Verbote sind die Muskelstränge, die die Gesellschaft in Form halten. |
Es gibt keinen Grund, keinen einzigen. Es gibt keine Argument dagegen und schon gar keine Rechtfertigung, warum Verbote den schlechten Ruf ertragen müssen, den sie bei vielen druchaus verünftigen Menschen genießen. Über sie wird sich beschwert. Sie werden gefordert, aber gehasst. Sie werden versprochen und sobald das Versprechen eingelöst wird, aus vollem Herzen verabscheut.
Verbote, diese ehrbaren Wächter des Gemeinwohls, sind in den Schmuddelecken des öffentlichen Ansehens zu Hause. Es kann sie nicht nicht geben, weil sie einerseits viel zu nützlich sind, um als bloße Freiheitskiller verunglimpft zu werden. Andererseit will sie auch kaum jemand haben, weil sie dem mordenen Menschen als Bevordmundung gelten.
Niemandem ist nichts recht, wenn es darum geht, ob etwas verboten werden soll. Zudem sind Verbotskritiker darüber zerstritten, was verboten sein sollte. Lieber dies oder liebes jenes? Die einen schreien nach Rauchverboten, die anderen nach Tempolimits, wieder andere wollen die Meinungsfreiheit zähmen, während eine vierte Fraktion die Zuckerorgien in den Supermärkten stoppen will. Nie ist es genug, aber immer schon viel zu viel.
PPQ-Kolumnistin Svenja Prantl hält die Ehrenrettung des Verbots für überfällig.
Es ist ein Stück Allgemeinwissen, das niemand leugnen kann, aber keiner wahrhaben will. Verbote sind das Fundament der Zivilgesellschaft. Sie regeln, sie kanalisieren, sie sparen Leid, Blut und falsche Wahlentscheidungen, sie ersparen der Mneschheit den Klimatod und haben schon viele Tierarten vor dem Aussterben bewahrt. Trotzdem ist das Image von verboten ruiniert. Sie werden nicht geliebt, sondern verabscheut. Sie bemutterten Erwachsene, heißt es. Und seien unnötig, weil doch letztlich jeder selbst wissen müsse, was für ihn gut sei.
Was für ein Unsinn. Zum Glück erlebt die Vorstellung, dass eine Gesellschaft durch die weise Hand des Staates vor sich selbst geschützt werden muss, schon einige Zeit lang eine Rennaissance. Regierungen schnüten Maßnahmepakete. Sie rufen Messerverbotszonen aus. Sie ziehen die Zügel straff und wer ein Einsehen hat, der verliert nichts. Staaten verbieten Rauchen, Staatengemeinschaften Gasheizungen, die Weltgemeinschaft ist auf dem Weg, die Klimaerwärmung zu verbieten. Das sind gute Ansätze, die allen nützen.
Einsicht fällt schwer
Doch vielen fällt die Einsicht schwer, dass sie selbst zu schwach sind, das Richtige zu tun und das Falsche zu lassen. Kaum verkündet ein wohlmeinender Politiker das Verbot des Konsums zuckriger Sünden, erhebt sich Geschrei. Kaum geht es dem Fleisch an den Kragen, sind viele empört. Der Bundesgesundheitsminister plant den Alkoholausstieg, der Klimaschützer ein Tempolimit, das die Straßen in eine Oase der Besinnung verwandeln soll. Aber niemand will das.
Selbst Versuche, die nächste Wohlstandsexplosion durch Verzicht über weitreichende Verbote von Verschwendung herbeizuregieren, fiel bei den Bürgern durch. Natürlich, die Bundesregierungen unterschiedlicher Farben versuchen seit Jahren, über ein Generalverbot zur Nutzung falscher Nachrichtensender und die weitreichende Untersagung von Regierungskritik vorbeugend Raum für Verbote zu schaffen.
