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Auf dem Weg zu einem großen Lost Place: Die deutsche Wirtschaftslandschaft. Abb: Kümram, Wasserfarben auf Stahlblech |
Sie flüstern es, das ungeheuerliche Wort, sie wispern es sich zu in den Werkhallen, Werkstätten und Verwaltungsbüros. Deutschlandein und deutschlandaus ist es der Begriff der Stunde, streng verboten, aber doch in aller Munde. Nakba, im Arabische النكبة geschrieben und seit mehr als 80 Jahren als an-Nakba die Legende, die das palästinensische Volk erst erschuf.
Im Deutschen übersetzt sich das Wort nicht mit "Katastrophe" oder "Unglück", sondern auch mit "Vertreibung". Damals, so sagt es heute eine Legende, die sich Kulturschaffende gegenseitig erzählen, hätten böse Juden ihre friedliebenden arabischen Nachbarn vertrieben, nachdem sie sich zuvor geweigert hatten, trotz eines Angriffes von allen Seiten einen Krieg zu verlieren. Heute meint der arabische Begriff, den sich Palästinenser erst seit 2004 Jahr für Jahr wieder als Feiertag wieder in Erinnerung rufen, die Vertreibung der deutschen Wirtschaft aus dem ehemals gelobten Wirtschaftswunderland Deutschland.
Es trifft nicht nur wenige
Es trifft nicht alle, aber es trifft auch nicht nur einige. Einer Umfrage der KPMG planen derzeit etwa zehn der deutschen Unternehmen eine Verlagerung der Produktion aus Deutschland in die USA, weitere Firmen verlegen nach Großbritannien, nach Österreich oder in die Schweiz. Auch Polen ist als neuer Standort gefragt, selbst Rumänien, eine Rumpfdemokratie mit ausufernder Korruption, entwickelt mehr Anziehungskraft als das Rheinland.
Unter denen, die gehen, weil sie glauben, keine Alternative zu haben, sind bekannte Marken wie der Werkzeughersteller Stiehl und hidden champions wie der Schmierstoffproduzent Liqui Moly. Andere kommen gar nicht erst: Der Halbleiterriese Intel baut nun doch nicht in Ostdeutschland. Der schwedische Batteriehersteller Northvolt hat es im Norden versucht, direkt vor der Haustür des damaligen Wirtschaftsminister. Aber gutgegangen ist es nicht.
Zu hoch und zu wenig
Die Energiekosten zu hoch, die Löhne ebenso. Die Steuern zudem, dazu die Abgaben und Auflagen, die bürokratischen Hürden kaum zu überspringen und wer ins Ziel läuft, der trifft dort den Fachkräftemangel. Wolfspeed ist an dieser toxischen Mischung gescheitert, der Traum vom grünen Stahl, den ArcelorMittal hatte schmelzen wollen, daran geplatzt. Sixt hat den Bau seiner Innovationszentrale in Rostock abgesagt, Dow schließt seine Anlage in Böhlen und nach der Streichung von 350 Millionen Euro für das Auctions-as-a-Service (AaaS)-Instrument der Europäischen Wasserstoffbank noch den H2-Enthusiasten durch Robert Habeck steht der gesamte aufwendig geplante Neubau eines neuen deutschen Wasserstoffnetzes infrage.
Nakba, wispert es überall. Die Firmenlenker und Unternehmenseigner sind auf der Suche nach Orten, an denen sich besser wirtschaften lässt. Das warnende Beispiel von Deutschlands letztem Solarhersteller Meyer-Burger zeigt: Wer zu spät geht, den bestraft die Pleite. Laut einer Umfrage des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) waren die Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland 2022 um 125 Milliarden Euro höher als die ausländischen Investitionen in Deutschland. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes liegen die nichtstaatlichen Investitionen heute unter denen des Jahres 2001und nur noch bei einem Drittel des Jahres 2022.
