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Eine Frage als Fetisch: Vielmals beantwortet, taucht sie immer wieder auf. |
Kurz vor Weihnachten, er war noch nicht einmal ins Amt eingeführt, wurde der Prozess um Donald Trump mit einem einstimmigen Urteil der Jury beendet. Der "Präsident mit dem Banditengesicht" (Der Spiegel) war viel mehr als das, deutlich bedrohlicher, ideologischer und vielfach schlimmer in seiner Langzeitwirkung.
Vier Monate war es bis dahin nur eine Vermutung gewesen, dass in der Person des 79-Jährigen die schrecklichsten Zeiten der Menschheit ihre Reinkarnation erleben. Doch nach aufwendigen Ermittlungen stand es kurz vor dem Heiligen Abend fest: "Der Faschismus, der geht so", eröffnete die in Hamburger Wochenschrift "Die Zeit" ihren Leserinnen und Lesern, die ganze fürchterliche Wahrheit über Trump und seine Gesell*innen Orbàn, Milei, Putin und Meloni. Ob Demokrat, Republikaner oder russischer Diktator - sie alle sind Erben Hitlers, angetreten, die Welt mit Grenzschließungen, Wirtschaftsreformen, dem Überfallen von Nachbarstaaten oder präsidialen Verfügungen zur Hölle zu machen.
Nicht biegen und brechen
Nein, sie hatten sich nicht verbiegen und brechen lassen, wie es anfangs schien. Nachdem Trump zu Überraschung der deutschen Medien die Wahl gewonnen hatte, setzte zwar kurz Entsetzen ein, das in einer plötzlichen Vorsicht mündete, die Dinge weiter mutig beim Namen zu nennen. Doch mit dem Überwinden des Schocks, dass es die favorisierte eigene Kandidatin Kamala Harris doch nicht geschafft hatte, wuchs die Bereitschaft, den Kampf gegen Trump wieder aufzunehmen, indem sein inneres Wesen wie all die Jahre zuvor als das eines Faschisten, neuen Hitler, alten Nazis, unverbesserlichen Sexisten und rabiaten Rassisten enthüllt wurde.
Trump machte wieder alles falsch. Es gelang ihm nicht, den Ukrainekrieg zu stoppen und auch seine Erfolge bei der Bombardierung der Nuklearanlagen des Iran werden für sehr viel weniger bedeutsam erachtet als die Versuche der EU-Spitzen, die Mullahs friedlich zur Aufgabe ihrer Atompläne zu bewegen. Aus Sicht der deutschen Medien war es allein die Vernunft der Europäer und ihre kluge Einsicht in die Notwendigkeit höherer Rüstungsausgaben, der das neue Fünf-Prozent-Ziel der Nato entsprang. Auch der Abriss der Drohkulisse im Zollstreit mit den USA sei nicht von der Furcht vor Vergeltung motiviert, sondern durch den festen Willen, weiter mit den USA befreundet zu bleiben.
Ist er nun oder nicht?
Die Trumps kommen und gehen, das amerikanische Volk aber bleibt. Und bis dahin ist auch die lange beantwortete Frage wieder offen, ob Trump nun ein Faschist ist. Diesmal ist es die in München erscheinende Süddeutsche Zeitung, die die Kiste wieder aufmacht, in der eine ganze Bibliothek aus peniblen Untersuchungen zum Hauptthema der Epoche steckt.
Trumps Faschismus oder nicht beschäftigte Heerscharen von Experten, Psychologen, Historikern und Beobachtern. Eine Obsession, deren ökonomische Komponente nicht zu übersehen war: Wer immer es vermochte, dem Vorgänger und Nachfolger von Joe Biden Faschismus unterzuschieben, durfte sich über Klicks derer freuen, die das auch finden. Und über die von denen, die das ganz anders sehen.
Only a performer
Oft ist die Frage beantwortet worden, sehr eindeutig sogar einmal auch durch die SZ selbst. Zuweilen gelang es sogar, Trumps Tätigkeit als die eines Faschisten zu würdigen, ihn selbst aber vom direkten Faschistenverdacht freizusprechen. "Trump is only performing fascism", fand der Historiker Harold James beispielsweise eine elegante Möglichkeit, den Präsidenten zu verurteilen und ihn zugleich zu entschuldigen. Donald Trump gelang ein einmaliges Kunststück: Medial überflügelte sein Faschismus sogar den Adolf Hitlers. Wobei zu beachten bleibt, dass Hitler nach eigener Überzeugung kein Faschist war, sondern ein Nazi. Auf diesem Feld liegt er weiter vor Trump.
