Dienstag, 7. Februar 2023

Faesers Freizeitwahlkampf: Wiesbaden im Visier

Nancy Faeser überzeugte bisher als konsequenteste Bundesinnenministerin der bundesdeutschen Geschichte. In ihrer Freizeit greift sie nun in den Wahlkampf in Hessen ein. Gemälde: Kümram, Vaseline auf Rauhfaser

Für manchen Menschen, womöglich sogar für viele, wäre es eine Belastung, die sie einfach nicht tragen können. So viel Verantwortung. So viele Leben, die von den eigenen Entscheidungen abhängen! Schicksale von Bahnfahrern, der Ruf einer ehemals angesehenen Institution wie der Polizei. Soziale Gerechtigkeit. Die Zukunft von Flüchtenden, Geflüchteten und Nochnichtlangehierlebenden. Das Gedeihen einer Partei, eines Bundeslandes, Deutschlands und der gesamten EU nicht zuletzt.

Beste Bundesinnenministerin aller Zeiten

Doch Nancy Faeser wuppt das. Die 52-Jährige ist nicht nur Ehefrau und Mutter eines siebenjährigen Sohnes, sondern auch noch Landesvorsitzende der hessischen SPD, Mitglied im SPD-Parteivorstand und eine der führendsten Vertrerter*innen in dessen Arbeitsgruppe "Innen". Sondern nebenher auch noch Ortsvereinschefin der SPD im beschaulichen Schwalbach, 550 Autobahnkilometer entfernt von ihrem Arbeitsort im politischen Berlin.

In der Kommunalpolitik ist die ausgebildete Juristin im Kreistag des Main-Taunus-Kreises und als Stadtverordnete ihrer Heimatgemeinde Schwalbach am Taunus engagiert. Und als wäre es gar nichts, führt sie die 2.100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesinnenministerums als Ministerin, sie sitzt in Talkshows, Pressekonferenzen und gibt Warnungen heraus, sie plant neue Gesetzesverschärfungen und Verbote, trauert regelmäßig, ist schockiert und sehr, sehr betroffen.  Nach nicht einmal anderthalb Jahren im Amt gilt die Frau aus Bad Soden schon als beste Bundesinnenministerin aller Zeiten.

Der gute Rat, sehr viele Lehren zu ziehen

Fast eben erst, nach dem "Anschlag von Hanau", nach dem mittlerweile nicht mehr nur Jüngere googeln müssen, hatte sie vorgeschlagen "noch sehr viele Lehren" zu ziehen. Letztes Jahr noch herrschte da auch weiterer Aufklärungsbedarf, der mit einer erneuten Verschärfung des Waffenrechts erledigt werden sollte, "um den Rechtsterrorismus zu bekämpfen" (Faeser). Dazu standen die Chancen gut, auf EU-Ebene ein gemeinsames Asylrecht  zu schaffen - nicht ganz nach 14 Tagen, wie es die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sommer 2018 versprochen hatte. Aber doch immerhin nach nur 1.370, für die EU ein recht ordentliches Ergebnis.

Faeser kann all das, gleichzeitig, wenn auch nicht immer gleich jetzt. Mit dem Waffenrecht, das ist nichts geworden, welche "Lehren" nun genau im Kampf gegen rechts für die Nation gezogen wurden, blieb unbekannt. Auch die europäische Asylregelung - als "Faesers Migrationsplan" vor einem Jahr ein großer Schlagzeilenknaller - verpuffte im Ungefähren. Es ist halt immer so viel. Und ständig etwas Neues.

Ablenkung für alle

Zum Glück sind dadurch aber immer alle abgelenkt. Faesers "asylpolitische Geisterfahrt" (Die Welt) musste so öffentlich nicht einmal mehr beerdigt werden, denn sie wurde wie so vieles anderes einfach stillschweigend vergessen. Dass Nancy Faeser trotz dieser beeindruckenden Bilanz nun zu all ihren anderen Posten, Pöstchen und Verpflichtungen sogar noch als Spitzenkandidatin der deutschen Sozialdemokratie zur Landtagswahl in Hessen antreten kann, selbstverständlich in ihrer Freizeit, steht vollkommen außer Frage. Wer die Schwalbacher SPD aus beinahe noch größerer Entfernung führen kann als die frühere SPD-Chefin Andrea Nahles ihre kleine Tochter aufzog, der könnte in einer Milchkanne zum Mond fliegen. Und zur nächsten Twittertrauerfeier für einen unaufmerksamen ÖPNV-Gereistseienden schon wieder zurück.

