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Mit Zerknirschung, Reue und neuen Versprechen wollen die Grünen den Osten erobern. |
Der Chef selbst geht dorthin, wo es wehtut. Brandenburg bekommt Besuch, Felix Banaszak, Bundesvorsitzender der Grünen und in Ermangelung anderer Vordenker Chefstratege der früheren Ökopartei, eröffnet ein Wahlkampfbüro mitten im Nirgendwo. Brandenburg an der Havel liegt auf dem Weg ins heimische Duisburg, dort ab und an vorbeizuschauen, wird den 35-jährigen Erben von Größen wird Jürgen Trittin, Joschka Fischer und Robert Habeck nicht weiter zeitlich belasten.
Doch mental, das hat schon seine Ankündigung des verwegenen Vorhabens verraten, nimmt sie Banaszak mit, die Aussicht, erstmals im Leben auf Ostdeutsche zu treffen, Menschen jenes fremden Schlages, die einem guten Grünen früher ferner waren als Revolutionäre aus Nicaragua und ihm heute verdächtiger erscheinen als IS-Terroristen auf der Flucht.
Die Not ist groß
Doch die Not im grünen Lager ist groß, und die Not speist sich aus einer Spaltung, die die Partei in den zurückliegenden 35 Jahren nie hat überwinden wollen. Als die DDR unterging, verloren die Ditfurts und Ebermanns der damaligen Alternative für Deutschland ein Stück Zukunftshoffnung. So wie die DDR, so hatte ihr Traumland sein sollen, nur demokratischer, reicher und sauberer. Aber eben sozialistisch, wenn auch richtig. Dass die Ostdeutschen in Heerscharen zum Kapitalismus überliefen, ließ die Grünen abschätzig die Köpfe schütteln. Nur wegen der Bananen eine so schöne Idee wie den Sozialismus zu verraten, das wäre den Parteimitgliedern aus Hamburg, Köln und Stuttgart niemals in den Sinn gekommen.
Die Grünen waren damals ausdrücklich gegen die deutsche Einheit, ausdrücklicher noch als die SPD, bei der wenigstens die älteren Genossen die Ideologie beiseiteschieben konnten, als es um die Wiedervereinigung ging. Bei den Grünen dagegen galt jeder, der von einem vereinigten Vaterland träumte, als ekelhafter Nationalist. Die Partei, die sich als die progressive Kraft sah, liebte den Status Quo: Der Westen bereitet die Abschaffung der Marktwirtschaft vor, bei Eduscho-Kaffee, Nutella-Brot und schick in Levis. Die Ossis büßen schön für die Verbrechen der Faschisten, bis sich eines Tages sowieso alle Nationen in Wohlgefallen auflösen.
Die Trottel im Osten
Die Grünen haben den Ostdeutschen nie verziehen, dass sie damals nicht vom Wetter reden wollten. Die Ostdeutschen dagegen haben nicht vergessen, dass sie selbst noch den Enkeln von Waltraud Schoppe, Antje Vollmer und Willi Hoss als komplette Trottel erschienen, denen man mit vermeintlicher Selbstkritik vormachen könne, man habe viele Fehler eingesehen und verstanden, wer damals richtig lag und wer falsch.
Die Grünen jedenfalls, so schrieben es Annalena Baerbock und Robert Habeck in einem längerzurückliegenden Text, der die Ostdeutschen einfangen sollte, waren es nicht. Die seien damals "gefangen gewesen im gedanklichen Kontext der alten BRD", für sie war die Deutsche Einheit einfach zu klein, denn berufen, die ganze Welt zu retten, hatten sie "die ökologische und die soziale Frage im Blick".
Geliebte linke Diktatur
Aber was heißt hatten. Das Messianische, das Besserwisserische und das Sendungsbewusstsein, dass die grüne Partei unter allen ihren schillernden Führerinnen und Führers stabil auszeichnete, ist bis heute dasselbe geblieben. Wie die Grünen den DDR-Leuten vorbeteten, dass eine linke Diktatur in der DDR besser sei als gar kein sozialistisches Sehnsuchtsland, so hielten sie ihnen später Predigten über die Kugel Eis und den Veggie-Day. Abwechselnd mit Vorträgen über die Notwendigkeit, endlich einzusehen, dass der seit 1990 so hart erarbeitete Wohlstand nur geliehen war und nun die Zeit gekommen sei, ihn zugunsten Geflüchter, der Wärmepumpen- und Dämmindustrie und eines engmaschigen Staatsnetzwerks an Überwachungsorganisationen abzugeben.
