Donnerstag, 3. November 2022

Vergebliche Nachtschicht: Völkermord bleibt hoffähig

No Borders no nations
Auch nach der nächtlichen Verschärfung des Meinungsfreiheitsschutzes bei Völkermordfragen sichert das deutsche Recht  Leugnern bei den meisten Völkermorden Straffreiheit zu.


Es sollte schnell gehen, nicht weiter auffallen, aber Deutschland zukunftssicher machen für eine Zeit, die nicht einfach werden wird. Mitten in der Nacht, als Bürgerin und Bürger schon längst friedlich vor dem Spätfilm eingeschlafen waren, hoben ihre Volksvertreter in Berlin noch einmal stellvertretend für alle ihre Fraktionskolleginnen und Kollegen die Hand, die wegen der späten Stunde schon nach Hause in die Wahlkreise geeilt waren, um dort nicht minder wichtige Arbeit zu leisten.  

Die Stunde schlug 23 Uhr als der Deutsche Bundestag das Schlimmste abwendete: Mit einem Koffergesetz, geschmuggelt hinten in ein anderes, gelang es, in den Tatbestand der Volksverhetzung im Strafgesetzbuch-Paragrafen 130 einen neuen Absatz einzufügen, der das Land und seine Menschen vor Nachstellungen der EU-Kommission und die Bevölkerung im gesamten Erdenkreis künftig auch vor deutschen Leugnern allerschlimmster Völkermordverbrechen schützen wird.

Mehrheit kurz vor Mitternacht

So glaubten sie zumindest, die Bundestagsabgeordneten der großen demokratischen Parteien, die von ihren Fraktionen verpflichtet worden waren, kurz vor Mitternacht für eine Mehrheit für die Menschlichkeit zu sorgen. Ein klitzekleiner Schritt für das größte demokratische Parlament der Welt, ein großer für den menschlichen Fortschritt weit über die deutschen Grenzen hinaus.

Nicht mehr nur das Leugnen des Holocaust, sondern auch das "Billigen, Leugnen oder gröbliche Verharmlosen von Taten der Art, die sie im Völkerstrafgesetzbuch geregelt sind", zieht nun rechtliche Konsequenzen nach sich: Wer etwa die Mordfeldzüge Heinrich I. gegen die Heveller verharmlost, die Vertreibung der Sorben aus Ostdeutschland billigt oder die von Albrecht I. von Brandenburg, besser bekannt als Albrecht der Bär, begangenen Greueltaten bei der Eroberung großer Landstriche von den Slawen als heldenhafte Taten darstellt, steht mit einem Bein im Gefängnis. Ebenso jeder, der Mordfeldzüge der Römer oder gegen die Römer, der US-Streitkräfte gegen die später in "Natives" umgetauften früheren Indianer oder von den mit Deutschland nicht erst seit eben über einen festen Wertekanon eng verbundenen Japanern gegen chinesische Männer, Frauen und Kinder in Abrede stellt. 

Tür und Tor bleiben offen

Geplant war es, umgesetzt wurde es. Doch nun stellt sich heraus, dass Tür und Tor für Leute, die gegen Teile oder Gruppen der Bevölkerung hetzen, hassen und verharmlosen wollen, indem sie öffentliche Äußerungen tätigen, die geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu stören, weiterhin weit offen steht. Wie Thomas Fischer, früher Richter am Bundesgerichtshof und heute Rechtserklärer beim ehemaligen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", in einer Kolumne erklärt, verfehlt die Gesetzesverschärfung beim Leugnungsverbot ihr Ziel um mehrere Kilometer. 

Entgegen allen Vermutungen, die seit der klammheimlichen Gesetzesänderung öffentlich kreisen, ändere die Verschärfung in Wirklichkeit gar nichts, so Fischer. Grund sei eine Beschränkung des Wirkungskreises des Gesetzes, die sich aus der ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts über Jahrzehnte ergebe. Danach müsse die Gruppe oder der Bevölkerungsteil oder die Person, gegen die sich die geleugnete oder verharmloste Völkermordtat richtete, eine "nach Abs. 1" sein. Mit diesem Absatz 1 aber seien stets "nur Teile der inländischen Bevölkerung umfasst".

Zwei-Klassen-Gesellschaft für Hetze und Hass

Der Gesetzgeber kennt nur eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: Hier die Deutschen und ihre Gäste als "inländische Bevölkerung". Dort der Rest der Welt, der sich gegenseitig meucheln und morden und anschließend nicht nur selbst ungestraft alles leugnen, abstreiten und verniedlichen kann, sondern auch deutschen Leugnern und Verharmloser eine Bühne dafür bietet. 

Der Unterschied ist erschütternd: So fallen die  Massenmorde von Albrecht dem Bären zweifellos unter das neue Leugnungsverbot, die Mordfeldzüge der US-Armee gegen die amerikanischen Ureinwohner jedoch nicht. Sicher vor Strafverfolgung bleibt ebenso, wer den weltweit anerkannten Völkermord an den Tutsi leugnet, "russische Kriegsverbrechen in der Ukraine oder amerikanische Kriegsverbrechen im Irak" (Thomas Fischer) in Abrede stellt oder den Versuch der Vernichtung des armenischen Volkes durch die Osmanen grob verharmlost. Daran ändere auch nichts, schreibt Fischer, "dass der ebenfalls geänderte Paragraf 5 StGB auch Auslandstaten – unabhängig vom Recht des Tatorts – einbezieht, wenn der Täter Deutscher ist oder in Deutschland seinen Lebensmittelpunkt hat". Schutzbereich ist Schutzbereich und der von § 130 StGB erstrecke sich eben nur auf die inländische Bevölkerung und schütze damit auch nur deren "Teile".


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Thomas Fischers Text auf spiegel.de lässt vermuten, dass er nie auf einer Journalismussschule war, denn er ist nicht im üblichen Schablonendeutsch der Wächterpresse verfasst und auch sonst lesenswert.

Zu einem mutmaßlich für die Presse inszenierten Luftalarm der Ukrainer:
Sollte der Verdacht zutreffen, so wäre das eine überaus peinliche Sache, weil sich der deutsche Bundespräsident als Schauspieler in einem Propagandafilmchen zur Verfügung gestellt hätte oder missbraucht worden wäre.

Der deutsche Bundespräsident? Ein Schauspieler? Nein! Doch! Oh!

Anonym hat gesagt…

kategorischer imperativ 3. November 2022 at 19:38

also mir hängt das gänsefleisch noch ganz erheblich nach. wenn man bedenkt das die neuen bundesländer zu 50prozent aus diesen arschgeigen und sonstigen mitläufern besteht…………..
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Die Frage, wer denn hier eine Arschgeige ist, wirft sich gar nicht erst auf. Gelle.

Jodel hat gesagt…

Unsere Rechtsprechung wird sich über kurz oder lang sicher der Auffassung unserer woken Medien und Gelehrten anschließen, dass wir in diesem schönen Ländchen seit Anbeginn der Zeit für alles Unbill auf diesem Planeten, in der ein oder anderen Weise, direkt oder indirekt, verantwortlich sind. Alle Schuld der Welt liegt doch, so gut wie erwiesenermaßen, auf unseren 1%-Schultern.
Dann passt das auch wieder mit dem neuen Gesetz.