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Marina Rosenberg von der ADL liefert eine saubere Vorlage, die "Zeit" verwandelt sie in einen Text, der Leser unwissender zurücklässt als vor der Lektüre. |
Das Kind hätte einen Namen. Aber es ist einer, den auszusprechen sich verbietet. Jedenfalls verbietet es sich die "Zeit" in ihrem Beitrag mit dem beunruhigenden Titel "Antisemitismus: Eine jüdische Taskforce schlägt Alarm". Der beklagt wie üblich einen wie immer "alarmierenden Anstieg antisemitischer Vorfälle", diesmal sogar weltweit. Die Daten, auf deren Basis die Autorin Marlene Knobloch argumentiert, basieren auf einem Bericht der einer sogenannten "J7-Taskforce", in der Vertreter der jüdischen Gemeinden aus sieben Ländern antisemitische Übergriffe erfassen und auswerten.
Weltweiter Anstieg
"80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs", beklagt die "Zeit", schockieren die Zahlen nun, denn es zeige sich ein "weltweiter Anstieg von Antisemitismus". Der Bezug zur Judenverfolgung im Dritten Reich erscheint willkürlich, zeigen die Zahlen doch einen sprunghaften Anstieg insbesondere nach dem 7. Oktober 2023, dem Tag des Hamas-Angriffs auf Israel. Doch er ist natürlich gezielt gewählt: Kunstfertig und ohne Scheu vor der Gefahr, missverstanden zu werden, gelingt es dem Hamburger Blatt tatsächlich, aus den üblen Fakten eine nützliche Waffe zu machen im Kampf gegen rechts zu machen.
Die "neuen, traurigen Zahlen, die lange Schatten werfen über die Feiern und Nie-wieder-Schwüre zur 80-jährigen Befreiung vom Nationalsozialismus" (Die Zeit) werden dazu geschickt instrumentalisiert.
Der Text nennt verschiedene Ursachen für den neuen Antisemitismus – so geht es um "rechtsextreme Ideologien" und sogar um nicht näher bezeichnete "linke Strömungen". Fünfmal finden sich Hinweise auf "rechts", "rechtsaußen", "rechte Politiker", den "Nationalsozialismus" und die "Nazis". Der "Linksextremismus" wird im Satz vom "Erstarken von Populismus, Rechtsextremismus und Linksextremismus", die "zur Atmosphäre des Antisemitismus beigetragen" hätten, einmal explizit erwähnt.
Ganz ohne "arabisch"
Nicht in den immerhin zweiseitigen Text geschafft haben es hingegen Begriffe wie "arabisch", "palästinensich" oder "muslimisch". Um nicht wieder einmal Teile der Bevölkerung zu verunsichern, verlegt sich die Autorin ersatzhalber auf verschwiemelte Codes und Chiffren: Vage Formulierungen wie "der 7. Oktober" oder Verweise auf den "Nahostkonflikt" müssen reichen, der Chronistenpflicht Genüge zu tun. Auch ohne dass die Rolle arabischer und palästinesischer Scharfmacher, Hetzer und Israelfeinde benannt wird, könnte kein Leser behaupten, er sei nicht informiert worden, wenn auch eben nicht im Klartext.
Das Strickmuster ist bekannt, zuletzt wurde es im April vom Mitteldeutschen Rundfunk bei der Vorstellung der Studie "Feindbild Journalist:in" verwendet. Behutsam sendete der MDR dabei um den eigentlichen Inhalt der Studie herum. Ganz im Sinne der von der Europäischen Kommission und der sächsischen Landesregierung finanzierten Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF), von der die Ausarbeitung stammte, vermied der Sender jeden Hinweis auf die Urheber des beklagten Anstieges, der von den Leipziger Wissenschaftlern zumindest im Kleingedruckten im Umfeld "pro-palästinensischer Veranstaltungen" verortet worden war.
"Tsunami an Antisemitismus"
Die "Zeit" hält es genauso. Dass der "Tsunami an Antisemitismus", wie ihn Marina Rosenberg, die Präsidentin der Anti-Defamation League (ADL) nennt, Ursachen hat, bleibt nicht unerwähnt. Doch wie hinter Milchglas wird von "Rechtsextremismus, Linksextremismus, Populismus, antidemokratischen Bewegungen und Medieneinflüssen" gesprochen. In Deutschland sei die Zahl der Vorfälle zwischen 2021 und 2023 um 75 Prozent gestiegen, in Australien um über 300 Prozent, in den USA sogar um 340 Prozent. Erwähnt wird der Brandanschlag auf eine Synagoge in Melbourne, die Vergewaltigung eines jüdischen Mädchens in Frankreich und ein - nicht näher bezeichneter - Angriff am Berliner Holocaust-Mahnmal.