Der aber spottet davon abgesehen jeder Beschreibung. Von wegen "sechsjähriger Kinderfaschist", wie ihn der Bestsellerautor Michael Lewis im "Spiegel" nannte. Von wegen, der Präsident sei der Neuerfinder des Faschismus, nur sei der "zeitgemäß", wie die "Zeit" nach einer Analyse des "giftigen Cocktails" befand, den Trump der Welt serviert.
Eine neue Form
Seine Angriffe auf das bewährte Zollsystem, mit dem Europa gut leben kann, seine donnernden Ansagen an Kriegsparteien und die jähen Wendungen, mit denen er fortwährend Freund wie Feind verwirrt - sie markieren eine neue Form des Faschismus, der sich als die Art Tatkraft tarnt, nach der sich nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Europa viele von Populisten Verführte sehnen.
Trump ist der, der "alles auf eine Karte setzt", der die zeitraubenden Verhandlungen, die in Europa vor jedem faulen Kompromiss stehen, mit dem "Basta" des Schröderkanzlers abkürzt. In der "regelbasierten Ordnung", in der sich gewieftesten Kenner der Grundregeln am besten auszusuchen wussten, wann sie sich woran halten und was für den Moment - oder ein paar Jahrzehnte - ignorieren wollten, ist das eine Zumutung.
Umverteilung oder Faschismus
Dass ihm seine Partei folgt, um erscheint als Beleidigung aller, die in deutschen Medienhäusern immer schon Bedenken hatten: Wenn es gut ist, die geplanten neuen Schulden abzulehnen, steht dann Elon Musk jetzt doch auf der richtigen Seite? Und wenn eine Umverteilung von Arm zu Reich nicht unseren Werten entspricht, wie entschieden muss dann die Ablehnung der geplanten neuen Elektroautoförderung ausfallen, bei der die Hauswirtschaftspflegerin und der Mindestlöhner mit ihren Steuern den neuen Tesla oder ID7 des Architekten, der Bundestagsabgeordneten und der Ökonomieprofessorin aus dem Weisenrat finanzieren.
5 Kommentare:
Süddeutsche kann ich mir nicht leisten. Also taz. Ist wurst, erzählen eh alle das gleiche, wie früher.
https://taz.de/Donald-Trump-und-das-F-Wort/!6065634/
Der Sturm rechtsradikaler Trump-Anhänger auf das Kapitol am 6. Januar 2021, um den Machtwechsel zu verhindern, ...
So schnell bereut man, diesen Mist angeklickt zu haben.
Genießt olle Dikigoros, bevor auch der weggeputzt wird:
<<< Mal ehrlich, liebe Leser, sieht die* aus wie eine Jüdin? [War sie ja auch nicht, sondern allenfalls eine Halbjüdin, und nach jüdischer Lesart überhaupt keine, denn ihre Mutter Emmy Raab war eine "Schickse", und nach mosaïschem Recht zählt nur die matrilineare Abstammung.] Dikigoros' Opa hätte auf diese rhetorische Frage geantwortet: "Wohl kaum. Diese verlogenen Nazis... Erst sagen sie, man soll aus der Kirche austreten; aber dann schließen sie ein Konkordat mit dem Vatikan und erklären jeden Itzig, der sich vier Taufscheine für die Großeltern gekauft hat, zum Arier. Dafür schikanieren sie jetzt echte Deutsche, denen so ein blöder Fetzen Papier fehlt." Dikigoros - dessen Vater den "fehlenden Fetzen" für den Ariernachweis auf unrxxxorthodoxe Art und Weise ergxxxlangte, denn für einen Kauf hätte ihm das Geld gefehlt - schreibt darüber an anderer Stelle mehr. >>>
*Hansi Burg
Könnten die hier lesenden Dikigoros-Kenner mir bitte helfen? Bei ihm las ich über die Entstehungsgeschichte des seinerzeit um die Welt gehenden sw-Fotos der vietnamesischen Kinder, die , Entsetzen in den Augen, auf den Fotografen zugerannt kommen, zuvörderst ein splitternacktes kleines Mädchen, dem laut beigefügter Erklärung der Luftdruck einer Bomben- oder Minenexplosion die Kleidung vom Leib gefetzt hatte. Wie es sich wirklich verhielt, kann man bei Dikigoros oder seinem Gewährsmann lesen. Leider habe ich mir das nicht gespeichert und inzwischen sogar vergessen, wo beim Dikigoros ich das gelesen habe, weshalb ich es nicht wiederfinde. War ein ausführlicher, reich bebilderter Beitrag.
https://petapixel.com/2022/06/08/napalm-girl-turns-50-the-generation-defining-image-capturing-the-futility-of-the-vietnam-war/
Haben Sie herzlichen Dank!
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