Samstag, 11. Februar 2023

Schaum auf der Ostsee: Hersh hat den Hut verloren

 

Schaum auf der Ostsee - keiner hat's geseh'n

Schaum auf der Ostsee - was ist bloß gescheh'n

Schaum auf der Ostsee - keiner weiß warum

Schaum auf der Ostsee - alle bleiben stumm

(Dritte Wahl)

Es hätte so einfach sein können. So leicht. Alle Teilnehmer sitzen zu Beginn im Kreis, den der Spielleiter abschreitet, wobei er jedem einen Täternamen ins Ohr flüstert. Den müssen sich die Teilnehmer merken, aber niemand darf ihn sagen. Ausgesprochen werden darf unbedingt nur ein einziger Verdacht, der aber umso nachdrücklicher. Nach ein, zwei Wochen ist schon alles vorbei. Die öffentliche Aufmerksamkeit richtet sich erfahrungsgemäß immer recht eilig auf das nächste Großereignis. 

Der Verschwörer

Es hätte alles rund laufen können. Doch dann kam Seymor Hersh, in einer anderen Zeit mitten im deutschen Frieden ein renommierter Enthüllungsreporter. Und er entschloss sich, eine hanebüchene Verschwörungstheorie in Umlauf zu bringen. Zwar fand der eigensinnige Mann aus Chicago kein großes amerikanisches Medienhaus, das sich zum Handlager seiner Schuldzuweisungen machen ließ. Doch genau wie damals, als der "begnadete Einzelkämpfer" (SZ) das Massaker von My Lai über eine winzige Agentur skandalisierte, bis die Leitmedien nicht mehr schweigen konnten, half das anfängliche Zuwarten auch diesmal nicht: Die Geschichte "Wie Amerika die Nord Stream-Pipeline ausschaltete" war in der Welt. Nun galt es, die Pasta zurück in die Tube zu drücken.

Die womöglich vorliegenden Beweise gegen den einzigen brauchbare Täter dürfen leider nicht  öffentlich genannt werden. Russland droht so, durch die Maschen zu schlüpfen, obwohl vieles darauf hindeutet, dass der Kreml Nord Stream hat sprengen lassen, um, ja, selbst das ist derzeit noch ein Rätsel. Amerika aber, von Hersh als Täter ausgeschmiert, kann es nicht gewesen sein, weil sonst zweifellos russische Personaldokumente, Kalaschnikows und Aufzeichnungen von Telefongesprächen mit genauen Anweisungen Wladimir Putins an das Sprengkommando auf dem Meeresgrund gefunden worden wären. 

Vice versa gilt freilich das Gleiche umgekehrt: Wäre es der Russe wirklich gewesen, hätten die Ermittler sicherlich einen Tagesbefehl Joe Bidens an ein geheimes US-Tauchkommando auf dem Meeresboden gefunden. Oder wenigstens eine EU-Richtlinie mit Unterschrift von Ursula von der Leyen, die europäische Seestreitkräfte anweist, die Versorgung Deutschlands im Namen des seit mehr als 70 Jahren von Brüssel aus garantierten Seelenfriedens der politischen bel étage Europas umgehend zu unterbinden.

Deutsche Taucher können nicht

Norwegen, Dänemark und Schweden, von Seymour Hersh der Mitwisser- und Mittäterschaft beschuldigt, scheiden aus, ebenso Deutschland, dessen Taucher nicht über die Möglichkeit verfügen, so große Rohrleitungen anzugreifen. Polen wiederum, immerhin direkter Ostseeanlieger und von Anfang an erbitterter Gegner der deutschen Pläne zum Bau einer Pipeline, die keine Durchleitungsgebühren mehr abwirft,  verfügt mit dem Taucher- und Tieftaucherausbildungspunkt "Kommodore Stanisław Mielczark" zwar über einen Stützpunkt in Gdynia. Doch der ist seit 1999 auch homebase der "Cooperative Poseidon" genannten Nato-Unterseetruppen in der Ostsee, so dass zweifellos irgendwer etwas mitbekommen hätte.

Rein technisch lesen sich die Widerlegungen zu Hershs kruden Thesen ohnehin, als sei es praktisch vollkommen unmöglich gewesen, die Nord-Stream-Pipelines zu sprengen. Die USA verfügen nicht über die notwendigen Mini-U-Boote. Die Russen hätten es niemals schaffen können, unbemerkt an die Rohre heranzukommen. Die Briten, kurzzeitig ebenfalls auf der Kandidatenliste, fallen in der Ostsee sofort auf. Die Ukrainer hätten erst um den ganzen Kontinent fahren müssen, um vor Bornholm anzukommen. Lettland, Estland und Litauen, die schon in der Nähe sind, traut es kein Fachmann zu.

