Freitag, 19. August 2022

BEntlastung aus Berlin: Die Hütchenspieler

"Wollen wir nicht, könnten wir, ich lache mich kaputt" hat der junge Malerfürst Kümram sein Bild genannt, in dem er eine Kabinettssitzung imaginiert, in der um das nächste Steuerraufrunter debattiert wird.

Es ist dann nicht die Energiekrise gewesen, nicht der Anruf auf Brüssel und nicht die Drohung der Linkspartei, im Herbst nicht mit, aber neben der extremen Rechten marschieren zu wollen. Nein, das Signal zum ersten großen Entlastungsschritt kam vom Verfassungsschutz, der in steigenden Preisen Putins Hebel sieht, die staatlichen Institutionen verfassungsfeindlich zu delegitimieren. Mit der kalten Jahreszeit könnte es deshalb heiß werden im Land, auch außerhalb der Bundeswärmestuben. Warum also nicht gleich tun, was ohnehin unumgänglich ist? Und damit die beiden unschönen Diskussionen um Cum-ex und den Handschlag mit Abbas gleich mitbeerdigen?

Ein starkes Signal

Olaf Scholz trat vor die Kamera und teilte Geschenke aus: Die Umsatzsteuer auf Gas wird befristet bis März 2024 von 19 auf sieben Prozent sinken, die Belastung durch die neue Gasfirmenrettungsumlage damit mehr als ausgeglichen und überhaupt. Das Land ist auf einem guten Weg, die Energieversorgung ist sicher, sie bleibt sicher und sie wird wieder sicher. Deutschland und Europa senden damit ein starkes Signal an die Bürgerinnen, Bürger und den Kreml. Bis hierher und nicht weiter. Die Zeit des Zauderns, Haderns und Überlegens ist vorbei. You'll never walk alone.

Wie ganz Medien Deutschland nennt Scholz, der seinen Marx gelesen hat, die Umsatzssteuer "Mehrwertsteuer". Aber auch sonst stimmt nichts. Mit der verkündeten Senkung, die beinahe gespenstisch genau die 2,4 Cent  von der Gasrechnugn nimmt, die Scholz vor drei Tagen erst draufgepackt hatte, verzichtet der Bund auf wenig, was nicht vor ein paar Wochen ohnehin nicht hatte. Er gewinnt dafür aber Ruhe im Land und die verwirrt alle Kritiker: Ist das nun  schon das erste Entlastungspaket? Oder Nummer 3? Zählt bei Senkung auf Gas auch Propangas mit? Kommt vor der Erhebung des Gas-Soli noch eine Ankündigung mit 19 Prozent auf alles? Oder wird die Senkung in der Erhöhungsankündigung gleich mit angekündigt?

Ein politischer Preissprung

Arithmetisch ist die Rechnung klarer als politisch. Im letzten Jahr vor dem großen Preissprung nahm der Finanzminister aus dem Handel mit etwa 900 Milliarden Kilowattstunden rund zehn Milliarden Euro Umsatzsteuern ein. Mit dem Anstieg des Gaspreises von durchschnittlich sechs auf zwölf Cent waren es dann 20 Milliarden, mit dem aktuellen Satz auf mehr als 20 Cent wären es ab Oktober über 30. Plus knapp vier Milliarden aus der Gasumlage obendrauf.

Nun verzichten Scholz, Christian Lindner und Robert Habeck trotz "Kriegste nicht, Alter" auf fast zwei Drittel des Umsatzssteueraufkommens auf Erdgas. Mit Einnahmen von mehr als zwölf Prozent, die nun immer noch aus der siebenprozentigen Umsatzsteuer zu erwarten sind, stehen sie besser da als noch am Tag der Regierungsübernahme. Und dennoch ist ihnen der Applaus der Medien ebenso gewiss wie die Dankbarkeit eines Großteils der Bevölkerung, die im Hütchenspiel mit Umlagen, Auflagen, Abgaben, Sondersteuern und Entlastungspaketen längst den Überblick verloren hat.