Eine Menge Zukunft
Was heute nicht gebaut wird, kann morgen nicht produzieren. Und das wird in Zukunft eine Menge sein. Bliebt das Coronajahr 2020 bei der Betrachtung außen vor, erreichten die Investitionen in Ausrüstungen und Anlagen im vergangenen Jahr einen neuen deutschen Minusrekord seit der Finanzkrise. Insgesamt waren in den zurückliegenden 35 nur 1993, 2002, 2009 und 2020 noch schlechter. Es wird nicht besser, sondern schlechter: Die Investitionstätigkeit in Deutschland "schwächele" seit dem Ende der 10er-Jahre, umschreibt es die Kreditanstalt für Wiederaufbau fast schon liebevoll. Im dritten Quartal 2024 hätten die Unternehmensinvestitionen im Land um 6,5 Prozent und die Wohnungsbauinvestitionen um
13 Prozent unter dem Niveau von Ende 2019 gelegen.
Die Nakba zeige, wie "sehr unattraktiv" (IW Köln) der Standort Deutschland auch für ausländische Firmen und ihre Investitionen geworden sei. Nach Zahlen der Bundesbank investierten ausländische Firmen 2024 nur knapp 35 Milliarden Euro in den deutschen Markt - das ist der zweitniedrigste Wert seit 2015, nur 2023 lief es noch schlechter.
Unterwegs zum Lost Place
Deutschland ist auf dem Weg zu einem großen Lost Place. Nicht gleich, aber langfristig. Die EU-Kommission tut alles, um die Situation dauerhaft zu verschärfen. Mit dem KI Act, nach Brüsseler Lesart "die erste umfassende Verordnung über KI durch eine wichtige Regulierungsbehörde", wurde die nächste technologische Innovationsstufe vorbeugend ausgebremst.
Nur KI-Modelle, die vor August 2025 bereits verfügbar waren, dürfen in der EU zumindest noch zwei Jahre ohne Genehmigung der noch zu schaffenden KI-Überwachungsbehörde genutzt werden. Alle intelligenten Assistenten, die ab sofort neu dazu kommen, sind erlaubnispflichtig. Sie müssen den strengeren Anforderungen der 113 Artikel der KI-VO genügen und sich freiwillig den vom Büro für Künstliche Intelligenz noch aufzustellenden "Verhaltenskodizes, einschließlich damit zusammenhängender Governance-Mechanismen" unterstellen.
Ende der Zukunft
Wo die KI-Investitionen anziehen und wo die wenigen, kleinen und global unbedeutenden europäischen Betreiber elektronischer Hirne ihre Zukunft sehen, ist absehbar. Als wären die hohen Energiekosten nicht ohnehin schon eine kaum zu überwindende Hürde auf dem Weg zur KI-Eigenständigkeit, arbeiten Politik und Behörden in Brüssel und Berlin eifrig nicht nur daran, die alten Industrien zu knebeln und zu knechten, bis sie endlich das Feld räumen.
Sondern auch daran, das theoretisch immerhin mögliche Entstehen neuer Branchen vorbeugend zu verhindern. "Bei Missachtung des Verbots der in Artikel 5 genannten KI‑Praktiken", heißt es im KI-Act, "werden Geldbußen von bis zu 1,5 Millionen Euro verhängt." Schon die "Nichtkonformität des KI‑Systems mit in dieser Verordnung festgelegten Anforderungen oder Pflichten" schlägt mit 750.000 Euro ins Firmenkontor. Für ein Startup, das vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gerade erst ein Taschengeld von "bis zu 3.500 € für Ihre KI-Beratung" erhalten hat, reicht das oft schon, die komplette Zukunft zu beenden.
1 Kommentar:
Bis auf jene ewiggestrigen Helden der Arbeit, die es nicht nur für eine Pflicht, sondern Ehre halten, sich selber und die halbe Welt dazu allein durch ihre hochbesteuerte Maloche zu ernähren, werden viele Freigestellte bald den lukrativen Reiz des leistungslosen Bürgeldes entdecken, das ihnen etliche Elementarkosten wie Miete, Heizung und Wasser bezahlt, ohne sich vom Sofa erheben zumüssen.
Ob die ihre viele neue Freizeit mit Weib und Kindern dann aber genießen, oder die Statistik häuslicher Gewalt aufwerten, steht jedoch auf einen ganz anderen Blatt.
Dank grenzenloser Sondervermögen könnte das erträumte bunte Schlaraffenland bald Wirklichkeit werden.
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