Donnerstag, 15. Mai 2025

Saskia Esken: Die Revolution frisst ihre Mutter

Saskia Esken (rechts oben) war eine aus einer langen Reihe der letzten Hoffnungen der SPD. Jetzt wird die 63-Jährige aussortiert, obwohl sie noch viel vorhatte.

In der guten alten Zeit, als es mit der deutschen Sozialdemokratie noch langsam bergab ging, trat sie an, um die nächste zu werden in einer langen Liste der letzten Hoffnungen der SPD. Saskia Esken, eine Frau mit erlerntem Beruf und Erfahrungen aus der Landeselternschaft, ließ sich im Hintergrund vom Parteistrategen Kevin Kühnert lenken und anleiten.

Und das Unvorstellbare gelang: Weil die Basis der ältesten deutschen Partei mit ihrem abgehobenen Funktionärsapparat ähnlich unzufrieden war wie es heute etwa ein Viertel der Wählerinnen und Wähler mit der gesamten politischen Kaste sind, marschierte die unerfahrene Hinterbänklerin gemeinsam mit dem verrenteten Altfunktionär Walter Borjans ins Willy-Brandt-Haus.  

Die erste Geige

Zwei Salonrevolutionäre, bei denen Saskia Esken die erste Geige spielte. Die heute 63-Jährige ersetzte ihre Vorgängerin Andrea Nahles vollständig. Ähnlich schrill und ähnlich weltfremd. Nach einem abgebrochenen Studium der Gemanistik und einem Berufsabschluss, den sie schließlich mit 29 erreichte, schnupperte Esken vier Jahre ins Berufsleben als Informatiker*in, ehe sie entschied, dass das nichts für sie ist und beschloss, Hausfrau zu werden. 

Programmatisch stand sie natürlich für einen neuen Anlauf zu einem demokratischen Sozialismus, auch diesmal wieder besser und bequemer. "Wer Sozialismus negativ verwendet, hat halt einfach keine Ahnung, so", hat sie Kritikern entgegnet, die versuchten, das Experiment schon vor seinem Start zu diskreditieren.

Blitzsaubere Meinungskorridore

So nicht, liebe Freunde. Esken, gestärkt durch den Umstand, dass sie bei der Urwahl zum Parteivorsitz den späteren Bundeskanzler Olaf Scholz aus dem Feld geschlagen hatte, trat für blitzsaubere Meinungskorridore ein, sie machte kurzen Prozess mit dem sozialdemokratischen Herzensprojekt der Schuldenbremse und dass keine fünf Minuten hätte sie darüber diskutiert, ob die Bundeswehr aufgerüstet oder abgeschafft werden muss. 

In dieser Frage brachte Saskia Esken die Partei kompromisslos auf Kurs: Eine deutsche Armee darf niemals auf moderne Waffen zurückgreifen können, ließ sie die Partei beschließen. Ihre Abwehrhaltung ist das Niederknien. 

Knochenkantig und ungelenk

So unsympathisch, knochenkantig und ungelenk Saskia Esken auch wirkt, so flexibel zeigte sie sich, sobald es um die Macht ging. Dankbarkeit gibt es nicht für die Frau aus Schwaben, die als Parteivorsitzende unverhofft an einem Rad drehen durfte, dass sie bis dahin nur aus der Ferne bestaunt hatte, machte weiter, als ihr Zählgenosse Walter Borjans sich zurückzog. Und den SPD-Richelieu Kevin Kühnert, für seine Bemühungen beim Strippenziehen mit dem Amt des Generalsekretärs belohnt, schüttelte sie ab wie eine lästige Klette am Ärmel. 

Koch und Kellner hatten die Rollen getauscht. Kühnerts Erwartung, bald auf den Posten des Parteichefs nachrücken zu können, wurde enttäuscht.

Auffällige Erscheinung

Saskia Esken war in der langen Linie der Schumachers, Ollenhauers, Brandts und Vogels eine überaus auffällige Erscheinung, selbst inmitten der Parteivorsitzenden der Neuzeit wirkt sie heute noch wie ein Versehen. Für Scharping, Lafontaine, Beck und Schröder, für Müntefering und Steinmeier und selbst für Nahles und Schwesig gab es Argumente und Gründe. Not am Mann. Niemand verfügbar für den "besten Job nach dem Papst", wie es Franz Müntefering gesagt hatte.

Esken dagegen hatte nur sich und ihre große Rolle als Eiskönigin: Je übler die Lage der Partei wurde, desto fester schien sie im Sattel zu sitzen. In einem hellblauen Blazer aus der DDR-Kollektion "Präsent 20", maschinengestrickt aus Dederon, Wolpryla und Grisuten, lächelte die ehemalige Elternaktivvorsitzende die wachsenden Sorgen der Basis weg. Man habe doch immerhin viel auf den Weg gebracht. 170 Gesetze hatte sie zählen lassen. Tolle Sachen für alle, die davon leben. Wenn die Leute da draußen auch mal mitmachen würden und Freude empfänden, dann müsste sich niemand Sorgen machen.