Die mangelnde Einsicht der Diktaturgeschädigten bewies, wie richtig die Partei damit lag. Ähnlich wie die muslimische Welt, der bis heute unter dem Mangel leidet, niemals eine Reformation erlebt zu haben, krankt die autochthone Bevölkerung in Ostdeutschland unter dem, nicht einsehen zu wollen, dass ein Leben wie im alten Westen nicht für alle Menschen auf Erden machbar ist.
Vermittlung neuer Werte
Auf die immer wieder neu formulierten Umerziehungsideen, die Verbote, Umbauanweisungen und die als Lebenshilfe gedachte Vermittlung neuer Werte reagieren Sachsen, Thüringer und Brandenburger, aber auch die Menschen in Mecklenburg und Sachsen-Anhalt allergisch.
Sie weigern sich, als "allergrößte Kälber ihre Metzger selber" zu wählen (Christian Wiedmer, 1850). Sondern behandelten die Partei, die ihr ostdeutsches Bündnis-90-Erbe längst im Keller der Parteizentrale am Platz vor dem Neuen Tor entsorgt hatte, wie sie von ihr behandelt wurden: Mit Unverständnis, Verachtung und demonstrativer Ignoranz.
Im Osten werden keine Wahlen verloren, die im Westen gewonnen worden sind, deshalb war das für die grünen Parteistrategen kein Grund zur Sorge. Die letzten Wahlen aber erinnerten die Grünen schmerzhaft daran, dass im Westen keine Wahlen gewinnt, wer sie im Osten verliert. Wie die SPD, die in der Vergangenheit nach jedem weiteren Abwärtsrutsch in der Wählergunst der Ostdeutschen hektisch ein Ostprogramm ausrief - das letzte trug den tollen Titel "Jetzt ist unsere Zeit: Aufarbeitung, Anerkennung und Aufbruch" - starten auch die Grünen in höchster Umfragenot einen Aufbruch ins Unbekannte.
"Bier mit Banaszak"
Die Expedition in den nahen Osten wird von Felix Banaszak angeführt, einem beispielhaften Funktionärstyp, der alles mitbringt, was Menschen in Brandenburg zu seinen geplanten Empfängen unter dem Titel "Bier mit Banaszak" locken könnte. Die Lebenserfahrung des gebürtigen Duisburgers beschränkt sich auf ein Kunststudium und lange Jahre anstrengender Ausbildung im grünen Parteiapparat. Banaszak war nie außerhalb grüner Organisationen erwerbstätig, er diente sich erst bei einem Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses hoch, dann bei den Europaabgeordneten Terry Reintke und Sven Giegold.
Auf so einen haben sie in Brandenburg an der Havel schon lange gewartet, weil jeder in der 74.000-Einwohner-Stadt, die früher von ihrer Schwerindustrie lebte, begierig darauf ist, Banaszak zu helfen, "im besten Fall auch etwas mehr Brandenburger Perspektive nach Berlin" zu bringen. Ganz verlassen müssen sie sich nicht darauf, dass er das wuppt, denn parallel dazu hat der grüne Vorstand ein "Impulspapier" verfasst, das den von der SPD genutzten Titel "Jetzt ist unsere Zeit: Aufarbeitung, Anerkennung und Aufbruch" meidet, mit "Ehrlich, streitbar, nahbar" aber nur ganz knapp.
Abrechnung mit dem Osten
Auf acht Seiten, an denen mit dem aus Jena stammenden Heiko Knopf auch ein ostdeutsches Vorstandsmitglied mitschreiben durfte, rechnet Banaszak ab mit den Menschen in einem Landstrich, der sich weigert, warm zu werden mit Politikern und einer Partei, die sie von oben herab betrachten und davon selbst jetzt noch nicht lassen können. Denn was Banaszak und Knopf an den Schreibtisch trieb, um das "Impulspapier" zu verfassen, ist das eine Motiv: Die Grünen haben "im Osten die Fünf-Prozent-Marke in den letzten Jahren häufiger von unten als von oben gesehen". Was also muss geschehen, um die Leute zu überzeugen, doch gern auch mal Grün zu wählen?
