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Die Steuereinnahmen sind fantastisch hoch, der Staat ist pleite. |
Da ist er nun wirklich, der große Stimmungsumschwung. Bund und Länder haben im ersten halben Jahr 2025 fast 450 Milliarden Euro Steuern eingenommen – ein Plus von acht Prozent, und das bei schrumpfender Wirtschaftsleistung. Nicht einmal die trickreichsten US-Großkonzerne kommen auch nur die Nähe einer solchen Summe. Das Plus, das Unternehmen wie Google und Apple einfahren, bewegt sich bei etwa zehn Prozent. Hochgehandelte Firmen wie Amazon, Nvidia und Meta kommen nicht einmal in die Nähe dessen, was der deutsche Fiskus kassiert.
Der Einnahmeweltmeister
Von wegen, der Staat ist ein schlechter Unternehmer. Seit Jahren schon zeigt Deutschland, dass das Vorurteil durch nichts begründet ist. Obwohl Deutschland schon seit 2020 in eine tiefe wirtschaftliche Agonie gefallen ist, steigen nicht nur die Ausgaben, die diesen komatösen Zustand beenden sollen. Sondern gleichzeitig auch die Einnahmen, die sich verpfänden lassen, um ausreichend Geld für neue Beamte, staatliche Angestellte und - künftig - auch eine Vielzahl von Soldaten zu deren Schutz zu mobilisieren.
Die erste Zwischenbilanz von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil kann sich sehen lassen. Zwar erntet der Neuling im Amt, was er nicht gesät hat. Klingbeil, der ohne jede Berufserfahrung Deutschlands höchster Kassenwart wurde, profitiert von der Arbeit seines Vorgängers, dem sozialdemokratischen Kurzeitfinanzminister Jörg Kukies, der die Staatsfinanzen nach dem Rauswurf von Vorgänger Christian Lindner in Windereile ins Lot brachte. Doch wichtig ist: Er profitiert.
100 Milliarden mehr
Es ist genug für alle da, auch wenn das Geld hinten und vorn nicht reicht. Allein im Juni nahmen Bund und Länder fast 100 Milliarden Euro an Steuern ein. Das entspricht dem Jahresgewinn von Google und liegt nur knapp unter dem von Apple. Obwohl die wirtschaftlichen und politischen Verwerfungen kaum größer sein könnten - mit Trumps Zolldrohungen, dem Koalitionsstreit um die durchgefallene Verfassungsrichterin Frauke Brosius-Gersdorf und Russland Weigerung, den Krieg in der Ukraine zu beenden - wurden damit deutlich mehr Steuern eingenommen als im selben Zeitraum des Vorjahres, als allein die sogenannte Syltkrise den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedrohte.
Es zeigen sich hier die Erfolge einer langfristigen Weichenstellung. Dass die Gewinne des Bundesfinanzministeriums um 8,1 Prozent auf 447,6 Milliarden Euro förmlich explodieren, kommt ja nicht von ungefähr. Schon Peer Steinbrück, auch er ein Sozialdemokrat wie Klingbeil, hatte den Staat fit für die große Aufgabe gemacht, noch tiefer in die Taschen der Bürger zu greifen. Mit einem "konjunkturstützenden Haushalt" (Steinbrück) zündete der SPD-Mann den Wachstumsturbo. 20 Jahre später werden die Maastricht-Kriterien immer noch gerissen und das Wachstum ist im Minusbereich. Aber als schlimm empfunden wird das kaum mehr, bei den Parteien sowieso, bei den Bürgerinnen und Bürgern nur wenig und nicht einmal in Brüssel.
Steinbrücks Vorarbeit
Der Grund liegt auf der Hand. Für den Staat hat sich der konsequente Kurs auf die Optimierung der eigenen Einnahmen gelohnt. Bescheidene 452 Milliarden Euro Steuern kassierte der Bundesfinanzminister 2006 unter Peer Steinbrück. Auf die doppelte Summe darf Lars Klingbeil in seinem ersten Jahr als Finanzminister rechnen - auch wegen Steinbrücks Vorarbeit. Der mehr als 30 Jahre ältere Hamburger Genosse war es, der die Abgeltungssteuer erhöhte, die es Geringverdienern zwar noch schwerer macht, fürs Alter vorzusorgen. Die dem Staat aber ein sattes Plus von 47,6 Prozent bescherte. Noch stärker stiegen die Einnahmen nur bei der Erbschaftsteuer, die um 87 Prozent stieg.
