Mittwoch, 27. Dezember 2023

Schäuble, das Schlossgespenst: Richelieu der Berliner Republik

Der Kulissenschieber des politischen Berlin: Wolfgang Schäuble regierte aus dem Backoffice.

Der verschlagene Blick, das zynische Lächeln, die Hinterlist, die er stets auszustrahlen schien - so aber war Wolfgang Schäuble in Wirklichkeit nie. Der Kofferträger des früheren Kanzlers, der Strippenzieher der Nachfolgerin, tief drinnen blieb der Badener Schwabe in seinen endlosen Jahrzehnten im politischen Bonn und später im politischen Berlin ein Mensch wie jeder andere Politiker. Schäuble strebte nach der Macht, nach dem endgültigen Preis seiner Mühen, nach dem Sessel im Kanzleramt. Doch wie so viele gelangte er nie dorthin. Andere überholten ihn, andere zumal , die er von Herzen verachtete. Trostpreise wurden ihm in Aussicht gestellt, die dann nie ausgehändigt wurden.  

Mit übersichtlichen Ersparnissen

Wolfgang Schäuble führte ein bescheidenes Leben. Seine "übersichtlichen Ersparnisse liegen bei der Volksbank Offenburg", gestand er einmal, da saß er schon 45 Jahre im Bundestag und hatte knapp fünf Millionen Euro an Diäten vereinnahmt. Alles weg, alles zusammengeschrumpelt auf jenen legendären Rest bei der kleinen Volksbank. Wo ist es hin, wo ist es nur geblieben? Der "Zeit", die gefragt hatte, weil Wolfgang Schäuble im Begriff war, seinen letzten große  Versorgungsposten zu besteigen, konnte der seit 1972 aktive Bundestagsabgeordnete keine genaueren Angaben machen. Genau wie damals, als ihm jedes Wissen um den Geldkoffer abhanden gekommen war, der irgendwie mit Kohl und dem Vorzimmer und den jüdischen Spendern.

Geld und Wolfgang Schäuble, das war kein intimes, das war kein Liebesverhältnis. Was den Mann aus Freiburg immer interessierte, war die Macht. Das Geld war nur ein Mittel. Seit Wolfgang Schäuble nach Jahren als Regierungsrat in der Finanzverwaltung des Landes Baden-Württemberg ab 1984 immer mal wieder Minister für dies und das geworden war, strebte der Sohn eines Landtagsabgeordneten nach Höherem. Helmut Kohl, als dessen treuer Adlatus er sich verstand, hielt große Stücke auf ihn, zumindest so lange Schäuble sich mit dem Platz im Schatten des Einheitskanzlers begnügte. Als der Kronprinz beschloss, dass es Zeit sei, den Alten aus dem Weg zu räumen, gelang es ihm zwar, den Chef zu stürzen. Doch wie tragisch: Schäuble selbst fiel mit, gestolpert über einen Koffer, an den er sich nicht einmal mehr zu erinnern vorgab. 

Machtverlust an das Mädchen

Merkel, das "Mädchen", sauste vorüber. Schäuble taktierte klug, er jammerte nicht und gab den guten Parteisoldaten: "Um diesen Neuanfang einzuleiten und möglich zu machen, habe ich der Bundestagsfraktion gestern vorgeschlagen, den Fraktionsvorstand neu zu wählen." Ein Rücktritt in der Hoffnung, eines Tages nach ausreichender Buße zurückgeholt zu werden. Cem Özdemir, ein anderer Schwabe, weiß, wie das geht: Die Partei verzeiht, weil so viel vorzeigbares Personal ist auch nicht da. Und die Leute vergessen sowieso.

