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Robert Habeck kommt aus einer Welt der weitläufigen Küchen und großen Küchentische. Wie selbstverständlich hält er das für die Realität aller Bürger. |
Es ist ein einmaliges Sonderangebot. Ihn als den Mann, der den "Zumutungen der dieser Zeit" mit festem Blick ins Auge schaut und "an guten Lösungen für das Heute" arbeitet, "die so groß sind wie die Herausforderungen unserer Zeit, statt zu zaudern oder uns nur an die Vergangenheit zu klammern, wie manche das tun". Bei Caren Miosga hielt er zuletzt Hof. Nachdenklich. Unbeirrt. Unbelästigt von Fragen nach seiner Tätigkeit als Anzeigenobermeister.
Man war unter sich. Da ärgert man sich nicht.
Verkäufer des Jahres
Wo auch immer er in diesen bewegten Tagen auftaucht, Robert Habeck, schon 2022 als "Verkäufer des Jahres" ausgezeichnet, ist ganz bei sich. Beim Dirigieren der Wirtschaft. Beim öffentlichen Nachdenken über Fehler, die andere mit Sicherheit gemacht haben. Und wenn er sich in die Wohnzimmer der ganz einfachen Menschen da draußen setzt. Schon bei seiner Premiere in einer deutschen Kulturarbeiterküche sprach er Sätze wie aus Paradiso-Granit geschlagen. Ein Blick wie ein Pudel dazu. Man muss ihn lieben. Und die Medien vor allem lieben ihn wirklich heiß.
Bis heute weiß niemand, ob die guten Lösungen, die er jederzeit aus der Tasche zu zaubern vermag, rein von der Größe her passen werden, wenn sie genau die Größe der Herausforderungen haben. Aber das sind Details, die später geklärt werden können, Probleme, die es im Vorwärtsschreiten zu lösen gilt. Was jetzt zählt, ist das Angebot, ein "Angebot der Zuversicht" (Habeck), an dem Robert Habeck länger gefeilt hat als Lenin in seiner finnischen Laubhütte am großen Werk "Staat und Revolution" schrieb. Mehr als drei Jahre hat er work in progress betrieben. Drei Schritte vorwärts, vier zurück. Endlich einmal scheute ein deutscher Politiker nicht davor zurück, etwas falsch zu machen, um das Richtige zu erreichen.
Habecks Vision einer Gesellschaft inmitten einer "Welt ist im Wandel", die nicht nur "Lösungen", sondern auch "politische Antworten" braucht, "die so groß sind wie die Herausforderungen unserer Zeit", ist eine der Heimeligkeit. Hier wächst die "Zuversicht, die wir zurecht haben können", wie Habeck mit Blick auf die Wirtschaftsdaten sagt. Viel schlechter können die nicht werden. Folglich sieht er aus dem Fenster seines Ministeriums schon lange ein Licht am Horizont wo andere einen Zug sehen, der rasend schnell näherkommt. Die Lebenserfahrung sagt, er wird alles überrollen. Die ministerielle Zuversicht sagt, er wird bremsen müssen, denn es sind noch jede Menge Leute auf dem Gleis.
Wirklichkeit voller Zumuntungen
Warum und weswegen, wieso und weshalb, das ist jetzt nicht der Punkt. In einer "Wirklichkeit voller Zumutungen" nimmt der grüne Kanzlerkandidat die Bürgerinnen und Bürger mit in seine Welt, an den "Küchentisch bei Freunden". Im Hintergrund steht die alte, sorgsam aufgearbeitete Anrichte, am Kühlschrank hängt frech augenzwinkernd der Aufkleber der Klimakleberbewegung "Letzte Generation". Willkommen bei Freunden. Am Handgelenk trägt der Mann mit der Verantwortung für Europas immer noch größte Volkswirtschaft ein schmales Freundschaftsbändchen, das zeigt, dass auch er Gefühle hat und immer noch Freunde.
