Donnerstag, 24. Juli 2025

El Hotzo an den Grenzen des Sagbaren: Satire darf wieder alles

El Hotzo, Amtsgericht Berlin-Tiergarten, Billigung von Straftaten
Darf wieder alles: Das Amtsgericht in Berlin Tiergarten hat Satire aus den ihr zuletzt angelegten Fesseln befreit.

Nach der Ziegenfickeraffäre durfte Satire alles, später aber tauchten Zweifel auf, wie weit Redefreiheit wirklich gehen sollte. Muss ein Witz Geist haben? Stil? Und muss Satire erkennbar sein, oder reicht es auch, wie eine Beleidigung, eine wüste Herabwürdigung oder dumpfer Hass zu wirken, wenn der Hersteller sich als Clown versteht? 

Nicht jeder, der andere in übelster Weise beleidigt, ist von vornherein im Unrecht, nur weil er sich auf den Schutz der Meinungsfreiheit beruft. Doch nicht alle, die morgens 5.45 Uhr im Bademantel vom Schutzpersonal des Grundgesetzes besucht werden, müssen fürchten, wegen übergriffiger Verbalpositionen abgeurteilt zu werden.

Spaß auch ohne Witz 

Satire sollte Witz haben, ein Witz sollte zum Lachen sein - diese früher lange geltenden Regeln hat das Amtsgericht (AG) Berlin-Tiergarten jetzt aufgehoben. Im Fall des RBB-Spaßvogels Sebastian Hotz – besser bekannt unter seinem Alias "El Hotzo" - entschied die Einzelrichterin, dass eine Billigung von Straftaten keine Straftat ist, wenn der Satiriker beteuert, das Scheitern eines Attentats auf Donald Trump nur aus Spaß bedauert zu haben. 

Den US-Präsidenten vor den Bus zu wünschen, respektiere Artikel 1 des Grundgesetzes durchaus, wenn auch, ohne dass das erkennbar ist. Die ohnehin theoretische verfassungsrechtliche Vorgabe, dass die Würde des Menschen unantastbar sei, werde eingehalten, auch bei einer Billigung von Straftaten eingehalten, weil auch "geschmacklose Satire" ausdrücklich von der Verfassung geschützt werde. Im Fall des "Wortkünstlers" (SZ)  Sebastian Hotz kam erleichternd dazu, dass nicht er selbst, sondern "sein Satire-Alter-Ego "El Hotzo" Trump auf Twitter den Tod" gewünscht hatte. 

An den Grenzen des Sagbaren 

Alter Egos, also virtuelle Avatare, die verwendet werden, um auszudrücken, was anderenfalls nicht sagbar wäre, sind damit grundsätzlich von der Kunstfreiheit gedeckt. Wirken von ihnen getätigte Aussagen auch auf den ersten, zweiten und dritten Blick wie die strafbare "Belohnung und Billigung von Straftaten", handelt es sich doch letztlich um sogenannte bademantelfreie Beleidigungen: Abstoßend, intellektuell dürftig, ohne jede Spur von Humor und gehalten, jede Menge Hass zu schüren. Aber schon allein aufgrund des deutlich erkennbaren Adressaten - hier der Präsident eines Landes, das Deutschland vom Faschismus befreit hat - diesseits der Brandmauer zur strafbaren Billigung von Straftaten.

Die wird erst überschritten, wenn Begriffe wie "Schwachkopf" oder die Behauptung, eine Bundesinnenministerin "hasse die Meinungsfreiheit" den besonderen Schutz des reaktivierten Majestätsbeleidigungsparagraphen erfordern. Ziegenficken, Kinderporno beim Kalifen und Schrumpelklöten, aber auch der Ruf nach einer Endlösung der Nazifrage und die aggressive Herabwürdigung von Regierungsmitgliedern unter Verwendung von verbotenen Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen dagegen sind allenfalls launige Lustbarkeiten, deren Humorgehalt sich nicht jedem erschließt.

Auftritt der Humorpolizei 

Eine Lehre nicht nur für die Gesellschaft, die trotz einer bestens ausgebauten Überwachungsinfrastruktur immer wieder von humoristisch verbrämten Tatsachenbehauptungen überrascht wird. "Manche Kunstwerke sind ein Fall für die Justiz", hatte die bürgerschaftlich engagierte Illustrierte "Stern" schon im Fall der Überschreitung der Satiregrenzen durch die islamfeindlichen Karikaturen des Pariser Blattes "Charly Hebdo" geurteilt. 

