Dienstag, 27. Dezember 2022

Die Beseitigung Preußens: Nicht nur sauber, sondern rein

Preußen war berüchtigt für seine preußische Kulturpolitik, die die Kunst als Magd der Politik missbrauchte.

S
ie gelten als zwei der bedeutsamsten, traditions- und erfolgreichsten Fußballvereine Deutschlands, vielmaliger Meister, beliebt bei ihren Fans, verhasst beim Gegner, aber respektiert sogar bis ins Ausland. Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund sind für die deutsche Fußballliga Umsatzbringer und Gewinngaranten, die beiden ehemaligen Vereine - heute längst als Kapitalgesellschaften unternehmerisch unterwegs - sollen nun nach einer Entscheidung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth grundlegend reformiert werden. In einem ersten Schritt sollen beide Vereine über ihren missverständlichen Namen nachdenken. "Preußen", seit jeher Träger des Militarismus und der Reaktion in Deutschland, soll verschwinden wie Bismarck aus dem Außenamt. 

Falsche Vorbilder

Es geht um Missverständnisse, falsche historische Vorbilder, um Schaden, den das deutsche Ansicht im Ausland zu nehmen droht. Claudia Roth steht mit ihrer Initiative in der Tradition der Alliierten, die nach dem Zweiten Weltkrieg Kontrollratsgesetz Nr. 46 vom 25. Februar 1947 eine Auflösung Preußens verfügten, um die Kriegsgefahr im Herzen Europas zu bannen. Damals unberücksichtigt blieben glorifizierende Namen wie der der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), des Fußballvereines Preußen Münster oder eben die "Borussia", nach der sich die Fußballvereine in Dortmund und Mönchengladbach benannten. 

Öffentlich kaum bekannt, aber im politischen Berlin nicht übersehen: Beim Wort "Borussia" handelt es sich um den lateinischen Namen Preußens, zu dem Mönchengladbach von 1815 an gehörte und zu dem sich der vermeintliche Sportverein seit Jahrzehnten bekennt. Im Fall Dortmund ist die Lage sogar noch gefährlicher: Die Gründer des Vereins wählten den Namenszusatz "Borussia" im Gedenken an eine Brauerei, die sich nach dem preußischen Obrigkeitsstaat benannt hatte.

Ausradieren der Erinnerung

Die Initiative der Kulturstaatssekretärin zur Ausmerzung des schwer belasteten Begriffes kommt keinen Moment zu früh. als der Alliierter Kontrollrat im Februar vor 75 Jahren verfügte, dass der Staat Preußen, seine Zentralregierung und alle nachgeordneten Behörden aufgelöst würden, ließen die Ratsmitglieder sich erklärtermaßen vom Interesse an der Aufrechterhaltung des Friedens und der Sicherheit der Völker leiten, "erfüllt von dem Wunsche, die weitere Wiederherstellung des politischen Lebens in Deutschland auf demokratischer Grundlage zu sichern", wie es hieß. 

Dass dieser scharfe Schnitt nicht tief genug reichen würde, weil bestimmte Kreise seitdem versuchen, die Erinnerung an Preußen trotz des Verbotes am Leben zu erhalten, damit rechnete damals niemand. Später wurde es in Kreisen politischer Entscheidungsträger sogar mehr und mehr Mode, durch öffentlich zelebrierte Preußen-Verehrung nationale Gefühle zu schüren.

Im Sommer 1991 bereits wurden die Särge der Preußenkönige Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II. aus ihrer Gruft in einem Salzbergwerk im dunkeldeutschen Thüringen feierlich nach Potsdam umgebettet. Helmut Kohl verneigte sich vor dem Schoß, aus dem das kroch. Angela Merkel empfing Partner und Verbündete in Preußens Schlössern. Selbst der Bundestag erlag der Verführung des nationalen Rausches und beschloss den Wiederaufbau des Stadtschlosses der einstigen Herrschers Preußens mitten in Berlin.