Für eine Powerfrau, die im Unterschied zu zahlreichen Kabinettskollegen sogar schon mal fast zehn Jahre in einem bürgerlichen Erwerbsberuf gearbeitet hat, gibt es keinen Grund, von dem Plan abzuweichen, den sie gemeinsam mit Kanzler Scholz und der Parteispitze beschlossen hat: Erst die Berufung in Bundeskabinett. Dann die große bundesweite Popularität als neuer Sheriff in der Stadt. Und auf der Welle der Sympathie, die der Kampf gegen rechts, gegen renitente Sachsen und querdenkende Regierungsfeinde stets erzeugt, flutscht man dann in die Wiesbadener Staatskanzlei - wieder mal erste Frau im Amt, Reconquistator eines Landstrichs, der immer rot gewesen ist. Um es für alle einfacher zu machen, verwandelte sich der bisher amtliche Twitter-Account der Innenministerin mit der Verkündung der Kandidatur in einen Mitteilungskanal der neuen Spitzenkandidatin.

Rückeroberung der roten Scholle

Das große Ziel ist jedes Wagnis wert. As hessische Ministerpräsidentin könnte sich Nancy Faeser endlich um die Dinge kümmern, die ihr noch mehr am Herzen liegen als Sicherheit, offene Grenzen und eine neue "Koalition der Aufnahmebereiten", die eine Weiterentwicklung des europäischen Asylsystems in Gang bringen, indem sie ihre Türen auf und die Tore weit machen. Faeser, die mit 18 in die SPD eintrat und mit 39 Mitglied nicht bei der Polizei, aber beim Verein "Sozialdemokraten in der Polizei" (SiP) wurde, um ihr politischen Profil zu schärfen, würde in Berlin eine Lücke hinterlassen, die ihren Platz vollkommen ausfüllt, in Wiesbaden aber wäre sie endlich wieder dort, wo ihr "Herz schlägt".

Das ist die halbe Miete für den Wahlgang im Oktober. Und wenn es nicht klappt, werde sie eben  weiterhin als Bundesministerin Verantwortung tragen, hat sie bereits angekündigt. Viel wäre dann dort ohnehin nicht mehr zu tun, denn die wichtigen Weichenstellungen hat Nancy Faeser vorsorglich bereitds vorgenommen: Zuletzt beförderte sie ihren Vermieter und ließ ihm so 3.505 Euro Gehaltszuschlag zukommen. Der Leiter der Zentralabteilung im Bundesinnenministerium erhält nun wenigstens 12.435 Euro im Monat. Geld, das ihm auch bleiben wird, sollte die Chefin in Hessen triumphieren.


4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Sie könnte nebenher noch eine Beraterfirma leiten und eine McDonald's Filiale, so dass sie nicht zwei sondern vier Standbeine hat, für alle Fälle.

Arno hat gesagt…

Ich lese da "Ministerium". Wird denn bei den Sozen nicht mehr vernümpftig geschändert? "Minister*in/-ium

Anonym hat gesagt…

Es wäre doch an der Zeit für einen Türken als Ministerpräsident in Hessen. Die Mehrheit haben sie doch dort schon, zumindest in den großen Städten.

Anonym hat gesagt…

Berlin - Berlins CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner kann sich aufgrund großer Unterschiede in der Verkehrspolitik keine Koalition mit den Grünen nach der Wiederholungswahl am Sonntag vorstellen. (Mitteldeutsches Wurstblatt)
--------------------------

Ich könnte mir de*x Parteigenossen_en de*x Agniola Kazmierczak durchaus_In vorstellen - mit dem schwarzen Dreieck_In dex Asozial_n am gestreiften Anzug. Und Holzpantinen. - Beim Torfstich in Börgermoor, oder im Klinkerwerk Oranienburg.