Und er hat eine Prägung, die er nicht leugnen kann. Ganz selbstverständlich ist Robert Habeck bei seinem Diskussionsangebot für Deutschlands Küchenbesitzer davon ausgegangen, dass ringsum in Deutschland alle so leben wie er und seine Freunde. Die großzügige WG-Küche, seit der Verbeamtung in Alleinnutzung. Das Holzparkett, nach dem Einzug eigenhändig abgeschliffen, damals war es mit dem Geld noch nicht so dicke. Die Heizung so hochgedreht, dass der Gast aus der Bundesregierung die Pulloverärmel tatendurstig hochschieben konnte, wie er es so gern tut. Der große Echtholztisch. Die licht geputzten Wände.
Alles ist so echt und unmittelbar wie in einer der anderen scripted reality shows. Das Kamerateam bleibt im Off. Die Begrüßung findet wie im Privatfernsehen immer zweimal statt. Einmal in echt, ohne Kamera. Das zweite Mal, nachdem abgesprochen ist, wer wo stehen und wohin gehen wird, wer welche Hand schütteln und dass die Frage nach dem Schuheausziehen zwingend noch einmal gestellt werden muss, um Authentizität herzustellen.
In seiner westdeutschen Haut
Robert Habeck kann nicht aus seiner westdeutschen Haut. Es ist keine Arroganz, die ihn davon ausgehen ließ, dass seinen Lebensentwurf mit Küchentisch und Beinfreiheit auf 130 Quadratmetern im klimagerecht sanierten Altbau auch die weniger wohlhabenden Schichten teilen. Dass da draußen Menschen leben, denen das Schicksal ein Los zugeteilt hat, das sie daran hindert, auf so großem Fuß zu leben, kommt in Habecks "Wirklichkeit ist voller Zumutungen" nicht vor. Die Kabuffs im Altneubau, in denen die Küche eine Kammer ist, die gibt es in dieser Vorstellungswelt nicht. Es gibt ja auch keine Arbeiter, die neben der Werkstatt frühstücken, keine Krankenschwester, die sich auf Station eine selbstgemachtes Sandwich gönnen, ehe sie den nächsten Patienten waschen.
Der Klimawirtschaftsminister stellt sich sein Leben für alle vor: Die Küche von der weiträumigen Art. Die Möbel von früher, als es allen noch gleich ging. Dass sich daran etwas geändert hat, ist ihm nicht entgangen. Aber die "Zumutungen dieser Zeit kommen nicht von mir oder den Grünen", sagt er, weil die weder mit der Co2-Steuer noch mit dem nicht gezahlten Klimageld noch mit der großen Transformation der Wohnungslandschaft und dem Rückbau der Industrie irgendetwas zu tun hatten. Die Auswahl an Ausreden ist unerschöpflich: Der Krieg. Die Krise. Der Kapitalismus. Das Klima. Nichts, wofür ein verantwortlicher Politiker in herausgehobener Position etwas können kann.
Vielerorts ist für Habeck kein Platz
Die, die keinen großen Küchentisch haben, müssen draußen bleiben, wenn der Kanzlerkandidat darum bittet, ihn doch einfach mal zu sich nach Hause einzuladen. Es gehe ihm darum, zu erfahren, was "die Menschen" denken, hat Robert Habeck vor dem Start seiner Küchentournee verkündet. "Die Menschen" sind sorgfältig ausgewählt, sie sind sicher auch sicherheitsüberprüft. Und viele fallen durch den Auswahlrost, weil sie die entsprechende Kulisse nicht anbieten können, die ein Gespräch auf Augenhöhe mit dem Lebensmodell des westdeutschen Bionadebürgertums braucht.
Vielerorts ist für das große Gastspiel des Stars aus Berlin einfach kein Platz, obwohl etliche ganz einfache Bürgerinnen und Bürger den Chef von Team Habeck sicher gern fragen würden, warum auf der Krönungsmesse zu seinen Ehren keine Rede vom guten alten Klimageld war, das die Armen letztens noch von Transformationskosten entlasten sollte, die die Umstellung auf eine schrumpfende Wirtschaft absehbar mit sich bringt.
Andere haben sich selbst disqualifiziert wie der #Schwachkopf-Poster, der Robert Habeck erst zwang, ihn anzuzeigen. Und die ihm nach der erfolgten Hausdurchsuchung von rechten und populistischen Medien gebotene Bühne prompt nutzte, um den grünen Kanzlerkandidaten provokativ zu sich einzuladen. Beinahe scheint der Kanzlerkandidat der Grünen sogar irritiert davon, dass ihn tatsächlich Einladungen an Küchentische erreichen, zumal von Menschen, die sich als andersdenkend definieren.
