Mittwoch, 18. Juni 2025

Grünes Manifest: Der Küchentisch in der Eckkneipe

Franziska Brantner und Felix Banaszak machen sich mit ihrem Manifest "Unser Küchentisch ist die Eckkneipe" über den gescheiterten Kanzlerkandidaten Robert Habeck lustig.

Sie würden gern wieder geliebt werden und sie sind bereit, fast alles zu tun, um die Gunst der Massen zurückzugewinnen. Franziska Brantner und Felix Banaszak, die beiden von Robert Habeck im Handstreich zu neuen Parteivorsitzenden bestimmten Anführer der Grünen, zeigen mit einem Manifest, das sie sowohl über die Frankfurter Allgemeine Zeitung als auch über die parteieigene Homepage verbreiten, wie skrupellos Macht korrumpiert und wie lang die Leitungen sind, die vom Alltag der Bürger bis in die Parteizentralen führen.  

Hohn über Habeck 

Einerseits sind Brantner und Banaszak nach nicht einmal einem halben Jahr schon bereit, sich zum eigenen Fortkommen über die Küchentisch-Kampagne des langjährigen Parteipaten Habeck lustig zu machen. Nicht einmal der Umstand, dass sie damit in den Chor von Kritikern einstimmen, die dem inzwischen vollkommen abgetauchten Klimawirtschaftsminister selbstsüchtige Motive unterstellt hatten, vermag die gegen sinkende Zustimmungswerte ankämpfende Parteiführung zu bremsen. 

Brantner und Banaszak verhöhnen Habecks Versuch, sich als bürgernaher Kumpeltyp zu inszenieren. Doch ihr eigener Versuch eines zeitgemäßen linken Populismus scheitert schon an der Form: Die "Eckkneipe", von der die beiden Nomenklaturkader der früheren Umweltpartei schwärmen, ist bereits weitgehend ausgestorben. 

Es gibt sie nicht mehr, weil es auch ihr Stammpublikum nicht mehr gibt, diese am Tresen rauchenden Stahlarbeiter, die Baurülpse, die zum Bier einen Korn kippen. Das staubige Milieu der hart arbeitenden Mitte, die den Funktionären der demokratischen Parteien das Studium bezahlt, um anschließend darüber belehrt zu werden, wie man richtig zu leben hat. 

Alles wird besser  

Katrin Göring-Eckhardt, die Grande Dame der Grünen, hatte das Verschwinden dieses kleinbürgerlichen Milieus einst herbeigesehnt. "Unser Land wird sich ändern, und zwar drastisch. Und ich freue mich darauf", hatte die gebürtige Thüringerin keine Zweifel daran gelassen, dass alles besser sein wird als das Land, in das sie durch die friedliche Revolution im Osten unversehens hineingeraten war. 

Auch Göring-Eckhardt gilt der neuen Parteiführung als fehlgeleitet. Im Heinrich-Böll-Haus sehnen sie sich zurück an einen Ort, den sie mental nie verlassen haben. Die Republik, die Leitung und Führung braucht. Die Menschen, von denen Banaszak erkannt haben will, dass sie es doch verdient hätten, sie "ernst zu nehmen in ihren Sorgen - aber als Gestalterinnen ihres Lebens, nicht als Empfänger der Regierungsverkündung".

Einsicht ohne Verzicht 

Das klingt einsichtig, ist aber kein Verzicht. Banaszaks Zwölf-Prozent-Partei ist vom Kanzleramt weiter weg als Annalena Baerbock von Potsdam. Immer noch versteckt sich hinter der "Wir-haben-verstanden"-Fassade, mit der die neue Parteiführung hausieren geht, dieselbe totalitäre Grundüberzeugung aus den Jahren der Volksparteiwerdung. Banaszak und Brantner sind das neueste freundliche Gesicht der Haltung, die grüne Parteifunktionäre schon zu Zeiten von Jürgen Trittin und Claudia Roth, Renate Künast und Ricarda Lang verinnerlicht hatten: Berufen zu sein, den Weg zu weisen.

Die beiden neuen Parteichefs, vom Alter und vom Wesen her verglichen mit Politikern früherer Zeiten eher noch Kinder, bilden gemeinsam mit Andreas Audretsch als Bundesgeschäftsführer und den Fraktionsvorsitzenden Katharina Dröge und Britta Haßelmann ein Führungsquintett, das genauso ist wie die Partei, der sie vorstehen. Auch bei Grünen hat sich die Basis längst davon verabschiedet, irgendwie und irgendwo von sich hören zu lassen. Parteitage finden in aller Stille, geordnet und gekämmt. 

Stricken statt streiten 

Es wird noch gestrickt, aber nicht mehr gestritten . Wie alle anderen Parteienwerden auch die Grünen von oben regiert. Fundis und Realos, Rechte und Linke, Westdeutsche und Ostdeutsche haben sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner geeinigt, dass eine grüne Partei ohne Prinzipien besser ist als keine grüne Partei mit. So lange der Atomausstieg als letztes Lagerfeuer zwischen den Flügeln brennt, sind die Pazifisten kriegsbereit und die Fossilgegner für Gaskraftwerke.

