Marcel Fratzscher ist ein sehr lauter Egonom.
Sie haben ihn alle bitterernst genommen. Seine satirischen Bücher wurden in der Politik diskutiert, als enthielten sie die Handlungsanweisungen, die aus Deutschland wieder ein Land machen können, das "einfach funktioniert". Meldete er sich zu Wort, waren seine Einlassungen Offenbarungen für ein geschundenes, an sich selbst zunehmend verzweifelndes Gemeinwesen, dem der Wohlstand durch die Finger rann und das so lange stolz gepflegte Selbstbewusstsein mit jeden Tag verschrumpelte wie ein alter Apfel.
Gegen Missmut und Verzagtheit
Marcel Fratzscher stemmte sich gegen Missmut und Verzagtheit. Er rief den Menschen Dinge zu, die viele kaum glauben wollten. Niemand müsse Angst vor der Inflation habe, sagte er, denn die sei gut und wichtig, weil sie helfe, die Gesellschaft grün zu transformieren. Sorgen um die Rente? Keiner müsse haben, denn die vielen, vielen Flüchtlinge seien eigens gekommen, um "die Renten der Babyboomer zu zahlen".
Die Finanzprobleme des Staates gedachte der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung auszuräumen, indem Bürgerinnen und Bürger dem Staat aus ihrem Erspartem Kredit geben. Der Staat werde es ihnen mit den hohen Renditen vergelten, wie die reparierte Brücken, schicke Schultoiletten und geflickte Landstraßen regelmäßig abwerfen. Auf denen, hat Fratzscher abschließend beschlossen, werden dann Elektrofahrzeuge verkehren, ausschließlich. "Nein, nein und nein", ließ er die Mneschen im Lande wissen, "die Zukunft des Autos ist nicht fossil, diese haben weder ökologisch noch ökonomisch einen Platz". Und ein Festhalten an "dieser Technologie", wie er Benzin- und Dieselfahrzeuge angeekelt nennt, werde Arbeitsplätze und Wohlstand in Deutschland "zerstören, nicht sichern".
Kernkompetenzen eines Allesexperten
Arbeitsplätze und Wohlstand sind nun gerade die beiden Kernkompetenzen des Allesexperten. Im Mangel an Arbeitskräften sieht Marcel Fratzscher zum Beispiel "eine Chance für Qualifizierungsoffensiven und für Investitionen in eine produktivere Arbeitskraft", kein Phänomen, dass es erleichtert, die Arbeitslosenraten trotz zerstörter Arbeitsplätze niedrig zu halten.
Marcel Fratzscher hat herausbekommen, wie sich Kinderarmut leicht und günstig reduzieren lässt, indem "eine grundlegende Reform des Kindergelds zur Kindergrundsicherung" dafür sorgt, anspruchsberechtigten Familien den Zugang zu Mitteln erleichtert wird. Je höher die "Inanspruchnahme", desto besser. Ein "einfacher, bedarfsorientierter Ansatz", "bei dem der Staat eine "Bringschuld" hat statt der bisherigen "Holschuld" der Eltern", ergaben seine Forschungen, wäre ideal.
Es wird nicht mehr lange dauern, dass Marcel Fratzscher eine ähnlich bequeme Lösung für alle ins Spiel bringt, die durch mangelnde Elektrifizierung des Verkehrs, fehlende Zuwanderung, den Mangel an Generationengerechtigkeit, die schwache digitale und ökologische Transformation und eine dysfunktionale Finanzstruktur gezwungen sind, von den guten Gaben des Staates zu leben. Laut Fratzscher hat Deutschlands Wirtschaft kein kurzfristiges konjunkturelles Problem, sondern ein grundsätzliches: Der Klimawandel sei schuld an der endlose scheinenden deutscher Wirtschaftskrise.
In seiner eigenen Welt
Manches deutete darauf hin, dass da einer sprach, der in seiner eigenen Welt lebte. Ein Haltungsökonom, dem die Realität nichts ausmacht, weil er seine Vorhersagen im Fall der Fälle an neue Gegebenheiten anpasst. Die große Inflationschance wird dann zu schrecklichen Bedrohung. Der gesellschaftliche Fortschritt zeigt sich nicht im Schrumpfen der Wirtschaft, sondern dadurch, dass "die Verantwortung für die Misere bei Politik und Unternehmen liegt – nicht bei den Arbeitnehmern". Aus dem Versprechen, Flüchtlinge würden bald die Renten ihre Gastgeber zahlen, wurde die Ansage, dass die Gastgeber länger arbeiten müssten, um weiter für den Unterhalt der Flüchtlinge aufkommen zu können.