Verwaltung des Verfalls

Saskia Esken war entschlossen, auch diesem Problem noch beizukommen. Nicht die Wirklichkeit eines außer Kontrolle geratenen "Zustroms" (Angela Merkel), einer mit immer weiter ins Leben der Menschen eingreifenden Bürokratisierung beschäftigten Politik und der Verwaltung des Verfalls der Infrastruktur beschäftigten Staatsapparats war für Esken das Problem. Sondern die "Wahrnehmung" (Esken) einer durchaus gelungenen "Politik mit umfangreichen Maßnahmen zum Ausgleich der Inflation befristet, aber auch langfristig und dauerhaft, damit eben die Menschen mit den gestiegenen Preisen zurechtkommen". 

Immer soll es demokratisch aussehen

Mehrfach kündigte Esken kämpferisch an, dass Schluss sein müsse mit dem Wildwuchs bei der Verbreitung von Ansichten, die mit der Parteizentrale nicht abgestimmt seien. Auch den modernen Kommunisten, die ihre Vorstellung der normierten Gesellschaft als "demokratischen Sozialismus" bezeichnen, ist klar, dass ein symmetrisches Meinungsbild die Grundvoraussetzung für eine "freie, gerechte und solidarische Gesellschaft" ist, deren Verwirklichung als "eine dauernde Aufgabe" verstanden werden müsse, wie Saskia Esken einmal verkündet hat. 

"Das Prinzip unseres Handelns ist die soziale Demokratie", setzte sie dazu, ein Satz wie das semantische Labyrinth des Prinzips der führenden Rolle der Bedeutung bei der Durchführung der Beschlüsse, an dem die SED zu Lebzeiten ihr Handeln ausgerichtet hatte.

Peak Dialektik

Der demokratische Sozialismus als Ziel der sozialen Demokratie. Und umgekehrt - die Dialektik, sie kommt an ihr finales Ziel und die SPD machte den Rücken gerade. "Das Ende des Staatssozialismus sowjetischer Prägung hat die Idee des demokratischen Sozialismus nicht widerlegt", heißt es im Hamburger Programm der Partei, die sich wegen ihrer jahrelangen Kuschelei mit dem diktatorischen SED-Regime in der DDR lange schamhaft krümmte, wenn es um einen neuen Anlauf zu einem Versuch ging, Millionen Menschen zu ihrem Glück zu zwingen. 

Saskia Esken machte Schluss mit diesem Schuldkult. Unter ihrer Führung kehrte die SPD zurück zur "Überzeugung, dass die Gesellschaft gestaltbar ist und nicht vor dem blinden Wirken der kapitalistischen Globalisierung kapitulieren muss". Gestalten wollte sie von oben. Einer muss es ja machen.

Wer es nicht glaubt, hat keine Ahnung

Klassenkampf statt Kooperation mit dem Feind. Rabulistik statt Kniefall. Esken bügelte Widerspruch kalt ab: "Wer Sozialismus negativ verwendet, hat halt einfach keine Ahnung", verwies sie auf die Erfolge der sozialistischen Menschenexperimente in Russland, China, der DDR, in Kuba, Nordkorea und Venezuela und die Toten Stalins, die Maos, Castros und Ulbrichts, die heute noch glücklich sind, für die große Sache gestorben zu sein. 

Eskens Vermächtnis wird die Lehre von der Fähigkeit eines sozialistischen Staates sein, sich selbst von sich selbst zu ernähren: Von den - damals - 14.000 Euro Abgeordnetendiät, die sie erhalte, so beschied Esken auf Nachfrage, zahle sie nicht nur Steuern, sondern kaufe auch "jeden Tag" ein. Damit sei sie es, die die Arbeitsplätze von Steuerzahlern rette. 

Abgebrüht und machtverliebt

An Selbstbewusstsein und dem Gefühl für die eigene Bedeutung fehlte es ihr nie. Saskia Esken hielt sich durch geschicktes Taktieren, Abgebrühtheit und einen sicheren Machtinstinkt auch länger an der SPD-Spitze als irgendwer seit Sigmar Gabriel. Doch als es nun um die Suche nach einem Sündenbock für die so fürchterlich vergeigte Bundestagswahl ging, endet der lange Weg nach oben. 

Als ein Schuldiger gesucht wurde, der den seit Jahren anhaltenden Bedeutungsverlust der deutschen Sozialdemokratie aufgeladen bekommen kann, richteten sich schon nach wenigen Stunden alle Blicke aus Saskia Esken: Zu alt. Zu bieder. Programmatisch zu dünn. Selbst der Umstand, dass ihre unsympathische Art Wähler förmlich in die Flucht schlägt, spielte auf einmal doch eine Rolle.