Der taktische Rückzug aus einer unhaltbaren Position, er ist seit dem Debakel um den "Veggie-Day" Morgengymnastik im grünen Lager. Habeck der Sisyphus aus Schleswig, kam selbst gar nicht mehr dazu, seinen Wahlkampfschlager zur Zusatzbesteuerung von Kapitalerträgen auf private Altersanlagen selbst zu begraben. Er war schon verbuddelt, ehe der Bewegungskanzler hatte erklären können, was er eigentlich gemeint hatte.

Richtig falsch 

Der Schaden aber war angerichtet. Wie ihre Vorgänger sind nun auch Brantner und Banaszak eifrig bemüht, den Eindruck zu erwecken, dass man diesmal wirklich wisse, wirklich woran es gelegen hat und dass man verstanden habe, wie es nicht gehen könne und dass nie wieder ein Versuch gemacht werde, vorzugeben, was richtig und was falsch ist

Frucht auch des Bemühens der grünen Partei in der Ampelkoalition, der hart arbeitenden Mitte der Bevölkerung immer neue Lasten überzuhelfen. Ohne ein Wort des Bedauerns ritt die von ihrer Machtposition als Regierungspartei berauschte Generation Habeck ihre Attacken auf Mittelstand, Kleinunternehmer, große Firmen und Privathaushalte. 

Das Manifest der  Kneipenverweigerer

Im Gegensatz zu allem, was im Manifest "Unser Küchentisch ist die Eckkneipe" beteuert wird, war der große Glaubenssatz der ehemals linksliberalen Partei immer die Grundüberzeugung, dass der einzelne Bürger kein Recht darauf hat, zu leben, wie er will. Vielmehr müsse ihm durch Verbote, Bestrafungen finanzieller Art und ein Trommelfeuer aus sogenannten "noch besseren Erklärungen" klargemacht werden, dass nur bereitwillige Gefolgschaft und Gehorsam ihn erlösen könne.

Es geht vordergründig um Vertrauen, eigentlich aber um die Suche nach einem Ausweg aus einer vertrackten strategischen Lage . Von links droht den Grünen der populistische Tiktok-Kommunismus der Heidi Reichinnek. Rechts Richtung Mitte will die SPD keinen Millimeter rutschen. Mit Merz zu regieren, mit dem Parteichef Klingbeil eben noch nicht einmal an einem Tisch sitzen können, ist rechts genug.

Tauchgang nach unten 

So bleibt den Grünen nur der Tauchgang nach unten. Dorthin, wo sie vermuten, dass das einfache Volk dort zu Hause ist. Die Leute, denen nur noch nicht genug erklärt worden sein könnte, wie grüner Wandel Wohlstand wahrt und die große Transformation der einzige Weg ist, dass alles bleiben kann, wie es war.

Die "Eckkneipe" ist den Parteivorsitzenden Code für diese ihnen fremde Welt. Zugleich ist sie die Maske, die fällt, nicht nur weil die Beschreibung der Eckkneipe als Küchentisch maximal unglücklich geriet. Nein, weder Brantner noch Banaszak machen den Eindruck, als seien sie jemals im Leben in einer Eckkneipe gewesen. Geschweige denn, dass sie so aussehen, als hätten sie das rhetorische und empathische Handwerkszeug, an einem Tresen nach vier Bier und drei Schnaps noch kernigen Proletarier die Vorzüge der Klimagerechtigkeit zu predigen.

Im Kostüm der Volkstribunen 

Das Kostüm der geerdeten Volkstribunen, die jetzt aber mal wirklich richtig zuhören, passt ihnen wie einem Huhn der Job als Volkstribun. Beide entstammen dem Biotop des Bionadeadels, beide haben die Laufbahnstufen der Nachwuchsakademie ihrer Partei absolviert und sie sind vor ihrem Aufstieg an die Parteispitze vor allem dadurch aufgefallen, dass sie nie besonders aufgefallen sind.

Schon gar nicht durch die Formulierung freiheitlicher Positionen, die gegen den paternalistisches Geist aufbegehrten, bei denen die ehemals antiautoritäre Partei gelandet war, nachdem sie die ersten Ministerposten im Bund besetzen durfte.

Sehnsucht nach der Zielgruppe 

Das Manifest vom Küchentisch zielt nicht darauf ab, die Werte, Visionen und politischen Prioritäten der Grünen heute zu kommunizieren, sondern es bezweckt, sie hinter einer volksnahen Sprache zu verstecken. Eine kritische Textanalyse samt historischer Kontextualisierung entblößt die Metapher von der Eckkneipe, jenem Ort des demokratischen Diskurses früherer Zeiten. 

Er ist nicht der Platz, an dem die Distanz zwischen Politik und Bürgerin automatisch geringer ist. Sondern als Wunschvorstellung eines Raumes, in dem die verlorene Zielgruppe wieder bereit sein könnte, sich Parolen über  "Zusammenhalt", "Gerechtigkeit" und "Zukunft" anzuhören.