Der nach seinem Berliner Erfinder "Fratzschern" genannte Sprachakt der Selbstdarstellung ist der wichtigste Teil einer Denkschule, die die gesellschaftliche Vergesslichkeit als Grundlage ihrer Überzeugungskraft nutzt. Erst vor einigen Wochen hatte der 54-Jährige mit einem Doppelschlag für Aufsehen gesorgt: Einerseits sollten Ältere, die ihr Leben lang hart gearbeitet haben, von ihrer oft nur knapp auskömmlichen Rente einen Zehnten abgeben, um noch ärmeren Altersgenossen auszuhelfen. Andererseits sollten die Angehörigen dieser Altersgruppe nach Eintritt in den Ruhestand nicht die Hände in den Schoß legen dürfen, sondern zuvor per Seniorenpflichtdienst ein Jahr lang weiter beim "Wiederaufbau Europas" (EU) helfen müssen.
Wenig Einsicht bei Betroffenen
Betroffene zeigten wenig Einsicht. Sie hätten doch als junge Leute schon Wehr- oder Wehrersatzdienst geleistet, behaupteten sie. Ältere Frauen verwiesen darauf, dass sie damals noch relativ häufig Kinder bekommen hätten, häufiger jedenfalls als gleichaltrige Frauen heute. Und die sozialen Maßnahmen seien seinerzeit keineswegs so kommod ausgestaltet gewesen wie heute.
Marcel Fratzscher aber hatte ein Buch zu verkaufen, ein Buch mit dem schönen Namen "Nach uns die Zukunft", in dem er einen "neuen Generationenvertrag für Freiheit, Sicherheit und Chancen" anpries. Dessen Voraussetzung sei allerdings eine vorhergehende einseitige Kündigung des bisherigen Generationenvertrages, nach dem Menschen arbeiten, in die Rentenkasse einzahlen und später, wenn sie selbst Rentner sind, ihre erworbenen Ansprüche als Rente ausbezahlt bekommen.
Das Buch läuft gar nicht gut. Kaum einer liest es, trotz einer Nominierung für den Deutschen Wirtschaftsbuchpreis, zu dem die herausgebenden Verlage selbst bis zu drei Werke aus ihrem Programm einreichen dürfen. Amazon Bestseller-Rang 130.534 ist ernüchternd. Fratzscher tingelte also mit seinen Ideen von "Boomer-Soli" bis Seniorensolidarjahr. Zumindest bis klar wurde, dass aufgrund der russischen Bedrohung auch die Bundeswehr Anspruch auf die greisen Kameraden aus den Zeiten der letzten deutschen Massenheere erhebt.
Er ist die absolute Mehrheit
Die Irritation beim derzeit berühmtesten deutschen Wirtschaftswissenschaftler, 2002 in Florenz mit einer Arbeit namens "On the growing economic interdependence in a global economy" promoviert, hielt nicht lange an. Seine Vorschläge einer Strafsteuer für Senioren und eines Sonderdienstes für Alte und gesundheitlich Angeschlagene hat er nicht zurückgezogen. Sondern sich etwas überlegt, um den noch vorhandenen Widerstand in dieser mächtigen, weil zahlenmäßig großen Wählergruppe niederzukämpfen.
Im Podcast "Absolute Mehrheit", einem Angebot des Rundfunkgrundangebots ARD, schlug er vor, dann doch einfach älteren Menschen das Wahlrecht zu entziehen. "Wenn Menschen in den ersten 18 Jahren nicht wählen dürfen, dann sollten sie in den letzten 18 Jahren ihres Lebens auch nicht wählen dürfen", sagte der Egonom, dem selbst Verfassung und Grundrechte nicht zählen, wenn es um eine schlagzeilenträchige Reformidee geht.
Alle gegen alle
Das Talent des in Berlin lehrenden und forschenden Wissenschaftler, Jung gegen Alt, Stadt gegen Land, Ost gegen West und Sparer gegen Komplettausgeber aufzubringen, ist einzigartig. Fratzscher hat in Oxford, Harvard und Cambridge studiert, auch wenn seine ökonomisch unsinnigen Vorschläge es kaum vermuten lassen.
Der Forscher ist überzeugt, dass längeres Arbeiten die Effizienz steigert, dass ein Alterseinkommen unterhalb der Armutsgrenze noch einmal extra besteuert werden sollte und dass es für alle Generationen ab sofort "neue Rechte und Pflichten" braucht. Wobei die Pflichten feststehen. Und die Rechte daraus, dass jeder seine Pflicht erfüllen darf. Ohne zu Maulen. Und ab 18 Jahre vor seinem Ableben auch ohne noch ein Wahlrecht zu haben.