Beinahe noch schlechter steht es um den Ruf von Belgien, Luxemburg und Portugal.  Die U-Bootwaffe aller drei Länder gilt als behäbig, schwerfällig und überaltert, das Seekommando Brügge besitze kaum modernes Equipment, für die portugiesische Navy hingegen sei der Seeweg bis in die Ostsee aufgrund der hohen Treibstoffpreise kaum zu finanzieren. 

Frankreich könnte, wollte aber wohl nicht

Frankreich wird in Geheimdienst- und Ermittlerkreisen durchaus zugetraut, technisch über die Fähigkeiten zu verfügen, unterirdische Anlagen zu sprengen. Eine mit der Angelegenheit vertraute Quelle allerdings verweist darauf, dass in Paris nicht ungern gesehen wurde, wie sich die Bundesregierung in der Frage der Erdgasversorgung aus Russland wand. "Im Élysée-Palast hatte sicher niemand Interesse, den Bundeskanzler da von der Leine zu lassen." Ähnlich dürfte die Interessenlage Beobachtern zufolge auch in Spanien, Brasilien, Mexiko, Indien, dem Senegal, Mali und Australien ausgesehen haben. "Die meisten Staaten eint wohl das vitale Interesse, mit diesen Angelegenheiten nicht weiter befasst zu werden."

War es der Iran?

Doch da Berichte über Fotos, die den zuständigen Behörden in Deutschland vorliegen sollen, nahelegen, dass die 1.224 Kilometer langen Leitungen dennoch zerstört wurden, ist keine Täterschaft auch keine Option. Zur Verfügung stehen aber nach dem Ausschlussprinzip neben Russland nur noch der Iran, dessen Revolutionsgarden alles zuzutrauen ist. China, dessen Seidenstraße ganz in der Nähe endet. Und natürlich Mordkorea, das stets und immer noch infragekommt, im Unterschied zu Libyen, dem IS und den Taliban.

Unter diesen vier Kandidaten ist nun also der Verantwortliche zu suchen, soll das transatlantische Bündnis  nicht schweren Schaden nehmen. Alternativ muss die Tätersuche für immer erfolglos bleiben.



3 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Unabhängig davon, wer es nun tatsächlich gewesen ist, sollte man zunächst die Frage stellen, was der gemeinsame Nenner für alle in Frage kommenden Beteiligten ist: der Einzige, der durch die Zerstörung der Pipelines wirklich Schaden davon trägt, ist Deutschland. D.h. alle in Frage kommenden Länder, die USA, Russland, Großbritannien, Polen hatten ein massives Interesse daran, Deutschland eins auszuwischen. Vorbei sind die Zeiten einer Kanzlerin Merkel, die es noch ansatzweise verstanden hat, Gleiches mit Ähnlichem zu vergelten.
Dass irgendwann ans Tageslicht kommt, dass die Amerikaner der Urheber der Zerstörung der Pipelines sind, war nur eine Frage der Zeit. Dafür sind die Amerikaner inzwischen zu großmäulig geworden, als dass ihre Urheberschaft im Verborgen geblieben wäre. Das "seht her, wir waren das" ist den Amerikanern in die DNA geschrieben. Die konnten gar nicht anders, als irgendwann mit der Tat prahlen zu müssen. Ich kann mir sogar sehr gut vorstellen, dass die Geschichte bewusst über Seymour Hersh lanciert wurde, sozusagen als Teil des Plans. Das amerikanische Establishment hat immer noch eine Rechnung mit Seymour Hersh offen; und Seymour Hersh bezahlt diese Rechnung jetzt damit, dass er als hilfreicher Trottel missbraucht wird.

Anonym hat gesagt…

Nun die alliierten Truppen haben erfolgreich Deutschland ihrer Industrie beraubt... Russland und Amerika arbeiten gut zusammen wenn's nötig ist...man hat immer wieder seinen Spass mit den deutschen ,die laufen ja auch freiwillig mit Masken Rum

Anonym hat gesagt…

Ich kann mir sogar sehr gut vorstellen, dass die Geschichte bewusst über Seymour Hersh lanciert wurde

Ebend! - Andererseits hüte man sich vor der Haltung "Ich glaube wirklich JEDEN Mist, solange es nicht Mähns-triehm ist" - auch wenn es noch so sehr passt. Erst mal sacken lassen, ein paar Wochen mindestens.