Samstag, 26. Juli 2025

Haken dran: Nazi-Schmierer bleibt im Amt

Hakenkreuz landtag stuttgart
Die Ermittlungen gegen Daniel Born laufen, dem SPD-Abgeordneten im Stuttgarter Landtag droht aber offenbar kein Parteiausschluss und sein Mandat darf er auch behalten.

Die Not muss groß gewesen sein, die Daniel Born fühlte. Im Landtags von Baden-Württemberg fortwährend umgeben von Nazis, Rechten und Rechtsextremisten, glaubte der 49-jährige Sozialdemokrat die gleiche Angst zu fühlen, die seinen legendären Genosse Otto Wels 1933 veranlasst hatte, eine bis heute unvergessene Rede gegen das "Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich" zu halten.  Wels einprägsame Mahnung "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht" steht seitdem für eine klare sozialdemokratische Haltung gegen Faschismus, für eine Brandmauer mit zu Dach und den Kampf gegen rechts, gegen welche Übermacht auch immer. 

Hakenkreuz im Haus des Landtags 

Stuttgart ist nicht Berlin, das offiziell und sachlich "Haus des Landtags" an der Konrad-Adenauer-Straße zwar der erste Parlamentsneubau Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg, aber kein Ort, an dem historisch bedeutsame Reden gehalten werden. Die Abgeordneten hier verdienen nicht einmal 9.500 Euro im Monat, ihre Aufwandspauschale entspricht gerade so dem Mindestlohn. Natürlich wird auch hier für geschlechtergerechte Mobilität und gegen den weitverbreiteten Eindruck gekämpft, dass der Politik die Kontrolle über die Migration entglitten ist. 

Aber meist geht es im Ländle, in dem Langzeitministerpräsident Winfried Kretzschmann die Landesvaterwürde im kommenden Jahr planmäßig auf dem Weg der Thronfolge an das frühere Krawattenmodell Cem Özdemir abgeben wird, um Verwaltungsangelegenheiten. 

Nach dem stillen Tod der Subsidiarität sind die Bundesländer, ursprünglich gemeinsam mit dem Bund Träger und Gestalter der bundesrepublikanischen Ordnung, zumeist Bittsteller in Berlin und Erfüllungsgehilfen der Anweisungen des Bundes. Ihre ureigenen Zuständigkeiten umfassen nur noch die Bildung, die Polizei, die Kultur, Landesplanung, Rundfunk und - der wichtigste und bei weitem teuerste Bereich - die eigene Landesverwaltung.

Ein Zeichen setzen 

Als es Daniel Born, studierter Jurist und bis zum Beginn seiner politischen Karriere Angestellter der Bundesagentur für Arbeit, jetzt drängte, ein Zeichen zu setzen gegen alte und neue Nazis, blieb ihm nur die geheime Abstimmung zum Oberrheinrat. 

Dabei handelt es sich nicht um den Chef eines Geheimrates, sondern um das "trinationale Parlament der Oberrheinregion", nach eigener Beschreibung eine "Versammlung der politisch Gewählten der Oberrheinregion aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz", deren 71 Mitglieder sich "mindestens zwei Mal jährlich" treffen. Dann  wird beraten, "um Stellung zu grenzüberschreitenden Themen" zu nehmen, Impulse für neue grenzüberschreitende Initiativen zu geben und "die Aktivitäten der Oberrheinkonferenz" zu begleiten.

Vierte sportliche Aktivität 

Die wiederum, nur wenige wissen das, "verbindet Regierungs- und Verwaltungsbehörden auf regionaler Ebene, bildet den institutionellen Rahmen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit" und hat gerade erst im Mai ein trinationales Fußballturnier für Mädchenteams auf die Beine gestellt. Das war schon die vierte sportliche Aktivität, die der "Koordinationsausschuss und das gemeinsame Sekretariat für den ständigen Austausch zwischen den Trägern" zusammen mit den zwölf Arbeitsgruppen und "ca. 30 Expertenausschüssen" seit 2019 initiieren konnten.