Durch die Verwendung von "wir" und "du" wird eine Gruppe geschaffen, die Brantner und Banaszak gemeinsame Bewegung gegen Klimakrise und soziale Ungleichheit und für klimaneutralen Wohlstand, und Gerechtigkeit sehen möchten. Ein Populismus light, der um die entscheidenden Fragen herumlaviert: Die Grünen positionieren sich immer noch als Vorreiter einer klimaneutralen Wirtschaft. Und sie verraten immer noch nicht, wie die durch Investitionen in erneuerbare Energien und Infrastruktur realisiert werden soll, ohne dass es für die, die heute Steuern zahlen, fürchterlich teuer wird. 

Es wird sich finden 

Nur die Sondervermögen werden genannt. Der Rest wird sich - Robert Ratlos lässt grüßen - finden. Zumindest, sobald ein lebenswerter Mindestlohn gezahlt wird, bezahlbarer Wohnraum vom Himmel gefallen ist und Frauen und Migrant*innen durch "Bildungsinvestitionen" die soziale Mobilität des durchschnittlichen Grünen-Funktionärs erlangt haben.

Die grüne Eckkneipe, gedacht als Metapher für basisdemokratische Teilhabe, ist aus Plattitüden zusammengenagelt. Die Grünen versprechen eine Politik, die "vor Ort handelt, aber global denkt", und natürlich treten sie gegen Rechtspopulismus und für mehr europäischen Zusammenhalt ein. Alle abholen, die keinen Bademantel tragen, darum geht es. Und kontroverse Details aussparen, um Konflikte zu vermeiden. 

Gott war Vater Saat 

Vor dem Hintergrund der politischen Praxis der Grünen in den letzten zehn Jahren ist das klug, denn wo immer die Grünen an Regierungen beteiligt waren, haben sie eine Politik vorangetrieben, deren einziger Gott Vater Staat war. Steuern, regulieren und moralisieren, dabei individuelle Freiheiten einschränken und mit Vorschriften in die Entscheidungsfreiheit eingreifen - selbst die SPD, deren Hang zur Bevormundung seit der Verstoßung Gerhard Schröders die Basis des Parteiprogramms ist, konnten da kaum mithalten. 

Während das "Manifest" die Hinwendung zu einer inklusiven, dialogorientierten Politik betont, unterlassen Brantner und Banaszak jede Fehlerdiskussion oder gar ein Eingeständnism, dass eben nicht jede abweichende Meinung eine Gefahr für die Demokratie ist und nicht jede Strafanzeige die Glaubwürdigkeit der Politik stärkt. Habecks "gemeinsamen Anstrengung" für den Klimaschutz, die individuelle Interessen hinter kollektive Ziele stellen wollte, und Göring-Eckardts Sehnsucht nach einer staatlichen Steuerung der Wirtschaft, um soziale und ökologische Ziele zu erreichen, sind für die beiden Grünenchefs nicht einmal irrige Einzelmeinungen. Sie sind keine diskutable Realität.

Alter, kaputter Pfeiler 

Die Meinungsfreiheit, in den Gründerzeiten der Partei ein Pfeiler der Glaubenswelt aller Grünen, kommt gar nicht vor. Zu groß ist wohl die Furcht, Kritiker würden dann ja doch nur wieder die Begeisterung der grünen Chefetage für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und andere Einschränkungen der Meinungsfreiheit zur Bekämfung von Hetze, Hass und Hohn aufs Tablett bringen. 

Sie würden es zurecht tun. Auch das Manifest verspricht wieder die übliche klare Kante gegen Menschenverachtung, in einem Atemzug mit "Offenheit und Teilhabe". Dass staatliche Kontrolle und von Parteifunktionären vorgegebene Normen der Maßstab sein sollen, an dem sich abweichende Meinungen in der grünen Eckkneipe messen lassen müssen, steht nur zwischen den Zeilen. Aber im Klartext.


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die zwei:

Der Schlüssel für eine grüne Politik [blabla] ist ein einfaches Begriffspaar: Ehrlichkeit – und Empathie.

Die hätten so ehrlich sein können, das Foto in einer Eckkneipe zu machen statt in einem Technikraum der (vermutlich) Schumannstraße 8, Berlin. In einer richtigen Eckkneipe bestünde freilich Gefahr für die beiden, ein paar 'aufe Fresse' zu kriegen.

Weiter:
Ehrlichkeit heißt: Sagen, was ist.

Die Grünen? Hahahahaha!
Ok reicht.

ppq hat gesagt…

immerhin haben sie einen raum in der parteizentrale extra so tapezieren lassen, dass er aussieht wie eine eckkneipe nach ansicht ihrer fachberater für kompetente glaubwürdigkeitskommunikation aussehen sollte

Anonym hat gesagt…

...verhöhnen Habecks Versuch, sich als bürgernaher Kumpeltyp zu inszenieren ...

Dieser Versuch und auch andere zeitigen aber Erfolg - keinen riesigen, aber einen ausreichenden.
Die Beliebtheit einer Polit(Selbstzensur) hängt fast ausschließlich von seiner Darstellung durch die sogenannten Medien ab.
Und: "Aufe Fresse?" - Wenn man die Larven erkennt, werden sie als "Prominente" ehrfürchtig/unterwürfig angehimmelt.