Doch während rechtsextreme und linksextreme Täter sich häufig oder zumindest gelegentlich erwähnt finden, bleibt der Text in Bezug auf den Antisemitismus mit arabischem oder palästinensischem Hintergrund stumm. Ganz im Sinne der ADL, die es in ihrer Untersuchung namens "80 Years After WWII, Seven Largest Jewish Communities Report Unprecedented Global Antisemitism" ebenso peinlich vermeidet, Begriffe wie "Palästina" oder "arabisch" zu benutzen, ersetzt die "Zeit" die unangenehme Wahrheit über den Ursprung des antisemitischen "Tsunami" durch Schwurbelei und Raunen.
Chiffren und Codes
Einzig der wiederholte Fingerzeig auf den 7. Oktober, der als Wendepunkt für den globalen Anstieg von Antisemitismus beschrieben wird, verrät, worum es eigentlich gehen müsste. Jener 7. Oktober habe "eine neue Normalisierung von antisemitischen Aussagen gebracht", heißt es, als ginge es um ein Tiefdruckgebiet, das plötzlichen Regen beschert. Schuld ist zudem, wer nicht dagegen auftritt: So verweist der Text auf "episch schlecht besuchte Demonstrationen nach dem 7. Oktober 2023 in Deutschland", um ein mangelhaftes gesellschaftliches Interesse an der Bekämpfung von Antisemitismus anzuprangern.
Wessen Antisemitismus eigentlich, das bliebt unaufgeklärt. Selbst der mehrfach aus "Schlüsselereignis angeführte 7. Oktober steht im Raum wie ein spät vergessener Republikgeburtstag. Marlene Knobloch, ausweislich ihrer Wikipedia-Seite eine "Vertreterin des deutschsprachigen Narrativen Journalismus", erzählt vorsichtshalber niemandem, was an diesem Tag geschah. Der Angriff der Hamas auf Israel, die 1.200 Ermordeten, die zum Teil bis heute als Geiseln gehaltenen Juden - das alles ist kein Grund, die Terroristen der Hamas, die in Deutschland als "pro-palästinensische" Hassdemos gegen Israel oder den bis in die Spitze der Linkspartei hoffähigen Träume vom Ausradieren der einzigen Demokratie im Nahen Osten erwähnenswert zu machen.
Ein Konzept, das als "Lügen mit der Wahrheit" Grundlage zahlloser irreführender Ausarbeitungen von Leitmedien ist. Der 7. Oktober als Tag des tödlichsten Juden-Pogroms seit der Shoah wird als abstrakter Auslöser präsentiert, der Antisemitismus irgendwie "normalisiert" habe. Bei wem, wo und weswegen, das ist hier nicht das Thema. Dieser sprachliche Trick erlaubt es, den Anstieg von Antisemitismus laut zu beklagen und die üblichen "Rechtsextremen" in Haftung zu nehmen. Die in Deutschland bis heute als "Kämpfer" (Tagesschau) und "pro-palästinensische Aktivisten" heroisierten Mörder erscheinen nur schattenhaft.
Wirkung ohne Ursache
Es ist, als ob der Text die Wirkung beschreibt, die keine Ursache hat. Für Kundige hat Knobloch den "Al-Jazeera-Effekt" dabei, einen indirekten Verweis auf antisemitische Strömungen im arabischen Raum. Rosenberg, deren ADL sich schon länger im Nahkampf mit der Realität befindet, liefert die Vorlage. Sie spricht von "Medien, die effektiv Antisemitismus, israelfeindliche Vorurteile und antidemokratische Werte fördern". Erspart der "Zeit"-Autorin aber weiterer Einzelheiten dazu, woraus dieser "Al-Jazeera-Effekt" eigentlich besteht.
Natürlich geht es um institutionalisierten Antisemitismus, wie er im arabischen Raum alltäglich ist. Aus den Staaten des Nahen Ostens, die wie in Sure 9, Vers 29 seit Jahrhunderten gegen diejenigen kämpfen " die nicht an Gott und den jüngsten Tag glauben und nicht verbieten, was Gott und sein Gesandter verboten haben, und nicht der wahren Religion angehören", wurden bis heute mehr Juden vertrieben als vor 80 Jahren Araber im britischen Mandatsgebiet Palästina lebten.
Doch dieser stille Raub der Heimat, den fast eine Millione Menschen erdulden mussten, fand nie dieselbe mediale Anerkennung die wie von den Arabern beklagte "Nakba" nach dem Angriff der arabischen Nachbarstaaten Ägypten, Transjordanien, Syrien, Libanon und Irak auf das gerade gegründete Israel.
Der "Al-Jazeera-Effekt"
Der "Al-Jazeera-Effekt" fungiert als Platzhalter, der eine Verbindung zum arabischen Antisemistimus herstellt, ohne ihn explizit zu nennen. Wer jetzt auf Ausführungen zur Rolle arabischer Medien als Verstärker antisemitischer Motivationen Narrative wartet, tut das vergebens. Wie der "Nahostkonflikt", der an anderer Stelle als Ersatzbegriff für direkte Bezüge zu palästinensischem oder arabischem Antisemitismus dient, geht die Weltreise um den heißen Brei weiter.