Leidenschaft ohne Sippenhaft

Kulturstaatsministerin Claudia Roth spricht sich nun zumindest für eine Umbenennung der an das aufgelöste völkerrechtliche Subjekt erinnernden Namen aus. "Was haben Andy Warhol und Joseph Beuys mit Preußen zu tun?", sagte Roth dem "Spiegel" bezogen auf die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Das gilt auch für einen "sympathischen, ambitionierten Verein, der für einen begeisternden Fußball steht und leidenschaftliche Fans im Rücken hat" (BVB Borussia): Hier spielen Franzosen, Portugiesen, Spanier, Briten, Kroatien, Guineer, Belgier, Polen und Deutsche, aber nicht ein einziger Preuße. Ähnlich sieht es bei Mönchengladbach aus: Senegalesen, deutsche, Amerikaner, Franzosen von der Elfenbeinküste und Kicker mit exotischen Doppelstaatsbürgerschaften aus Luxemburg und Kap Verde. Aber keine Preußen.

Die aktuellen Namen bringen damit aus Sicht der Staatssekretärin mit dem Ministertitel nicht "die Weltläufigkeit zum Ausdruck", die als Signal ins Ausland Vielfalt und nationale Buntheit zeigt. Borussia schließt einen großen Teil Deutschlands aus, denn zwar hatten die Erben des Ordensritterstaates weite Teile Deutschlands unterjocht, aber längst nicht alle. "Preußen ist ein wichtiges, aber nicht unser einziges Erbe, diese einseitige Priorisierung ist falsch, Deutschland ist viel mehr", beschreibt Claudia Roth.

Weltläufig und weltoffen

Wichtig sei es nun, einen "attraktiven, zukunftsgewandten Namen" für die Vereine zu finden, die es den Spielern künftig einfacher machen, die Last der unheilvollen und blutigen Geschichte abzuschütteln und - etwa in der Champions League - unbeschwert aufzuspielen. Eine nationale Aufgabe: Namensvorschläge gebe es bislang noch nicht, die neue Einheitsbezeichnung aber soll modern klingen, weltläufig und weltoffen und er soll zudem mit "moralischem Furor Geschichtsreinigung" betreiben, wie der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse vorgeschlagen hat.

Für die Borussen in Gladbach und Dortmund, aber auch für die selbsternannten Preußen, die in Münster unterklassig Fußball spielen, wird eine Umbenennung Tage oder sogar Wochen der Umstellung und Eingewöhnung bedeuten. Nur dieser "neue deutsche Sonderweg" (Thierse) aber führt in eine Zukunft, die nicht an zweifelhaften Wurzeln festhängt, sondern sich selbstbewusst allein aussucht, wo sie ihr Erbe verortet, welche aus dem Portfolio der eigenen Staatsbürgerschaften die Tür in wessen Nationalmannschaft öffnen soll und das Bekenntnis zur ganzen deutschen Geschichte des Helmut Kohl eintauscht gegen ein buffetartige Auswahl an gerade passenden Distinktionsmerkmalen.

Claudia Roth folgt mit dem Plan der Umbenennung dem Beispiel von Altkanzlerin Angela Merkel, die über Jahrzehnte Selbstbestimmung beispielhaft vorlebte: Obwohl gebürtige Hamburgerin, trat sie stets öffentlich als "Ostdeutsche" auf, so überzeugend sogar, dass 93,4 Prozent der Deutschen (102 Prozent Westdeutschland/ 57,1 Prozent Ostdeutschland) sie bis heute für eine echte "Ossi" halten". 


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das geht in Ordnung. Die sollen das Andenken an den Staat Preußen nicht mit ihrem Zirkus ekelhafter linker Bonzen in den Stiftungen besudeln.

Anonym hat gesagt…

Da hat sich die Roth eine große Aufgabe gestellt. Es gibt 38 Fußballvereine mit dem Namen Preußen und 60 mit dem Namen Borussia. Natürlich sind die Vereine Hort finsterer Reaktionäre und Revanchisten, die implizit die Wiederherstellung des Landes Preußen fordern. Das muß die Rothe unbedingt verhindern, im Staat Preußen wäre für sie kein Platz im öffentlichen Apparat, sie wäre zurückgeworfen auf den Status einer häßlichen Stänkerin ohne Alimentierung durch die arbeitende Bevölkerung.

ppq hat gesagt…

große aufgabe? phhhhh. da gibt es ein "gute namen gesetz" und schwupps ist das durch

Anonym hat gesagt…

"Kunst" - Wer kennt das noch: "Typische Charaktere unter typischen Umständen"?
Literatur, 9. Klasse - Kleiner Mann, was nun? versus Die Mutter von Max dem Bitteren. Letzteres war eine höhere Form der Literatur, weil die Heldin, Pelageja Wlassowa, zur kommunistischen Partei findet, Johannes Pinneberg aber nicht.