Positivistisch zum Verbot verhält sich das Gebot: Ein Eintopf. Eine Wärmepumpenpflicht. Stabile Einnahmen für dei Grundversorgung mit kontrollierten Meinungen. Viel hilft viel. Aber alles nützt nichts, wenn es nicht gelingt, dem Verbot seinen schlechten Ruf zu nehmen. Nach den Jahren der Ampel-Koalition, die dien strikten Kurs der von der Ostdeutschen Angela Merkel geführten CDU-Kanzlerin mit der Vorliebe für eine Engführung aller Prozesse aus dem Kanzleramt fortsetzte, gilt es für das schwarz-rote Bündnis, Verbote vom Ruch des Übergriffigen zu befreien.
Verbote als Wohnstandsursache
Kein einfaches Unterfangen, aber eins, bei dem mit Fakten gearbeitet werden kann. Kein Deutschland früherer Tage hat so viel Wohlstand genossen wie heute, keins war weltweit so anerkannt oder so umweltfreundlich und klimaneutral. Die so oft beklagte Bevormundung durch immer mehr und immer vielfältigere, ehrgeizigere und weitreichendere Verbote hat die Berliner Republik zu einem Ort gemacht, der auf dem richtigen Weg ist.
Gerade das Umschwenken von allgemeinen auf präzise Verbote wirkt. Feinmaschig ist das Netz der Gebiete, in denen Kriminalität verboten ist, in denen keine Waffen getragen werden dürfen oder Feuer nur auf Antrag gestattet sind. Wie beim Rauchverbot, einem der ersten Projekte der modernen Überzeugungskultur, sind die Erfolge zu sehen: Wo einst Qualm die Lungen füllte und die Kneipen in Nebel hüllte, herrscht nun klare Luft, und die Gesundheitskosten sinken wie der Nikotingehalt in den Blutbahnen der Raucher, die ihr Laster aufgegeben haben.
Ideologen machen Stimmung
Ein Tempolimit hätte hier längst in ähnlicher Weise wirken können. Doch aus ideologischen Gründen schrecken bisher alle Verantwortlichen davor zurück, mit einem Verbot des Schnellerfahrens all die Unfallzahlen schrumpfen und den CO₂-Ausstoß sinken zu lassen. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, bis das Verbot kommt, gut erklärt wie die Wärmepumpenpflicht und für jeden nachvollziehbar. In Brüssel wird dem Vernehmen nach darüber nachgedacht, die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 Kilometer pro Stunde europaweit per Verordnung anzuweisen. Es wäre ein Geniestreich, der die fossilen Raser in die Schranken weist, der Bundesregierung aber nicht schadet.
Auf dem Weg ins Paradies
Annehmen, was angeordnet wird. Erdulden, was nach einem Verbot verzichtbar ist. Nicht alle Schichten der Bevölkerung sind schon so weit, dass sie ihr Schicksal annehmen und still dem folgen, was das Beste für sie ist. Die Einsicht aber setzt sich durch: Das Verbot der Fels, auf dem die moderne Gesellschaft gebaut ist. Ihre Religion ist die Regulierung, ihr Glaube wurzelt in der Überzeugung, dass die Schwächen des Menschen nur erkannt und verboten werden müssen, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen.
Ein Stück der langen Strecke ins Paradies von Vielfalt und Gleichheit ist zurückgelegt. Wenn der Staat die Weichen weiter richtig stellt, wird Deutschland wie auf Schienen in die Zukunft rollen. Die Welt wird ein Wunder schauen und ihm nacheifern wollen, Verbot für Verbot. Das deutsche Verbotswesen, bekämpft und bekrittelt, wird zum globalen Vorbild.
Im bürokratischen Takt
Es ist noch genug da, das bis dahin verboten werden kann. Die sprichwörtliche letzte Zigarette ist noch nicht geraucht, der letzte Schluck Cola nicht getrunken, der letzte freche Witz an der Regierung noch nicht abgestraft. Zwar sind die Rufe nach Lenkung und Leitung der Massen seit dem Ende von Rot-Grün-Gelb leiser geworden, doch der Glaube, das mehr Verbote mehr nützen als weniegr, er ist von keiner Realität zu erschüttern. Regierungen und ihre Apparate, aber auch Behörden wie die EU-Kommission sind im Amt, um etwas zu tun. Und der einfachste Weg, einen Tätigkeitkeistnachweis zu erbringen, ist es stets, Menschen zu verbieten, etwas zu tun.