Linke Tasche und rechte Tasche

Diese gezielte Be- und Entlastung in einem ist das alte Spiel mit linker Tasche und rechter Tasche, aber inszeniert als Hütchenspiel, das nicht etwa gespielt wird, weil alles Geld zum Ausgeben eben irgendwoher kommen muss. Die Summe, die über die Gasentlastungszulage eingenommen werden wird, entspricht der, auf die Vater Staat mit der zwölfprozentigen Umsatzsteuersenkung verzichtet. Warum also eine Abgabe erheben, um anschließend eine Steuer zu senken? Warum nicht gleich die Gasanlage aus ihren Steuereinnahmen bezahlen? Sondern einen neuen Kassenposten erfinden, um dann exakt die Summe an die zurückzugeben, die sie gerade erst zusätzlich gezahlt haben?

Regierungskunst. Mit der einfachen Lösung hatte der Finanzminister alles bezahlen müssen, ohne etwas zurückzubekommen und dafür wäre ihm nicht einmal vom Balkon applaudiert worden. Nun aber zahlen zwar andere, er aber hat entlastet: Von 34 Milliarden Euro, die er eigentlich gehabt haben könnte, hat er nun noch zwölf, zwei  mehr als vorher. Dazu muss er die vier Milliarden Rettungsumlage nicht zahlen, denn das machen die Leute, die zugleich heilfroh sind, dass nicht alles noch viel schlimmer gekommen ist. 

Und schließlich hat man Freunde. Das ZDF hat unter der Überschrift "Gaspreisentlastung - Beispiele" bereits in gewohnt kritischer Manier nachgerechnet, wie viel wer durch die Scholz-Senkung spart: Dazu wurde einfach einmal Gaspreis und Gasumlage mit 19 Prozent gegen einmal Gaspreis und Gasumlage mit sieben Prozent gestellt. Erstaunliches Ergebnis: Sieben ist weniger. Eine Rechnung ohne Gasumlage hingegen gab es nicht. Die wäre ja auch höher ausgefallen.


5 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Ich erweitere einmal die Funktion und stelle die Frage, was mit dem schönen Mehrwertsteuerplus passiert, wenn sich der Hauptoperand verringert, d.h. wenn das Gas fehlt? Bei all den fiskalischen Tricks, die Kanzler Olaf vollzieht, bleibt das Grundproblem, das fehlende Gas, ungelöst. Und das, wo am Weltmarkt nicht einmal Erdgasmangel herrscht.

Ich glaube, der gute Olaf sollte in seiner Songauswahl nachjustieren und statt dem "You'll never walk alone" demnächst das "Fear of the dark" trällern.

ppq hat gesagt…

am gesicht des haseloff war in dieser woche zu sehen, dass sie zwar noch auf dem fahrersitz sitzen, aber weder an lenkrad, gaspedal oder bremse herankommen. jeder ruft nach hilfe von jedem, die maßnahme von gestern kann morgen schon von einer neuen maßnahme konterkariert werden.

man hofft, dass wenck doch noch kommt, oder die preußen oder dass es nacht wird, ehe es kalt wird

Anonym hat gesagt…

Solche Berechnungen kann man sich beim ÖR Rundfunk finanziell nicht mehr leisten.

Anonym hat gesagt…

SDV sagt:
18. August 2022 um 18:52 Uhr

Tja, ich würde auch gerne lieber in Thomas Morus „Utopia“ leben, aber solange der Mensch ein Ego besitzt, wird es immer so etwas wie „schwarz/weiß“ oder „gut/böse“ geben.
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OT, bei Röpi.
Ich möchte da m i t n i c h t e n* leben, und auch nicht in Campanellas Sonnenstaat, oder als Pferd bei Gullivers vierter Reise im Land der Hhymhhym oder wie auch, aber am wenigsten im Teutschen Paradies des Turnvaters Jahn - hat das jemand mal gelesen? Grauenhaft.

*Mitnichten hat die Nase meiner Wirtin, deren Name Eulalia, wie Sie die Güte, sich zu erinnern hatten, lautet, geblutet, ABER !!! usw. - Da ist unseren Brüdern und Schwestern in den Westzonen etwas entgangen. Denen hat man in jenen Tagen mit Ernst Jandl den Nerv getötet.

ppq hat gesagt…

stimmt natürlich, die müssen selber erst mal schauen, was noch an geld da ist
so viel strom, wie die brauchen, werden sie demnächst alles für die elektrorechnung ausgeben müssen