Freilich nicht freiwillig

Die Unbeugsame, die aus den Resten der Schröder-SPD, die sich mit dem Kapitalismus hatte versöhnen wollen, wieder eine Klassenkampfpartei gemacht hat, wich freilich nicht freiwillig. Selbst als ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil sich in einer Nacht- und Nebelaktion nur Stunden nach der verlorenen Bundestagswahl die Krone des künftigen Alleinherrschers aufsetzte, blieb Esken stur. 

Wenigstens ein Ministeramt sollten die Genossen ihr geben. Wenigstens ein sicheres Auskommen und einen Renommierposten für treue Dienste müsse drin sein. Schließlich hätten alle anderen auch immer etwas bekommen.

Die Partei war ihrer überdrüssig

Es war vielleicht Eskens erste Fehleinschätzung. Die Partei war ihrer überdrüssig. Klingbeil, wie die Alt-Vorsitzende ein geschickter Taktiker, hatte den Machtwechsel längst vorbereitet. Esken harrte aus, bis es nicht mehr ging. 

Erst im allerletzten Moment, kurz vor der Kündigung quasi, räumte sie ihren Platz und den Stuhl, den ihr die Kollegen bereits weggenommen hatten. Gedrängt von geschickt platzierten Schlagzeilen. Beiseitegeschoben von den eigenen Genossen. Fast schon in letzter Minute kündigte sie an, beim Parteitag im Juni nicht mehr für den SPD-Vorsitz kandidieren zu wollen - stolz sagte sie das, ganz so, als handele es sich um eine Entscheidung, die sie mit sich und der Familie ausgemacht habe, um künftig kürzerzutreten.

Die schlechte Laune der Partei

Dabei weiß jeder: Draußen im Land gilt die Schwäbin mit ihren bis zum Unterkieferknochen heruntergezogenen Mundwinkeln als personifizierte Verkörperung der schlechten Laune einer Partei, die sich seit Jahren damit beschäftigt, den absteigenden Ast abzusägen, auf dem sie sitzt. 
 
Gegen Bärbel Bas, die die Mächtigen der SPD als Nachfolgerin ausgewählt haben, hatte Esken keine Chance: Die sechs Jahre jüngere Konkurrentin war als erste Frau mit Schweißerschein zeitweise höchste Repräsentanten des Landes. Sie setzt gegen Eskens straffe Ausgezehrtheit das Bild einer properen Arbeiterfrau. Sie schwitzt nicht Funktionärsodem und puren Bürokratismus aus jeder Pore.

Recht eigentlich ist auch die SPD auf der Suche einer Heidi Reichinneck, wie sie der Linken unverhofft in den Schoß gefallen ist. Etwas Halbjunges, Tätowiertes und Flippiges, das schräg zugespitzte Schwachheiten populär macht und damit dort Wähler abgreift, wo noch weniger gewusst wird als in den Parteigruppen vor Ort. 
 
Aber so lange diejenige nicht gefunden ist, kann Bärbel Bas aushelfen: Arbeitertochter, in der Produktion bewährt, Selfmadefrau und gegen viele Widerstände abseits des üblichen Weges nach oben marschiert, über den SPD-Funktionäre sich in der Regel hochdienen. 

Sächsin aus Schwaben

Saskia Esken, der Vorname bedeutet "Sächsin", ist ein Opfer dieser Entwicklung. Mit 63 wäre sie im besten Alter, das letzte Drittel einer großen Karriere mit der Kandidatur fürs Bundeskanzleramt zu krönen. Erste Frau! Erste Sozialdemokratin! Erste Ex-Elterrätin! 
 
Doch die Zeiten sind nicht so, sie hungern nach denen, die alles gegeben haben, obwohl es nie genug gewesen ist. Die Revolution frisst ihre Mutter und Esken hat das genau verstanden: "Ich glaube, dass Frauen in der Politik anders beurteilt und härter und kritischer betrachtet werden, und wir in hohem Maße männlichen Rollenklischees genügen sollen", sagt sie.
 
Ihre Nachfolgerin wird den Parteivorsitz übrigens nur noch im Nebenamt führen.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

OT
<< König Klaus sagt:
14. Mai 2025 um 23:54

Bester Komm zu verhafteten Reisburgern:
„Pseudostaatliche Deutschland-NGO-„Beamte“ verhaften pseudostaatliche KRD-Mitglieder, was für ein Witz!“ aus mmnews 🙂 >>

Ebend aufgeschnappt.

Anonym hat gesagt…

Bernd versteht nicht warum mündige Bürger völlig inkompetente Politiker in den Reichstag wählen . Gucke Fönix : ein grüner Mann mit Verwaltungsbrille labert ins Mikro ; er labert und redet dummes Zeug , inkonsistenter Sprechmüll .