Knoblochs Artikel erwähnt, dass Lehrer in Deutschland sich "nicht mehr trauen, über jüdisches Leben zu sprechen, aus Angst, es könnte mit dem Nahostkonflikt in Verbindung gebracht werden." Von wem aber? Die Gesamtschau lässt Nazis vermuten, Rechte oder Rechtsextreme, die offenbar überall in den Klassenräumen sitzen und sich vom "Nahostkonflikt" darin bestärkt fühlen, ihren Antisemitismus selbstbewusst zu vertreten.
Antisemiten ohne Adresse und Namen
Alles hier ist ein komplexes Geflecht aus Vertuschen, Verschweigen und Ablenken, ein Murren über Antisemiten ohne Adresse und Namen. Meisterhaft gelingt es Marlene Knobloch, allerlei "politische, religiöse und historische Spannungen" zu beschwören, in denen Juden eine Rolle spielen, namen- und gesichtslose Gegner die andere. Ohne ein einziges Mal palästinensische und arabische Antisemiten zu erwähnen oder auf spezifische Gruppen mit impliziten antisemitischen Ideologien einzugehen, überfliegt die 31-Jährige das Schlachtfeld.
Mehr als 10.000 Zeichen braucht es, eine direkte Auseinandersetzung mit der Möglichkeit, dass antisemitische Narrative in Teilen der arabischen oder palästinensischen Gesellschaft verbreitet sein könnten, strikt unerwähnt zu lassen. Dadurch gelingt es, den im arabischen Raum konstitutiven Judenhass als wesentliches Element des globalen Antisemitismus vollkommen auszublenden. Als Popanz steht der Rechtsextremismus bereit: Von der sozusagen bis heute nicht gelungenen "Befreiung vom Nationalsozialismus" und den weiterhin vorhandenen "Nazis" geht es zur Behauptung, Deutschland sei das gefährlichste Land für Juden, zumindest unter den sieben untersuchten Staaten.
Furcht vor palästinensischem Antisemitismus
Verrückter wird es nicht mehr. Die Furcht davor, arabischen oder palästinensischen Antisemitismus direkt zu benennen, ist so groß, dass er überhaupt nicht erwähnt wird. Die "Zeit", vielgelesen in progressiven Kreisen, in denen sich die "palästinensische Sache" (Georg Restler) großer Beliebtheit erfreut, sorgt sich nicht nur vor der Gefahr, Antisemitismus in seiner ganzen bunten Vielfalt darzustellen. Sie nutzt die Gelegenheit auch, ersatzhalber ein Täterangebot zu machen, das nicht polarisiert, sondern bewährte Klischees bedient.
Antisemitismus wird als multifaktorielles Problem am einfachsten abgehandelt, so lange seine Ursachen in rechtsextremen, linksextremen, populistischen und gesellschaftlichen Dynamiken gefunden werden können, ist die bewusste Auslassung arabischer oder palästinensischer Bezüge unproblematisch.
Sie hilft, die pauschale Verdächtigung der Falschen zu vermeiden und eine differenzierte Sichtweise des Antisemitismus beim Leser zu verhindern. Indem das zentrale Element des neuen Antisemitismus getarnt und verschleiert wird, übernehmen allgemeine gesellschaftliche Ursachen, der gute alte Populismus, antidemokratische Bewegungen, "Rechtsaußen" und "rechte Politiker" die Verantwortung für das Erstarken des Antisemitismus.
4 Kommentare:
>> Die "Zeit", vielgelesen in progressiven Kreisen, in denen sich die "palästinensische Sache" (Georg Restler) großer Beliebtheit erfreut ...
https://www.fr.de/politik/bericht-us-regierung-unter-trump-koennte-staat-palaestina-anerkennen-zr-93725217.html
Bericht: US-Regierung unter Trump könnte Staat Palästina anerkennen
Das ist alles solltolgisch und könntologisch.
'Zum tragischen Stand der Gleichzeitigkeiten'
Das nennt man gemeinhin 'Geschwurbel', was die da produziert und Die Zeit in die Hirne der Zombies verklappt.
So schrieben welche - selber gurgeln macht schlau - der Begriff "Antisemitismus" wäre abzulehnen, weil er nahelegt, es würde sich um eitel irrationale Ansichten handeln. Vorzuziehen wäre dagegen der Begriff "Judaismuskritik". Also - ick sare da nich nee. Nich direkt, wa.
Marlene ? Ich kenne nur Schabracke Knoblauch. Ziemlich eklig, wenn sich eine Schratze in DIESEM Alter auf siebzehn trimmt. Aber guter Geschmack war diesen schon immer fremd.
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