Das Geld fehlt anderswo, aber nicht denselben Leuten. Seit Jahren schon steigen nicht nur die Steuereinnahmen, sondern auch die Sozialversicherung sprunghaft an. Die Reaktion darauf ist standardisiert: Der Finanzminister dringt darauf, die Steuereinnahmen zu erhöhen, indem er eine neue Steuer oder Abgabe mit fantasiereichem Namen und angekündigter segensreicher Wirkung erfindet.
Denen, die fordern, doch zur Abwechslung wenigstens mal eine einzige Ausgabe einzusparen, drohte Lars Klingbeil eben erst mit den "Leuten mit der Kettensäge": Wer vom Zurückzuschneiden, der wolle den Sozialstaat nicht "stark und zugleich finanzierbar" halten.
Außer Kontrolle
Längst ist ihnen alles aus den Händen gefallen und außer Kontrolle geraten. An der Rentenversicherung ist es am besten zu sehen. Das System, das sich anfangs selbst trug und sich allen Planungen zufolge für immer selbst hatte tragen sollen, ist durch politische Taschenspieler, die mit Sprüchen vom "stark und finanzierbar zugleich" durch die Lande zogen, vor die Wand gefahren worden.
Noch hat es nicht geknallt, aber der Rentenzuschuss ist heute schon der größte Ausgabeposten im Bundeshaushalt. Nicht viel anders sieht es bei Pflege- und Krankenversicherung aus. Und alles, was ihnen einfällt, ist die Erfindung der nächsten Pflichtabgabe. Diesmal soll "privat" vorgesorgt werden. Als würde nicht jeder Einzahler genau das für sich tun, privat vorsorgen.
Nichts mehr zu retten
Alle wissen, dass nichts mehr zu retten ist. Vielleicht wird die aktuelle Rentnergeneration noch das Glück haben, dass das Insolvenzverfahren sich noch fünf, zehn oder 15 Jahre hinauszögern lässt. Vielleicht gelingt es mit einem Trick auch noch einmal, den Einzahlern klarzumachen, dass alle weniger bekommen müssen, damit überhaupt noch jemand etwas bekommen kann. Doch der gelenkige politische Opportunismus der Parteiarbeiter verzögert das Ende allenfalls, er wird es nicht verhindern.
Trotz der höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten kann der Staat überhaupt nur noch wirtschaften, weil er sich die höchsten Schulden aller Zeiten gönnt. Selbst die Standardanwendungen des Staates - innere und äußere Sicherheit, Infrastruktur, Soziales - können inzwischen nur noch mit Hilfe sogenannter Sondervermögen betrieben werden.
Der Rest Staatskunst
Der ganze Rest Staatskunst besteht darin, den Leuten etwas vorzumachen und ihnen aller paar Tage einen Wumms, Doppelwumms, ein Wirtschaftswunder oder einen kommenden Investitionsboom vorzuturnen. Der Staat selbst benötigt gar kein Wachstum mehr. Er hat sich emanzipiert von der unangenehmen Wirklichkeit, in der jene schwäbische Hausfrau lebt, die Angela Merkel als leuchtendes Vorbild galt, so lange staatliche Sparsamkeit noch nicht wieder als "makroökonomische Verrücktheit" (Jacob Funk Kirkegaard) begriffen wurde, die das Regieren nur schwerer macht.
Anhaltende Rezession
Es wird nicht mehr besser werden, auch für den Finanzministerneuling Klingbeil nicht, der mit der soliden Erfahrung eines Zivildienstes in der Bahnhofsmission in Hannover und eines Studiums der Politikwissenschaft ins Amt kam. Durch die anhaltende Rezession (offiziell "Konjunkturschwäche") sinken die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer. Trumps Zölle stehen noch aus, auch die Frage, in welche tollen Zukunftsbranchen die Milliarden der "Made for Germany"-Offensive eigentlich fließen sollen.
Das Bundesfinanzministerium beugt unzulässiger Euphorie vor. "Konjunkturell waren zuletzt gemischte Signale zu verzeichnen", heißt es über eine Konjunktur, die es nicht gibt. Zudem erwarte man schon im zweiten Jahresquartal eine "schwächere konjunkturelle Dynamik als zu Jahresbeginn". Der Stimmungsumschwung, den Friedrich Merz "bis zum Sommer" versprochen hatte, er hat vorerst nur die Finanzämter erreicht. Und dabei wird es bleiben.
2 Kommentare:
Auch 100% Steuern würden nicht reichen um die großen Ziele zu erreichen.
der beweis ist längst erbracht
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