich habe etwas dagegen, Polen niederzumetzeln oder den Deutschen einzuverleiben. Die lassen mich im Urlaub dort in Ruhe und selbigen maskenfrei verleben.

Den Militärspezialisten hier im Kommentarkeller sei ein wichtiger Hinweis für zukünftige Schlachten nicht vorenthalten. (mit Film)

Die Bundeswehr kann Lichtschwerter. Da werden sich einige großmäulige Weltherrscher ganz schön ducken müssen, wenn sie den tödlichen Strahlen entgehen wollen.

Anonym hat gesagt…

Zigeunerdressing aufm Hühnchen ist fast so schlimm wie Völkermord