Mehr Verbote sind damit ein Naturgesetz, das objektiv wirkt. Damit alles seinen geregelten Gang geht, braucht es neben dem Verbot freilich strenge Überwachung. Ein Messerverbotszone taugt nichts ohne Videobeobachtung. Ein Barzahlungs- und Geldabhebeverbot muss durch ein Vermögensregister flankiert werden. Der Marsch aus der selbstverschulden Unmündigkeit hat in die Irre geführt, das ist heute klar. Kein normaler Mensch kann die Freiheit der Verantwortung für sich selbst tragen. Jeder und jede brauchen staatliche Leitung und Führung, um nicht in die Irre zu gehen.
Was muss, das muss
Mit dieser Erkenntnis muss sich die Verbotsfeindlichkeit verflüchtigen. Wer nach der in all den Jahren von Spaßgesellschaft und Neoliberalismus noch das Lied von der Mündigkeit singt und behauptet, der Mensch könne ohne staatliche Gängelung besser leben, der ist auf dem völlig falschen Dampfer. Die leere Freiheitsrhetorik hat ihre Untauglichkeit bewiesen. Jetzt ist das Verbot dran, härter und strenger, fürsorglicher und umarmender.
Die Corona-Zeit hat gezeigt, was Menschen alles mit sich machen lassen, ohne mehr Widerstand zu leisten als ein wenig halblautes Murren. Das Verbot, auf einer Parkbank zu sitzen, die eigene Mutter zu besuchen oder ungeimpft zu arbeiten, war ein Experiment, auf dem sich aufbauen lässt. Mit einer Durchregulierung der Zulässigkeit von Meinungsäußerungen bis zu der Begrenzung der Auswahl erlaubter Medien bleibt nun kein Lebensbereich von der neuen Verbotskultur unberührt.
Sich sträubende Bürger
Natürlich: Wie immer sträuben sich die Bürger, die Schlagzeilen toben, die Kommentarspalten kochen über. Freiheitsberaubung!, rufen die einen. Über "Bürokratie-Wahnsinn!", schimpfen die anderen. Doch die Erfahrung lehrt, was geschieht, sobald eine Regel in Kraft tritt? Die Deutschen kaufen eine Bahnsteigkarte. Die Wogen glätten sich, die Empörung verpufft, und die Gesellschaft atmet auf, erleichtert, dass der Staat die Zügel fest in der Hand hält.
Die innere Einstellung, so sagt der Medienwissenshcaftler Hans Achtelbuscher, müsse "verbotsbereit" sein, um Freude an diesen speziellen Geschenken des Stataes zu haben. In einer Studie haben Psychologen um den Chef des An-Institutes für Angewandte Entropie an der Uni Frabnkfort/Oder aufgezeigt: Verbote, so schmerzhaft sie vor ihrer Einführung scheinen, verlieren ihren Schrecken, sobald sie gelten. Es setze Gewöhnung ein, recht schnell. Die kollektive Bockigkeit - in der Wissenschaft nennen sie es "Reaktanz" - legt sich, weil der allgemeine Nutzen für alle die persönlichen Einschränkungen überwiegt.
Nur anfangs ein Skandal
So war die Anschnallpflicht in 70er-Jahren anfangs ein Skandal, ein Angriff auf die Autonomie des Autofahrers, ein Symbol für den übergriffigen Staat. Daraus geworden ist ein selbstverständlicher Klick, bevor der Motor startet. Oder die Rauchverbote in Gaststätten: Damals ein Aufschrei, ein Angriff auf die Lebensart, ein Todesstoß für die Kneipenkultur.
Heute überall dort ein Segen, wo Kneipen überlebt haben. Selbst die Impfpflicht in Pandemiezeiten, einst ein rotes Tuch für die Freiheitsfanatiker, wäre zur Normalität geworden, die nur die nicht akzeptieren, die sich außerhalb der Gesellschaft stellen wollen. Klug beließ es der Staat bei einer Ankündigung, nachdem das erwiesen war. Es muss nicht immer alles im ersten Anlauf verboten werden. Wenn der Widerstand zu groß ist, heißt es klug sein und abwarten. Geht die Regelung später durch, bleibt ein "War doch gar nicht so wild" zurück.