Einen besseren Platz, ein Zeichen zu setzen, konnte sich Daniel Born nicht wünschen. Also fackelte der Vizepräsident des Landtages nicht lange: Auf seinen Stimmzettel bei einer geheimen Abstimmung im Landtag, die drohte, zwei AfD-Mitglieder über die Brandmauer in den Oberrheinrat zu befördern, malte der Sozialdemokrat ein Hakenkreuz auf seinen Stimmzettel. Die Wahl war geheim, der Urheber lief kaum Gefahr, entdeckt zu werden. Beste Gelegenheit, der Welt zu zeigen, dass längst noch nicht alle Baden-Württemberger dem Durchmarsch der zeitweise in Gänze als gesichert rechtsextremistisch eingeordneten AfD tatenlos zuschauen.

Nicht im luftleeren Raum 


Born handelte allein, aber nicht im luftleeren Raum. Das Hakenkreuz hat in jüngster Zeit eine Popularität erlangt, die die in den Hochzeiten des Symbols bei weitem übertrifft. Kaum ein führendes Nachrichtenmagazin kommt mehr ohne aus. Das von Adolf Hitler angeblich persönlich aus der in Hinduismus, Jainismus und Buddhismus verehrten religiösen Glückssymbol Swastika entlehnte Hasszeichen rüttelt zuverlässig gegen alles auf, von Höcke über Trump bis Merz

Warum also nicht gegen den Oberrheinrat, dachte sich Daniel Born, als er hinter dem Namen eines der AfD-Kandidierenden ein Hakenkreuzzeichen zeichnete. Dieses Kreuz, das war dem Sozialdemokraten bewusst, ist das schwerste Geschütz im Codebuch des Antifaschismus. Es steht für Nazi-Rap aus Amerika, für Schnitzel aus der Heute-Show, mutige Verteidiger des freien Europas tragen es am Helm und für die Entsorgung von Menschenmüll

Neben dem kleinen und dem großen Hitlergruß - zwei Finger unter der Nase oder stramm ausgestreckter rechter Arm - ist das Kreuz selbst als krummer Krakel zuverlässig verfassungsfeindlich. Es rüttelt auf, es ist medial gängig und rückt die für die "Hakenkreuz-Schmiererei verantwortliche Person" (Die Zeit)  in die Nähe anderer Verzweifelter, die sich angesichts der bedrohlichen Gesamtlage nicht mehr anders zu helfen wissen als mit der Sprühdose.

Schande für das Parlament 

Wider Erwarten flog auch Daniel Born auf, trotz geheimer Wahl und anonymer Stimmabgabe. Er gestand. Doch sein Hakenkreuz-Protest wurde nicht etwa als die widerständige Tat gewertschätzt, sondern von der grünen Landtagspräsidentin Muhterem Aras als "unterirdisch" und "Schande für das Parlament" abgekanzelt. 

Die Verwendung verfassungsfeindlicher Zeichen sei eine Straftat. Auch SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sprach von einem "schwerwiegenden Fehler", die Landtagsverwaltung erstattete gar Anzeige, ohne die Hintergründe der Tat zu kennen.  Auch die Fraktion der CDU, die erst im Januar im Bundestag gemeinsame Sache mit der AfD gemacht hatte, simulierte Empörung. Der Fall sei ein "widerlicher Vorgang, der die Werte unseres Parlaments mit Füßen tritt".

Die Gründe, warum er das Hakenkreuz verwendete, dieses "Symbol des Hasses, der Gewalt und der Menschenverachtung", wie es der entsetzte CDU-Fraktionschef Manuel Hagel nennt, legte Born in einer Erklärung dar, mit der er seinen Rücktritt vom Amt des stellvertretenden Landtagspräsidenten und den Austritt aus der SPD-Fraktion ankündigte. 

Gegen die Gewöhnung 

Die zunehmende Gewöhnung an die AfD, eine "rechtsextreme, die Demokratie verachtende Partei", habe ihm keine ruhige Minute mehr gelassen. Die Folge sei eine "Kurzschlussreaktion" gewesen, die er jetzt selbst als "schwerwiegenden Fehler" ansehen, obwohl er nie die Absicht gehabt habe, den Eindruck zu erwecken, dass ein Abgeordneter der AfD das Hakenkreuz gemalt habe. Sein Anliegen sei es gewesen, zu "zeigen, dass Stimmen für die AfD egal bei welcher Wahl immer Stimmen für rechten Hass und Hetze sind."