Banaszak formuliert zwar als Frage "Haben wir den Osten aufgegeben – oder der Osten uns?", was er sucht, ist allerdings eine rein taktische Antwort: Seht her, ihr Ossis, welch mutiger Schritt von uns, dass wir ganz zerknirscht vor euch treten, unsere Häupter mit Asche bestreuen und Reue zeigen, um den Osten jetzt aber mal wirklich mit der Zusicherung für sich zu gewinnen, nicht nur zu reden, sondern wirklich zuzuhören.
Ringen um die besseren Alternativen
Aus Sicht von Felix Banaszak und seinem Co-Autoren, einem Ostdeutschen, der im grünen Bundesvorstand so wichtig ist, dass er nicht einmal einen Wikipediaeintrag hat, müssen die Ossis schon allein für die Geste dankbar sein. Baerbock und Habeck hatten ihre große Abbitte bei den Ostdeutschen vor fünf Jahren noch selbstbewusst unter die Überschrift "Was wir aus den Fehlern der Wiedervereinigung lernen können" gestellt und versprochen "die ostdeutsche Erfahrung von 1989 und der großen Brüche in den Jahrzehnten danach" beim "Ringen um die besseren Alternativen" besser zu beachten. Banaszak und Knopf treten nun an, das Zerrbild zu korrigieren, das Rechtspopulisten und Fortschrittsfeinde im Osten von Grünen zeichnen.
Nein, sie wollen keine elitäre Öko-Partei sein, die mit den Lebensrealitäten der Region so wenig anfangen weiß, dass ihr Führungspersonal sich angesichts von Wirtschafts-, Renten-, Sozial- und Schuldenkrise, immer weiter ausgedehntem Überwachungsstaat und Aufrüstung wochenlang ausschließlich mit dem Schicksal einer Frau beschäftigt, deren Auskommen gesichert ist, ob sie nun Professorin belibt oder Verfassungsrichterin wird. Eine gut verquirlte Mischung aus falschem Schuldbewusstsein und grundlosem Optimismus soll die Ostdeutschen überzeugen, dass die Grünen verstanden haben, warum sie nicht verstanden werden.
Im Duktus des "Grünen Manifests"
Der ganze Ablassbrief ist im Duktus des "Grünen Manifests" verfasst, mit dem sich Banaszak und seine Co-Vorsitzende Franziska Brantner erst vor wenigen Wochen der hart arbeitenden Mitte im Westen als Kneipenbekanntschaft andienten. Mimikri für eine "Wir-haben-verstanden"-Fassade, hinter der dieselbe elitäre Abgehobenheit lauert, die die Grünen mehr noch als die anderen Parteien der demokratischen Mitte für mehr als 90 Prozent der Ostdeutschen unwählbar macht.
Die neue Strategie ist dreigliedrig: Zerknirschung. Reue. Abschwören. Zerknirschung soll signalisieren, dass die Grünen ihre Fehler erkannt haben. Reue zeigt, dass Einsicht da ist. Und Abschwören sichert Umdenken zu. Lenken und Leiten soll das ein neu gegründeter "Vorstandsbeirat Bündnisgrüner Osten", quasi ein Klub indigener Ostexperten, der "ostdeutsche Perspektiven in die Bundespolitik einbringen" soll.
Die Besetzung des Gremiums mit ausgewiesenen Altfunktionären wie Marianne Birthler, der Ex-Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Judith C. Enders, einer Politikwissenschaftlerin, der früheren Parteichefin Katrin Göring-Eckardt und dem früheren Staatssekretär Michael Kellner zeigt deutlich, worum es geht. Die Grünen fühlen sich missverstanden, sie wollen ihre Politik keineswegs ändern, sondern besser erklären, damit auch die eher ungebildeten Ostdeutschen verstehen, dass grüne Edelthemen wie Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und unsere Demokratie Begeisterung auslösen müssen.
1 Kommentar:
"da ist ganz viel Hass" sagt das Migrationsgoldstückmädchen beim doitschlandfonk. Und wie wir alle wissen : "Hass" begründet Überwachung durch den vs. Wer also die Grenzen gegen illegale Zuwanderung schützt ist "böse" - schlaue Dialektikkerinnen diese Migrationsmädchen aus der rotgrünen Oberstufe der Adolph Hartgas Gesamtschule . Das politische Infanteriepersonal wird in rotgrünen Schulen rekrutiert - dazu gehört auch das bekannte Personenpersönchen mit Lonzinterview und ganz viel Empörung . Bernd freut sich jetzt schon auf die kommende AfD - Regierung
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