Wiedergeburt eines verschlissenen Prinzips
Es sind üble Absichten, die hinter den Versuchen stecken, all die Bemühungen der Politik um eine straffe zentrale Lenkung, um die Eindämmung schädlicher Verhaltensweisen und das Festschreiben verbindlicher gesellschaftlicher Tugenden mit dem Begriff "Freiheitsberaubung" zu diskreditieren. Die Kreise, die das tun, nutzen die krude Argumentation, um die Föürsorge des Staates als bürokratische Verbotskultur anzuschwärzen, obwohl nur Verhaltensweisen verboten werden, die Individuen treffen, deren Tun und Lassen allen schadet.
Unterdrückung ist das nicht, sondern der Versuch, bürokratische und ordnungspolitische Vorgaben zu nutzen, eine solidarische Ordnung durchzusetzen. Die Kritiker der Verbote, diese lautstarken Verfechter der individuellen Freiheit, übersehen eines: Ohne Verbote wäre die Gesellschaft ein Chaos, ein Dschungel aus Egoismen, in dem der Stärkere den Schwächeren überfährt – ohne Tempolimit wären alle tot. Ohne Klimavorgaben müssten alle den Hitzetod sterben. Und ohne Kontrolle der Meinungsfreiheit gäben Milliardäre aus den USA und russische Bots vor, was gedacht und gesagt werden darf.
Sumpf aus Desinformation
Wer aber will in einem Sumpf aus Desinformation leben, die weder von deutschen noch von EU-Experten geprüft worden sind? Nein, ein bisschen Bevormundung
muss sein. Verbote sind kein Angriff auf die Freiheit, sondern ein Geschenk des Staates, der weiß, was gut ist. Verbote sind die Schienen, auf denen die Wertegemeinschaft des Westens in eine klimafreundliche, gesunde und sozial gerechte Zukunft gleitet. Wer sie verteufelt, verwechselt Fürsorge mit Unterdrückung. Die Geschichte beweist, dass die Ordnung mit jedem neuen Verbot wächst, die Reaktanz schwindet und die Bereitschaft der Gesellschaft zunimmt, Vater Staat die Zügel in der Hand halten zu lassen und einfach mitzumachen.
Die alte Leier der Freiheitsapostel, die glauben, der Mensch sei am besten dran, wenn er tun und lassen kann, was er will, wird eines Tages niemand mehr hören wollen. Denn der Mensch ist schwach, fehlbar und getrieben von kurzfristigen Gelüsten. Ohne den Staat, der mit strenger Hand eingreift, würde die Gesellschaft zum Tollhaus, ein Ort, an dem die Freiheit des Einzelnen zur Fessel des Ganzen wird.
Ein Schiff ohne Ruder
Ohne Verbote wäre das Land ein Schiff ohne Ruder, das Volk eins ohne Richtung. Jedes einzelne ist ein Baustein für eine bessere Welt ohne die Illusion der individuellen Freiheit und das Märchen, dass der Mensch ohne Zügel das Richtige tut. Die Einsicht, dass nur der Staat mit seiner unermüdlichen Regulierungswut den Menschen vor sich selbst retten kann, steht am Anfang der Einsicht, dass es gut ist.
In einer Welt, die am Abgrund steht, sind Verbote nicht die Fesseln der Freiheit, sondern die Flügel des Fortschritts, auf denen sich die Gesellschaft aufschwingt in neue Höhen.
1 Kommentar:
" An diesem Strand Tiere baden verboten!" bedeutet im besten aller Detschlands, dass die Wasserqualität den Lieblingen von Herrchen und besonders Frauchen gesundheitlich schaden könnte.
Ein Badeverbot für alte wie junge Menschen hat die Bürokratie aus bestimmten Gründen nämlich nicht befohlen.
Kommentar veröffentlichen