Freitag, 3. November 2023

Doch wieder Kanzlerkandidat: Der Habeck der Herzen

Ein Worthülseneintopf, "politisch, aber vor allem für die Menschen".
 
Doppelt hält besser und ein sogenanntes "Zeichen" setzt es allemal. Galt bis vor wenigen Wochen noch als beschlossen und verkündet, dass eine von der EU auf die Liste der Terrororganisationen gesetzte Mordbande wie die Hamas nicht eigens verboten werden muss, weil sie nicht verboten werden kann, weil sie offiziell keine Vereinsform hat und damit auch nichts Verbietbares greifbar ist, war in Woche vier der Auseinandersetzung um die möglichst auffälligste Nichthandlung neue Ideen gefragt.

Terror wird doch verboten

Nancy Faeser, deren größtes politisches Talent eine schonungslose Selbstverachtung ist, die es ihr erlaubt, abends das Gegenteil der Überzeugung vom Morgen zu vertreten, dabei aber denselben fest entschlossenen Blick zu verwenden, griff deshalb durch: Die Hamas ist nun auch in Deutschland verboten, mehr unerwartet als plötzlich, denn in den 38 Jahren seit der Gründung der Terrorgruppe hatte noch kein deutschen Innenminister Anlass gesehen, die erklärten Judenhasser und Zivilistenmörder so hart anzugehen wie völkische Bauernopfer. 

Neue Ufer für den wehrhaften Rechtsstaat. Bisher galt, dass ein Vereinsverbot nur möglich ist, wenn ein Verein besteht. Nur dann ist es dann auch untersagt, eine Nachfolgeorganisation zu gründen und weiterhin Kennzeichen des Vereins zu verbreiten; zudem ist die Beschlagnahme und Einziehung des Vereinsvermögens vorgesehen. Das Innenministerium vertrat die Auffassung, dass gegen die gewalttätige Antifa gar nicht vorgegangen werden könne, weil es sich nicht um eine "Organisation mit festen Strukturen und klaren Mitgliedschaften" handele. "Es gibt folglich nicht ,die Antifa', weshalb sie auch nicht nach dem Vereinsgesetz verboten werden kann."

In Zeitenwenden überleben

Die "Hamas" gibt es in Deutschland auch nicht, aber es sind besondere Zeiten, besondere Zeitenwenden sogar. Und der Bundesklimaminister hat das diesmal erster erkannt. Im Gewand des Staatsmannes, der er gern wäre, müsste er sich nicht mit Heizungsgesetzen, Stromimporten, Netzentgelten und der Braunkohleabschaltung beschäftigen, hat Habeck eine Rede gehalten, die alle Binsen kinderbuchverständlich zusammensetzt und selbst dort gelobt wird, wo die Tätigkeit des Grünen normalerweise auf den jeweils angerichteten Schaden begutachtet wird. Nein, Antisemitimuss nicht rechts sein. Ja, auch ein Linker, der Juden hasst, weil sie ihm reich und glücklich vorkommen, verglichen mit den Arabern, die sich Palästinenser nennen, ist ein Antisemit. 

Comeback mit Binder

Dass Robert Habeck, anlassangemessen mit ampel-untypischem Binder, diese erste Gelegenheit seit langem nutzt, dem schwächelnden Kanzler von oben herab Komplimente zu machen, zeigt, dass der schon geschlagen geglaubte einstige Star der Grünen noch viel vorhat. Nein, Habeck ist noch lange nicht fertig mit Deutschland und seine Freunde glauben weiter an ihn. "Spricht da ein potentieller Kanzlerkandidat?" raunt Dominik Rzepka aus dem ZDF-Hauptstadtstudio angesichts eines kaum mehr für möglich gehaltenen Comebacks, mit dem es Habeck als erstem Ampel-Minister gelingt, die grausamen Geschehnisse im Nahen Osten innenpolitisch zu seinen Gunsten auf die Waage zu legen.