Spätere Versuche, Inhalte eines religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses zu verunglimpfen, ohne beim Blasphemie-Paragraphen 166 anzuecken, gingen häufig schief.  Bei "bösen Entgleisungen" (Bild), "geschmacklosen Entgleisungen" (SZ), "unglaublichen Entgleisungen" (Spiegel) und "Nazi-Skandalen" (Oberhessische Presse) warf sich der Rechtsstaat den Spaßmachern mannhaft in den Weg. Auch die großen Medienhäuser empfahlen dringend, über die durch Rechtsprechung gezogenen Grenzen der Satire nachzudenken und die vom Staat bisher gewährte Grenzenlosigkeit der Gedankenfreiheit auszuheben. 

Abseits vom Aussagekern 

Entscheidend dürfe nicht sein, ob sich eine Aussage "im Aussagekern mit der Sache auseinandersetze" (BVerfGE 61, S. 213) und davon ausgehend eine zugespitzte, übertriebene oder gar aggressive Auseinandersetzung mit dem Zielobjekt suche. Sondern wie sich die satirische Zuspitzung mit den aktuellen Staatszielen vertrage: Dient sie ihnen? Oder erfordert die Lage ein sofortiges Eingreifen von Demokraten, Behörden und Institutionen, um der Anfänge zu wehren?

Im Fall des als "El Hotzo" auftretenden Sebastian Hotz hat sich vor allem der von zahlreichen Vertretern politischer Parteien beaufsichtigte Gemeinsinnsender RBB vergaloppiert. Kaum hatte der Moderator dem damaligen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump auf seinem X-Account "@elhotzo" den Tod gewünscht und im Grundsatz nachgeschoben, dass er es überhaupt "absolut fantastisch" finde, wenn Menschen sterben, so lange sie "Faschisten" sind, feuerte der Skandalsender seinen erfolgreichen Mitarbeiter.

Nur ein toter Faschist 

Obwohl Hotz sein Bekenntnis, dass nur ein toter Faschist ein guter Faschist ist, bereits nach einer Viertelstunde wieder zurücknahm, indem er den Post unter dem Druck der aufwallenden Empörung löschte, verkannte der Sender den humoristischen Grundgehalt der Aussage, dass es schade sei, dass eine Gewehrkugel Trump "knapp verpasst" habe. Auch die Staatsanwaltschaft wollte das amüsante Späßchen falsch verstehen, obgleich El Hotzo ja erkennbar bereits von seiner Absicht, Straftaten öffentlich zu billigen, zurückgetreten war. Der Sender stellte dem Spaßvogel den Stuhl vor die Tür. Die Berliner Strafverfolgungsbehörde klagte Hotz wegen Billigung von Straftaten nach § 140 Strafgesetzbuch (StGB) an. 

Unberechtigterweise, wie die als ausgewiesene Expertin im Kampf gegen "Hassgewalt" (Antonio-Amadeu-Stiftung) geltende Strafrichterin Andrea Wilms in einem kurzen Prozess befand. Sebastian Hotz habe mit seinem Bedauern darüber, dass die tödliche Kugel Trump "leider knapp verpasst" habe, keineswegs die Grenzen des Sagbaren überschritten.

Straflos, weil gutgemeint 

Der Post sei vielmehr einerseits straflose Satire (Urt. v. 23.07.2025, Az. 235 Ds 57/25), andererseits aber ohnehin ohne strafbaren Vorsatz abgesetzt worden. Nur ein Freispruch auf Kosten der Staatskasse könne den Rechtsfrieden herstellen und Nachahmer ermuntern, so das Gericht, das sich bei der Auslegung der Intention des mutmaßlichen "Äußerungsdelikts" diesmal entschied, die Meinungsfreiheit höher zu gewichten als das Schutzbedürfnis eines Politikers, den in Deutschland ohnehin niemand leiden kann.

Eine Entscheidung, die das "Münzen-Erna"-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes  nahelegt, das aber aufgrund der seitdem veränderten Meinungsempfindungslandschaft doch überraschend kommt.  1997, als die Karlsruher Richter über die Würdigung von Satire als durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschütztes Kunstwerk befanden, urteilten sie, dass Satire Kunst sein könne; nicht jede Satire jedoch Kunst sei.