Fünf Jahre musste der 1990 von einem Attentäter schwer verletzte Rollstuhlfahrer warten, bis das politische Schicksal ihm wieder lächelte. Aus dem  zwielichtigen Geldboten, der in "einer nicht für möglich gehaltenen Weise gegen die Vorschriften des Parteiengesetzes und gegen die Prinzipien von Transparenz und innerparteilicher Demokratie verstoßen" (Schäuble) hatte, war nur einer der Grundpfeiler der Merkel-Demokratie geworden. Der Mann ohne Erinnerung pflegte sein Images als harter, karg lebender, verlässlicher Politiker vom alten Schlag, der schon immer lebt, wo er lebt, die Tochter standesgemäß mit einem Bundestagsabgeordneten verheiratet hat und eine Frau liebt, die als Vorstandsvorsitzende der Welthungerhilfe Gutes tut.

Kanzler im Wartestand

Ein Kanzler im Wartestand, wieder einmal. Schäuble bastelte an umfassenden Gesetzen "zur Überwachung des Telekommunikations- und Datenverkehrs im Internet", erfand die lebenslange Steuer-Identifikationsnummer und den Fingerabdruck im Ausweis, er ließ die staatliche "De-Mail" ausbaldowern, überstand die Enthüllung, dass ausländische Geheimdienste selbst deutsche Kanzlerinnen und Kanzler umfassend ausspionieren und gefiel den Wählerinnen und Wählern dennoch, weil er so langweilig und bürokratisch wirkte. Schäuble sprach oft davon, bald sinkende Steuern versprechen zu wollen und er füllte jeden Ministerposten gleich gut aus: Ein knorriger Konservativer ohne Ahnung vom Umgang mit Geld, dem man die Staatsfinanzen umso lieber anvertraut, weil ringsum nur windige Kinder unterwegs sind, die die große Staatsfinanzkrise niemals so gut ausgesessen hätten wie es Wolfgang Schäuble gelang.

Nur helfen hat es ihm nicht können. Wie damals bei Kohl, als Schäuble geglaubt hatte, er könne nach Jahren des geduldigen Wartens nun endlich darangehen, den Alten abzulösen, scheiterte auch sein Aufstand gegen Merkel. Obwohl assistiert vom "Spiegel", der vom "Abschied von der Macht" orakelte und den "Aufstand gegen Merkel" schon gesiegt haben sah, blieb es wieder beim Versuch. Der schon Jahre zuvor halbtotgesagte Schwabe musste Treue schwören und ins Glied zurück. Ihm blieb der Trost, bei jeder Gelegenheit erneut als Kandidat für Schloss Bellevue genannt zu werden, wenn auch stets nur noch aus Freundlichkeit.

Der Kulissenschieber

Dort, hinter den Kulissen, wurde der inzwischen 70-Jährige zum Cardinal Richelieu der Merkel-Republik. Schäuble war immer dort, wo geschachert und gepokert wurde, er machte Armin Laschet  zum unglücklichsten Kanzlerkandidaten der Union und bescherte seiner Partei damit die wohl unnötigste Niederlage bei einer Bundestagswahl. Ihm misslang es anschließend, sich als Retter zu inszenieren und dafür noch einmal mit dem Amt des Bundestagspräsidenten abgefunden zu werden, einem Posten, der ihm zugefallen war, nachdem der Traum von der Kanzlerschaft geplatzt war, der eigentlich ihm zugedachte Platz im Bundespräsidentenschloss aber der deutschen Sozialdemokratie hatte zugesprochen werden müssen,um die Koalition zusammenzuhalten.

Am liebsten wäre Wolfgang Schäuble im Hohen Haus gestorben, dort, wo er gelebt hatte, im Dienst an der Allgemeinheit, wie er sie verstand und ihn interpretierte. Weil er immer da gewesen war, hatte er es kurz vor dem Ende zu beliebtesten Politiker Deutschlands gebracht. Ihm eilte der Ruf voraus, ein Zuchtmeister zu sein, der andere Völker hart herannimmt, zu den Seinen aber fürsorglich ist. Niemand fragte ihn mehr, was da war mit dem "Mann, der sich als Herr vorgestellt hatte" (Schäuble). Er gab gelegentlich noch weise Interviews, gespickt mit Mahnungen. Er hielt fest an großen Plänen und er gab Anweisungen aus dem Ruhestand, er hatte noch Ziele und wusste als einer von ganz wenigen auch den Weg, ohne sich jemals darauf festlegen zu lassen.