Berechneter Todeszeitpunkt
Wie genau Fratzscher mit knapp zwei Jahrzehnten Vorlauf den Todeszeitpunkt jedes Menschen errechnen will, hat er noch nicht verraten. "Ab 70", denkt er, sollte er Verlust des Wahlrechts greifen - mit Fakten und Statistiken hat Fratzscher es nicht so, sonst wüsste er, dass die durchschnittliche Lebenserwartung für Frauen in Deutschland bei 83,5 und für Männer bei 78,9 Jahren liegt. Erstere wären also mit dem Erreichen ihres 65. Lebensjahrs von Wahlen auszuschließen. Letztere bereits ab 61.
Mit dem aktiven Wahlrecht müssten sie selbstverständlich auch das passive verlieren - ein Kanzler Merz (69), ein Verteidigungsminister Pistorius (65) und ein Außenminister Johann Wadephul (62) wären dann nicht mehr möglich. Die Politiker dürften nur noch "jeder frei wählen, was er machen möchte, um sich ein Jahr nochmal für die Gesellschaft nach Renteneintritt zu engagieren."
Aufschrei des Entsetzens
Ein Aufschrei des Entsetzens ging durchs Land. Wieder waren es die Alten, die sie lauthals empörten. Was sei denn das für eine Demokratie, die Grundgesetz Art.3 und den Satz "Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich" so interpretiere, dass einige gleicher sind und andere noch. Kein Wahlrecht mehr, weil man alt ist. Aber 2.000 Euro steuerfrei, weil mal alt ist?
Mit dem hohen Maß an Unverständnis, das ihm aus einer Gesellschaft entgegenschlug, die für die Umsetzung des Konzepts von Gleichheit durch Ungleichheit noch nicht bereit ist, hatte Marcel Fratzscher nicht gerechnet. Schlimmer noch als nach seinem Sondersteuervorschlag für Senioren und dem Zwangsdienst für Langgediente prasselten Vorwürfe auf den Egonomen ein.
Enthemmte Wutrentner
Arrogant sei er und anmaßend, ihm fehle es an fachlicher Kompetenz und seinem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung solle es am besten möglichst bald an den bisher freigiebig fließenden öffentlichen zur Finanzierung der Erforschung solcher Quatschvorschläge fehlen, wünschten sich enthemmte Wutrentner.
Fratzscher hat sich daraufhin offenbart. Erstmals seit der Makroökonom vor 15 Jahren ins Licht der Öffentlichkeit trat, hat er seine Rolle als Wissenschaftler, Forscher und Politikberater verlassen und einen seiner Ratschläge selbst als derben Spaß geoutet. Der Egonom enttarnte sich als Pausenclown. Sein zugespitzter Vorstoß zum Entzug des Wahlrechts für Ältere doch nur "Humor" gewesen - und überdies gar nicht seine Idee, sondern eine der damals noch anarchischen Kleinstpartei Die Partei.
3 Kommentare:
Fratzscher bei einem stereotypischen Nischen-Podcast mit einem stereotypischen Host (schwul?), alles ungefragt aus dem Portemonnaie der Steuerzahler finanziert. Die haben dort das Spitzenpersonal von Merz bis Wagenknecht (eh gleiche Kategorie).
https://youtu.be/92tLWtZwUJ4
Keine Sehempfehlung.
Kommentare:
@b.o.1888
Er macht seit vielen Jahren eine tolle Arbeit, die Vorschläge sind wirklch gut:)
@HeinrichDerr-oh9zg
Vermögenssteuer jetzt!
@marleneheinemann4433
Jetzt habe ich Dank der ausführlichen Erläuterungen die Vorschläge besser verstanden und kann zustimmen.
OT
Nach der Tat in Herdecke sind neue Details bekannt. Offenbar wollte die Tochter der neu gewählten Bürgermeisterin sie anzünden.
The chicken are coming home to roost.
Als importiertes (gekauftes?) farbiges Bereicherungskind darfst du deine hiesige grünrote Neumutti mit dem Spraydosenflammenwerfer grillen und mehrfach messern ohne festgenommen zu werden.
Du musst laut Staatsanwaltschaft lediglich zeitnah die Rettung angerufen heben, denn das bedeutet quasi Rücknahme der Tat, oder so.
Aber wehe, du teilst die Karikatur eines Schwachkopfes.
Der deutsche Justizapparat 80 Jahre danach.
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