Mittwoch, 1. Februar 2023

Vigilantismus: So gefährdet Klimaaktivismus die Demokratie

Typisches Outfit: Fotos der beiden letzten verbliebenen Vigilanten, die in einem Tunnel unter Lützerath gegen rechtsstaatliche Entscheidungen opponiert hatten, gingen um die Welt.


Sie tragen Flecktarn und Adidas, sie werfen mit Molotow-Cocktails, planen Angriffe auf die verfassungsmäßige Ordnung und fordern die Einrichtung von sogenannten "Gesellschaftsräten" nach dem Vorbild der russischen Sowjets, die den gewählten Volksvertretern vorgesetzt sein sollen. Selbsternannte Aktivisten träumen vom Durchregieren im Namen höherer Klimaziele, sie wünschen sich öffentlich einen Systemwechsel hin  zu einem Kollektivwirtschaft, in der der Einzelne nichts zählt, und sie stellen auch das Gewaltmonopol des Staates infrage, um die Behörden zu zwingen, das zu zeigen, was sie für deren "wahres Gesicht" halten.  

Neuer Gerechtigkeitskrieg

Selten nur wagen sich Kritiker aus der Deckung, den Vigilantismus der neuen Generation an Öko- und Gerechtigkeitskrieger benennen. Zu groß ist die Angst, von einem schnell organisierten shit storm hinweggefegt zu werden, auf immer ausgeschlossen aus der Gemeinde der Demokraten, die sich nach der Vorstellung des Jungvolks durch gleichen Glauben, gleiche Überzeugungen und die gleiche Sehnsucht nach einem beschäftigungslosen Grundeinkommen auszeichnet. 

Doch so harmlos, wie die Anführerinnen der Bewegung in den Medien wirken, sind sie nicht. Der Vigilant, der Name ist abgeleitet aus dem Lateinischen vigilans, das nicht zufällig wie das Englische woke für wachsam steht, ist überzeugt davon, dass die von ihm verfolgten höheren Ziele jede Maßnahme rechtfertigen - vom eigenmächtiges Bestrafen sturer Autofahrer durch Blockaden bis zur Herstellung einer klimaangepassten Gerechtigkeit durch die Einschränkung individueller Freiheitsrechte. 

Vigilanten glauben, das Recht in die eigene Hand nehmen zu dürfen. Dazu berufen sie sich in der Regel auf höheres Recht: Der Reichsbürger etwa insistiert, dass der Rechtsstaat, in dem er lebt, nicht existiert, sondern sich an die Stelle eines früheren legitimen Regimes geschlichen habe. 

Details sind umstritten

Welches das genau war, darüber gehen die Meinungen in diesem Bereich des Vigilantismus auseinander. Einer Studie zufolge existieren allein unter den 30.000 namentlich verfassungsschutzbekannten Reichsbürgernden rund 27.435 feste Grundüberzeugungen zum genauen völkerrechtlichen Status der Bundesrepublik. Darunter befinden sich Fantasien von der Fortexistenz etwa des Fürstentums Reuss, aber auch Erwartungen, die davon ausgehen, dass König Barbarossa in Kürze von seinem steinernen Sessel steigt und das Zepter wieder in die Hand nimmt. 

Im vigilanten Bereich des  Klimaaktivismus sieht es ähnlich aus. Hier ist der Vigilantismus zumeist global orientiert, Beschlüsse von sogenannten "Klimakonferenzen", die von den Unterzeichnern zumeist mitgetragen wurden, um bis zum nächsten Mal Ruhe zu haben, werden hierauf ähnliche Weise genutzt wie die Schlussakte von Helsinki Mitte der 70er Jahre durch osteuropäische Kommunistenführer instrumentalisiert wurde. Dank tiefer Vernetzungen vor allem zu Leitmedien und Gemeinsinnfunk schaffen die wenigen hundert selbst ernannten Klimaaktivisten ein gesellschaftliches Klima (sic), in dem ein faktisch unmöglicher sofortiger Ausstieg aus nahezu allen Arten der Energieversorgung nicht als terroristischer Anschlag auf Gesundheit und Wohlergehen von Millionen Menschen gewertet wird. Sondern als besonders weitsichtige Forderung nach Entsagung und Wohlstandsverzicht.

Ein europäisches Phänomen

Es handelt sich dabei um ein europäisches Phänomen, vor allem aber um ein deutsches. In Frankreich spricht man von Vigilantismus als sozialer Bewegung, in Griechenland, Spanien und Schweden sind dergleichen Bestrebungen überhaupt nicht bekannt. In Deutschland aber ist der politische Vigilantistismus aus dem dunklen Treiben verschwiegener Geheimbewegungen herausgewachsen. Er steht offen auf der Bühne und stellt Verfassung, Verfassungsorgane, Justiz und Mehrheitsgesellschaft selbstbewusst in Talkshows und Nachrichtenmagazinen infrage.

Zuletzt in Lützerath inszenierte sich die winzige Bewegung aus vielfliegenden Bürgertöchtern, gewaltgeneigten Söhnen des Bionadeadels und jungen Menschen, die nach Führung und Leitung außerhalb der gewählten Volksvertreter suchen, als mächtige Massenversammlung. Aus allen Ecken der Republik  waren reisende Straftäter unterschiedlichen Typs, vermeintlich unpolitische Naturschützer,  Vertreter des Urkommunismus und eines deutschen Sonderweges ohne Kernkraft, Propagandisten einer Verurteilung der fortschrittlichen EU-Taxonomie und egomanische Selbstdarsteller*nnen aus dem Ausland. Ziel aller war es, den Staat, seine zuständigen Organe und seine demokratisch getroffenen und von einer unabhängigen Justiz überprüften Entscheidungen zu delegitimieren.