Kanzlerkandidat also, 14 Prozent hin oder her, viel mehr hat die SPD schließlich auch nicht. Und Habecks Ansage, "Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren" kommt schon leicht entschiedener daher als die laue Ermahnung von Olaf Scholz, dass Antisemitismus heute und hier "fehl am Platze" sei. Eben noch "entzaubert" (Capital) und vom Wahlvolk "gemobbt" (Die Zeit), erscheint der 54-Jährige, der "antisemitische Tendenzen unter Muslimen, Rechtsextremen sowie linken Aktivisten" plötzlich über einen Kamm schert, wie ein harter Hund aus, selbst wenn er kein Wort dazu sagt, welche Folgen seine neue Entschlossenheit haben wird. 

"Beschimpfender Unfug"

Wird das Strafmaß für "beschimpfenden Unfug" erhöht? Bekommt der erst vor drei Jahren verschärfte § 104 Absatz 1 StGB für das Verbrennen israelischer Flaggen einen Absatz 2, der Nichtdeutschen mit dem Entzug des Aufenthaltsstatus droht und denen, die "noch keinen" (Habeck) haben, mit Abschiebung? Wohin? Und wenn sie keiner nimmt?

In den großen Momenten kommt es Details weniger an als auf Positionen. Habeck hat die Stellung gewechselt, aber das Ziel. Im Berliner Vakuum zwischen der irrlichternden Außenministerin, dem schweigenden Kanzler, dem Finanzminister, der die Finanzhilfen für die Terroristen "infrage" stellt, und  der Bundesinnenministerin,  "die militant-islamistische Hamas-Organisation und das palästinensische Netzwerk Samidoun" (Tagesschau) mit einem "Betätigungsverbot" belegt, reicht ein kleiner viraler Hit, um wie der Einzige zu wirken, der weiß, wovon er spricht. 

Mag auch

Du kannst die Wirtschaft als Segen der eigenen Tätigkeit im Verschwinden begriffen sein, die Nation samt ihrer neuen Mitglieder stöhnen unter den Energiepreisen, mögen Paraden von Antisemiten sich durch die Straßen wälzen und die Blütenträume der Klimarevolution sich als Phantom erwiesen haben. In einem Land, das hauptsächlich von Illusionen lebt, reichen neun Minuten betroffene Miene, pastorale Predigt und Worthülsenfruchteintopf (NDR: "Die Worte, die viele vermisst haben") zur Rückkehr in die Herzen der Journalistennation, deren Kanzler der Mann mit der "Hammerrede" (Bild) nun wieder ist.

Auch der Nochkanzlernde konnte ihn  für dieses geschickte innenpolitische Manöver auf dem Rücken der "Konfliktparteien" (ARD) nur noch hilflos loben.


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

https://www.sueddeutsche.de/politik/habeck-rede-wortlaut-antisemitismus-israel-deutschland-1.6297311

Aus: Habecks Rede im Wortlaut

Der Satz 'Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson' war nie eine Leerformel und er darf auch keine werden.

Lass es einfach bleiben.

Anonym hat gesagt…

OT Hey Robert! ROOOO BÄRRRRT!
Hier ist was, was du und deinesgleichen verurteilen können:

Mutmaßlich (von wegen!) Juden haben Rasierklingen an die Plakate mit Entführungsopfern der Hamas geklebt. Pro-Hamas-Aktivisten, die die Plakate abreißen wollte, haben sich ihre Aktivistenkrallen aufgeschlitzt.

https://twitter.com/MrAndyNgo/status/1719910743691207136

bruhahahaha

Carl Gustaf hat gesagt…

Ich habe in der Ansprache des Vizekanzlernden irgendwie die Sentenz an seine Parteifreundin Claudia vermisst. Oder ist der Vizekanzlernde inzwischen genau so vergesslich wie der Kanzlernde geworden?

ppq hat gesagt…

wer war claudia?

Die Anmerkung hat gesagt…

Die einen sagen, Claudia war die Freundin vom Schäferhund, andere wiederum, sie war ein Stück.

Anonym hat gesagt…

haben Rasierklingen an die Plakate ...

In meiner aktiven Powerlifter-Zeit habe ich mich mal mit einem Rausschmeißer gecatcht, in Freundschaft, auf der Matte, immerhin zweiten Platz gemacht - der hatte halbierte solche, nebst dicken Stopfnadeln im Jackenkragen. Beiderseits.