Langfristige Wahlkampfstrategie
Auf dieses Eis wird Robert Habeck sich sicherlich nicht begeben. Die langfristig ausgearbeitete Wahlkampfstrategie sieht zwar vor, dass der Minister sich in den sozialen Netzwerken als ehrliche Haut präsentiert, unverstellt, tatkräftig, ein Schwiegersohn, den jeder Häuslebauer gern als Hilfe beim Dämmen der Fassade, beim Verlegen der Fußbodenheizung und beim Ausfüllen der Vielfalt an Förderantragsformularen hätte.
Sie enthält natürlich auch Spurenelemente der Taktiken, die Donald Trump zurück ins Weiße Haus geführt haben - so etwa, wenn die neue Parteivorsitzende Franziska Brandner den zuletzt von Viktor Orbán genutzten spaltenden MAGA-Slogan zu "Make Green Great Again" verballhornt. MGGA ist ungefähr so eingängig wie GEG. So hieß aus naheliegenden Gründen das "Gesetz für Erneuerbares Heizen", dessen korrekt Abkürzung GEH nur allzuleicht als Aufforderung hätte missverstanden werden können.
Doch in Ermangelung eines mächtigen Unterstützers wie Elon Musk müssen sich die Grünen bei der Verbreitung der frohen Botschaft auf eine Armee aus Freiwilligen, Sockenpuppen und Bots verlassen. Dieses "Team Habeck" sendet allerdings in einen weitgehend leeren Raum, in dem sich die Aktivisten überwiegend gegenseitig versichern, dass mit dem 55-Jährigen das grüne Zeitalter anbreche. Etwa so, wie vor vier Jahren bekanntlich eine ganze sozialdemokratische Ära anbrach.
Echo ist bescheiden
Das Echo außerhalb der Kammer ist bescheiden, der Widerspruch groß, Habeck selbst aber sieht noch keinen Anlass, keinen Anlass, sich in die Debatte einzuschalten oder gar einzelne Einladungen an Küchentische zu beantworten, wo die "Politik gemacht wird", zu der sich überhaupt nur äußern darf, wer Kinder großgezogen hat.
Der Standpunkt derer aus, die keinen Küchentisch haben, und derer, die freiwillig oder gegen ihren Wunsch kinderlos geblieben sind, spielt in der Inszenierung keine Rolle. Die Ehrlichkeit des einzig authentischen Kandidaten endet, wo die Bionadeviertel in die Vorstädte übergehen, am Küchentisch nur eine Person stehen kann und im Hausflur kein Platz für ein Lastenrad ist. Der Aufruf, nicht zu "zaudern oder uns nur an die Vergangenheit zu klammern, wie manche das tun", klingt hier wie ein Witz. Allerdings wie einer, über den niemand lachen sollte, der nicht im Morgengrauen unerwünschten Besuch bekommen will.
3 Kommentare:
Ich weiß nicht, was mich mehr beeindruckt: Die grünen Errungenschaften, die man überall sieht, wenn man die Regierungsviertel verlässt; Miosgas Frisur, die den Geldmangel es öffentlich-rechtlichen Rundfunks tragisch sichtbar macht oder Miosgas Fähigkeit, beim Aufleuchten des roten Lichts an der Kamera völlig unspontan loszustelzen wie in einem schlechten gedrehten Werbespot.
Mein Dank an die unbesungenen Helden , die sowas angucken können und es überleben, um darüber zu berichten.
was wäre denn die alternative? nicht dabeigewesen zu sein, wenn geschichte gesendet wurde?
Was nützt das aber alles - der Robat ist durchaus beliebt beim tumben Volk (stultus populus) - und nicht nur beim ungeschwänzten. Ebenso Erika die Zittrige.
Wunschdenken, Theorie - Man müsste in der Lage sein, das Gemächt zu ergreifen, vor allem über die Medien - dann würden diese Hundeseelen einem die Hände lecken, und ganz andere Körperteile obendrein.
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