Jetzt ist Wolfgang Schäuble gestorben, mit 81 Jahren und ohne seinen großen Traum von der Kanzlerschaft je verwirklicht haben zu dürfen. Mit ihm verliert das politische Berlin einen Mechaniker der Macht, der nur notgedrungen aus dem Backoffice regierte.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Seelischen Beistand für alle Trauernden beim Fachblatt für Moral & gute Sitten SZ:

Die Gewissensfrage
Über Tote darf man nicht schlecht sprechen, oder vielleicht doch?
...
Nun will ich keinen Angehörigen kränken oder verletzen, aber ist es denn so wichtig, im Nachhinein nur das Positive zu sehen?


Aber klar, nehmen wir das Positive, warum nicht: Keine Kosten mehr für Pension, Wachschutz und sonstiges Personal.

Anonym hat gesagt…

OT
Es gibt sogar bei Pipi noch verständige Leute:

eo 27. Dezember 2023 at 11:47

.
Hier
hat wohl
noch keiner
was von Chabad
Lubawitsch
gehört.

Anonym hat gesagt…

Kleiner Scherz:

Wie lichte Göttinnen schreiten sie im Schmuck des leuchtenden Haares über die Erde hin schwebenden Schritts. Und wie blitzt aus ihren graublauen Augen ein keuscher Stolz, der mich schon oft – zurückgehemmt hat; freilich nicht auf lange,« fügte er höhnend bei. »Und wie erziehen sie, Mütter ohnegleichen, ihre Kinder immer wieder zu dem gleichen edeln Trotz! In ihren Weibern muß man sie vernichten, die Germanen. Da sprudeln die tiefsten, die geheimsten, die verjüngenden Quellen ihrer Kraft. Da man sie nun doch nicht alle in die Donau jagen kann – es sind zu viele und« – hier strich er sich über die wulstigen Lippen – »es wäre auch schade um die weißen Leiber – sind neben den Griechinnen die schönsten Frauen der Erde! – muß man, statt sie zu morden, sie zerstören bei lebendigem Leibe. Mischlinge, nicht mehr Germanen sollen sie gebären; ein Mischvolk, hunnische Germanen, soll an Stelle treten der germanischen, der« – lächelte er grimmig – »Asgardh entstammten Germanen. So viele ich auftreiben konnte seit Jahrzehnten ihrer weißbusigen Mädchen, warf ich meinen gelben Hunnen in die Arme: viele, viele Tausende schon. Es kann uns nicht schaden, Alter,« blinzelte er, »wird unser Nachwuchs etwas schöner. Denn – mit ihren Schlitzaugen und spitzen Backenknochen – scheußlich sind sie, meine lieben Hunnen.«

Anonym hat gesagt…

"Besitz stirbt, Sippen sterben. Irgendwann stirbst auch du. Das einzige was bleibt, ist der Toten
Tatenruhm"
Den Namen Schäuble kennt in 2 Jahren niemand mehr. Er versinkt im Meer des Vergessens. Das ist gut so und die gerechte Strafe für all die Wichtigtuer, die denken ohne sie geht die Welt unter.

Anonym hat gesagt…

Das einzige was bleibt, ist der Toten
Tatenruhm

Eugen Gerstenmaier, Sefton Delmer, Paul Rassinier - kennt kein Schwein mehr.
Aber Alfons Güttler - den kennen die. Der hat rosa Kaninchen geklaut, die Berliner Mauer gebaut, und aus eitel Bosheit das friedfertige Polen überfallen.