Born bereut seine Tat, er steht zu ihr und zieht die Konsequenzen. Allein die vorab von seiner Forderung Fraktion aufgemachte Forderung, die für das Hakenkreuz verantwortliche Person solle sich nicht nur zu erkennen geben, sondern auch "umgehend ihr Mandat niederlegen", geht dem Mitglied im Präsidium der Landes-SPD, Vertreter seiner Fraktion im Landesbeirat für Akzeptanz und gleiche Rechte und Mitglied im Ausschuss für Kultus, Jugend und Sport und im Ausschuss für Landesentwicklung und Wohnen ein wenig zu weit.

Von irgendwas leben 

Von irgendetwas muss jeder leben. Auch wenn 9.300 Euro Diäten im Monat angesichts der Preissteigerungen der vergangenen Jahre nicht die Welt sind - seit 2019 erhöhte sich das Abgeordnetengehalt im Ländle nur um karge 13 Prozent - bis zur Wahl im März sind es noch acht Monate und 72.000 Euro haben und nicht haben sind schon fast 150.000. Seine Fraktion hat ihrem "Nazi-Schmierer" (Stern) nach der ersten leidenschaftlichen Aufwallung auch schon halb verziehen. 

"Für meine Fraktion und mich ist es konsequent und richtig, dass er von seinem Amt als Vizepräsident des Landtags zurücktritt und auch seinen Austritt aus der Fraktion erklärt hat", hat SPD-Fraktionschef Andreas Stoch gesagt. Von seiner ursprünglichen Forderung nach einer umgehenden Niederlegung des Mandats sofort nach dem Bekanntwerden des Täternamens ist nicht mehr die Rede. Auch ein Parteiausschlussverfahren steht nicht im Raum.

Die Ermittlungen gegen Daniel Born laufen. Das Strafmaß für das Verwenden von Hakenkreuzen kann nach § 86a StGB eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe sein.


7 Kommentare:

Trumpeltier hat gesagt…

Hakenkreuz? Aber nein doch, denn von einem Sozi/LInken an Wände geschmiert, ist das automatisch eine von der grenzenlosen Religionsfreiheit geschütze Swasika. Nur bei Rechten gelten solche exotischen Glaubenszeichen als justiziable Nazisymbole. Die deutsche Rechtsprechung ist diesbezüglich sehr übersichtlich.

Anonym hat gesagt…

Bei Linken ein häufig zu beobachtender Rückfall in die anale Phase, nichts besonderes. Was mich allerdings irritiert ist die Tatsache, dass es wohl für eine geheime Abstimmung zwei räulich getrennte Urnen gibt, für Linke und mehr oder weniger Rechte.

Die Anmerkung hat gesagt…

Bei dem Thema hat danisch wieder mal voll neben der Realität gedichtet, weil er darauf besteht, daß nur Hakenkreuz ist, was deutsches Hakenkreuz ist, also auf der Spitze drehend. Variationen davon, gerne auch mit Kringeln und rund geschliffen, seien keine.

Das ist dem deutschen Denunzianten, Staatsanwalt und Richter herzlich egal, was Danisch als Hakenkreuz definiert, da zählt nur, wieviele Nazis verurteilt wurden, unabhängig von der Form.

Anonym hat gesagt…

Er dachte sicher, dass er irgendwie einen Geschwister-Scholl-Preis dafür kriegt. Dummerweise hatten sich alle mit ihren konditionierten Reflexen (I.P. Pawlow 1897) schon festgelegt, dass es kein Widerständchen sondern ein Angriff auf Unseredemokratie war.

Die Anmerkung hat gesagt…

Horst K.
26. Juli 2025, 07:33
Nach den nächsten Bundestagswahlen (in einem halben Jahr) wird das alles aufgedeckt, gestoppt und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.

Anonym hat gesagt…

Ich hoffe doch. diese wiederliche Straftat geht in die Statistik des BKA und in die Akten des Verfassungsschutzes als "rechtsextrem" ein.

Anonym hat gesagt…

Wiederlich. einfach wiederlich.
Und, selbstverständlich geht das als rechtsextreme Straftat in die Statistik ein - kann man einen darauf lassen.