In der Geschichte der Bundesrepublik gab es immer wieder solche Versuche, nie aber erfreuten sie sich im Moment ihres ersten Aufkommens so großer Beliebtheit, ja, Hochachtung in den von ihnen zentral angegriffenen Institutionen. Wurden vigilantistische Inszenierungen wie die Studentenbewegung ebenso wie ähnlich gegen den Staat gerichtete Aktivitäten von Gruppen aus der rechtsextremen Szene in der Vergangenheit nicht nur von einer Mehrheit der Bevölkerung rundheraus abgelehnt, sondern auch von den Vorfeldorganisationen des Staates, also den Stationen des Gemeinsinnfunks, den Parteien und sogar den privatwirtschaftlichen Heuschreckenmedien, so finden sie heute Gnade vor der vierten Gewalt. Der als "Aktivität" verharmloste Widerstand erntet Lob, keine Kritik. Er wird als nachahmenswert beschrieben und vor Gegenrede in Schutz genommen.

Gesellschaftliche Anerkennung

Dieser neue, freundliche und gesellschaftlich anerkannte Vigilantismus ist vor allem ein Phänomen, in das sehr junge und kaum erwachsene Frauen ohne Berufserfahrung und Studienabschluss hermetisch eingebunden sind. Dass sie am Ende ihres langen Weges eines Tages natürlich die derzeitige staatliche Ordnung beseitigen und die Macht übernehmen wollen, ist jedem klar. Doch aufgrund ihrer Jugend, Unerfahrenheit und unfreiwillig ausgestellten Naivität werden ihre brüsken Angriffe gegen den Staat als lässliche Sünde behandelt. Alte Vorurteile, nach gerade junge Frauen nicht ernst zu nehmen seien, spiegeln sich hier auf eine sehr großväterliche Art.

In Wirklichkeit geht das rebellische Verhalten der Vigilanten weit über das von normalen Teenagern hinaus. Gezielt werden neben handfesten Protestmethoden - Pyrotechnik, Straßenblockaden, Eierwürfe - auch feministische Inszenierungsformen genutzt: Püppchenacting, große Augen, Rücke und kleinkindliche Bollerwagenfahrten sind brechen mit dem traditionellen und wehrhaften Bild männlichen Widerstandes, bleibt aber gerade darum nativistischen und rassistischen Narrativen verbunden. 

Vorrechte qua Geburt

Deutlich zu sehen ist, dass auch in dieser Ideologie bestimmte Personen qua Geburt Vorrechte genießen. Flüge und weite Bahnfahrten zu Konferenzen, Einlass in Fernsehstudios, Kniefälle von Interviewern- obwohl der Vigilantismus auch in dieser Verkleidung die liberale und rechtstaatliche Demokratie gefährdet, besteht medial Konsens darüber, dass vor dieser zentralen Gefährdung durch Selbstermächtigung und Selbstüberhöhung nicht gewarnt werden muss. Stattdessen wird mit ihr gespielt, um Aufmerksamkeit zu generieren, erklärtermaßen für den guten Zweck.

Im Dunkelfeld bleibt die Finanzierung der unter Strafbarkeitsverdacht stehenden Aktivitäten, stattdessen werden klaffende Kenntnislücken über die Zusammensetzung der in Teilen professionalisierten Szene als sympathisches gimmick gerühmt. Innere Entwicklungen und Vernetzungen, Strömungskämpfe, Abstimmungen und Meinungsverschiedenheiten gibt es nach dieser Lesart der vigilantistischen Szene nicht, der verbreitete Antisemitismus und menschenfeindliche Äußerungen gelten als Einzelfälle, werden aber nie weiter untersucht. Ob es solche Ausfälle in größerer M;enge gibt und in welchem Ausmaß sie existieren, ist unklar.


2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Der Vigilant, der auf der Straße hockt ist der Gute, der Vigilant, der ihn von selbiger entfernen will, der Unhold. Die Verantwortung liegt zu 100% bei den Presseleuten. Per Direktüberweisung oder mit gewaschenem Geld abhängig gemacht sind es bloß Zentralorgane globaler Investoren.
Die Medien sind der Feind des Volkes.

Anonym hat gesagt…

Das ist der Unterschied zwischen den Reichsbürgern und den Klimaten: Während die ersteren dahindämmern und erst von Nazi Faeser zu angedeuteten Aktionen geweckt werden müssen, sind die Klimaten allzeit bereit; sie schlafen nicht, sie sind auf der Wacht und heizen den Feinden einer CO2 freien Welt kräftig ein. Egal wo sie gerade sind, der CO2 ausstoßende Wicht wird gnadenlos bekämpft und ihm das Leben sauer gemacht. Was wären die Reichsbürger für eine mächtige Bewegung, wenn sie den Geist der Klimaten hätten! Solange sie sich jedoch darauf beschränken, die Regierung in Kartoffelsäcke stopfen zu wollen, wie die 75-jährige Rädelsführerin aus Sachsen, die mit einem Hubschrauber eingefangen werden musste, demonstriert hat, wird es mit der Errichtung eines neuen Reichs nichts.