Das wesensmäßige Merkmal 

Ihr "wesensmäßiges Merkmal" bestehe darin, "mit Verfremdungen, Verzerrungen und Übertreibungen zu arbeiten" (vgl. BVerfGE 75, 369 377), die rechtliche Beurteilung, was genau vorliege, erfordere "die Entkleidung des in Wort und Bild gewählten satirischen Gewandes", um ihren eigentlichen Inhalt zu ermitteln. Dieser Aussagekern und seine Einkleidung seinen "sodann gesondert daraufhin zu überprüfen, ob sie eine Kundgabe der Missachtung gegenüber der betroffenen Person enthalten"

Sebastian Hotz' komödiantische Kunst besteht nun allerdings darin, seinem Witz keins angezogen zu haben. Weder auf den verpassten Bus noch über die Freude an toten Nazis lassen sich die Karlsruher  "Maßstäbe im Hinblick auf das Wesensmerkmal der Verfremdung für die Beurteilung der Einkleidung" anwenden. Der Spaß ist hier nackt, die These von Hotz' Verteidigern, das sei alles "ganz offensichtlich Satire, keine Aufforderung zu Gewalt – und das hat auch niemand so verstanden", mutet selbst wie ein Witz an. 

Hass macht Spaß 

Was sollte es denn sonst gewesen sein? Richterin Andrea Wilms kanzelte die Äußerungen des Spaßvogels als "geschmacklos" ab, erkannte aber "eindeutig Satire". Das sei bereits daran erkennbar, dass der genutzte X-Account als "satirisch" ausgewiesen sei. Den von den Anklägern erkannten Mangel an einem "eindeutigen satirischen Rahmen" mochte Wilms nicht zu bemängeln. Hotz' Hasspost sei "ohne jeden Zweifel als Satire erkennbar – die gibt es nicht nur in Satireshows." 


7 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

"die "RTL-Nacht-Show", eine sogenannte Talk-Show mit humoristisch-satirischem Charakter"

Das hat seit dazumal Gesetzkraft, doch blieb völlig außen vor

Die "heute-Show" ...

Anonym hat gesagt…

von welcher verfassung ist dieses mal die rede?

Anonym hat gesagt…

<< Wer hat ein Interesse daran, Leute in Parlamente zu verfrachten, die dort nicht hingehören? >>

Bei der Beantwortung dieser Frage könnte ich Michael Klein bedeutende Unterstützung geben. Aber wie ich ihn kenne - er wird es nicht hören wollen.

ppq hat gesagt…

die anderen wollen doch nicht

Anonym hat gesagt…

<< ...dass der Deutsche seiner Fähigkeit beraubt wird, das größte Verbrechen seit 1945 überhaupt wahrzunehmen. >>

Was Bartolomäus Blödmann ofenkundig für das größte Verbrechen VOR 1945 ansieht - da müssen wir nicht lange raten.

Anonym hat gesagt…

OT
Köstlich, bei Danisch: Der Biervogel oder wie der heißt schreit zetermordio, weil die Fahrradständer ihn als Deutschen gar gering achten. (Aus dem Gedächtnis, frühere Kommentare von seinen Fänns: Hambullabillabalaballah, liebe Brüder und Schwestern ...)

Trumpeltier hat gesagt…

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.

Es kommt im Reich heutiger Dichter und Denker bei der Rechtsinterpretation eben auf den Grad der Buntheit des Delinqenten an, ob er als schuldig oder unschuldig gilt.

Wer also das passende Gesicht zur arabischen Wüstensohntracht besitzt, kann mit Toleranzbewertung rechnen, während ein bläuäugig rothariger im selben Klammerbeutel zusätzlich der diskriminierenden kulturellen Aneignung bezichtigt werden würde.

Jemanden, der dubiose Steuergeldverschwendung in Millionenhöhe zu verantworten hat, Schwachkopf zu nennen, ist das schlimmere Verbrechen, als sich im Orientalen-Outfit mit Terroristen-Sprenggürtel zu zeigen. Darin kann die traditionsbewusste deutsche Justiz dann amüsante Satiremerkmale entdecken und auf Meinungsfreiheit hinweisen.

“Quod licet Jovi non licet bovi.”