Dienstag, 21. Oktober 2025

Europas Einheitsstecker: Einer für alles

Schon in Kürze müssen sich alle EU-Geräte mit allen EU-Ladesteckern aufladen lassen. Das spart erneut Milliarden, mit denen die Gemeinschaft die weltweite Innovation vorantreiben kann.

Es ist ein weiterer Anfang, mit dem die EU weltweit ein unübersehbares Zeichen setzt. Noch läuft eine Übergangszeit, noch dürfen Nutzer traditioneller Ladegeräte und Netzteile ihre gewohnte Technik noch einige Zeit nutzen. Doch ab Ende 2028 müssen dann alle externen Netzteile in der Gemeinschaft der 27 EU-Staaten die strengeren Ökodesign-Vorgaben erfüllen. Mit denen hatte die EU-Kommission schon im vergangenen Jahr sichergestellt, dass Produkte länger halten und Energie und Ressourcen effizienter nutzen.  

Dazu müssen sie auch, so hatte es Maroš Šefčovič, damals noch Exekutiv-Vizepräsident für den europäischen Grünen Deal, vorgegeben, leichter repariert und recycelt werden können und die chinesischen Hersteller mehr recycelte Materialien verbauen.

erfolgreiche Fortschritte 

All diese Vorgaben waren Teil der neuen EU-Verordnung 2024/1781, die am 18. Juli 2024 in Kraft trat und die bereits sehr erfolgreiche erste Ökodesign-Richtlinie ersetzte. Während die meisten Bürgerinnen und Bürger die gemachten Fortschritte fast schon für selbstverständlich nahmen, hatte die Kommission selbst in Euro und Cent errechnen lassen, wie die 440 Millionen EU-Europäer von den strengeren Vorgaben profitierten: Nach offiziellen Angaben der EU-Vertretung in Deutschland konnten EU-Haushalte durch das Ökodesign-Regelwerk im Durchschnitt mehr als 200.000 Euro pro Jahr einsparen.  

Sparsame Staubsauger, nachhaltige Elektrorasierer und per USB aufladbare Kofferradios waren die  Grundlage eines neuen Wohlstandes durch die Verbesserung der Energieeffizienz von Produkten. Zugleich zeigte die Ladentheke der Weltwirtschaft, welche Macht ein von auswärtigen Produzenten vollkommen abhängiger Kunde hat. Selbst der Hightech-Gigant Apple musste sich der EU-Auflage beugen, seinen Lightning-Anschluss in Rente zu schicken, um eine größere Einheitlichkeit an der Steckdose zu ermöglichen.

Alle können alles einführen 

Seitdem können Apple-Nutzer auch Android-Ladekabel einführen, andersherum ist es ebenso, zumindest bei den modernen Geräten des Herstellers aus dem kalifornischen Cupertino. Der Druck auf den Riesen hat sich bezahlt gemacht. Perspektivisch ist der von der EU präferierte USB-C-Schluss alternativlos. Dabei soll es jedoch nicht bleiben. In der nächsten Stufe der Umsetzung des Ökodesigns als Beitrag der größten Staatengemeinschaft der Menschheitsgeschichte zum technologischen Fortschritt startet jetzt die Regulierung der Netzteilfrage. 

Auch hier will die EU-Kommission den Weg zu mehr Einheitlichkeit und weniger verschiedenen technischen Lösungen ebnen. Sobald die Regeln in Kraft treten, muss jedes USB-Ladegerät mindestens einen USB-C-Anschluss besitzen und auch mit abnehmbaren Kabeln funktionieren. Alle Netzteile müssen zudem höhere Energieeffizienzstandards erfüllen. Eine Effizienz von zehn Prozent Lastbetrieb gilt als Mindestanforderung.

400 Millionen Neugeräte 

Das hat ungeheure Marktsetzungsmacht, denn Europäerinnen und Europäer kaufen nach EU-Angaben Jahr für Jahr rund 400 Millionen Netzteile. Die neuen Regeln betreffen Ladegeräte für Laptops, Smartphones, WLAN-Router und Monitore - die etwa 15 Milliarden Altgeräte, die im Moment noch zum Betrieb von Handys, Kameras, Tablet, Audioanlagen oder Smartwatches benutzt werden, sollen nach und nach verschrottete und durch neue Netzteile ersetzt werden. Für die müssen die chinesichen Hersteller künftig detaillierte technische Dokumentationen bereitstellen. Zudem ist vorgeschrieben, dass an allen USB-C Anschlüssen die maximale Leistung angegeben werden.

Für Verbraucher soll sich das auch finanziell lohnen. Die EU-Kommission hat diesmal eine Ersparnis von rund 100 Millionen Euro errechnet. Verteilt über den Planungszeitraum bis 2035 sind das zehn Millionen Euro im Jahr, also rund zwei Cent pro Jahr und Kopf jedes einzelnen Bürgers. Die Summe kommt zustande, weil nach EU-Angaben bis 2035 "rund drei Prozent Energie eingespart werden". Drei Prozent wovon, teilte die Kommission nicht mit, allerdings entspräche die Menge an Strom "dem jährlichen Verbrauch von etwa 140.000 Elektroautos". Zudem würden die neuen Ladegeräte "die Treibhausgasemissionen um neun Prozent und Schadstoffe um 13 Prozent reduzieren". 

Green-Deal-Titel fällt weg 

Nach dem Wegfall des Titels des EU-Kommissars für den Green Deal ist in Brüssel mittlerweile der Kommissar für Energie und Wohnungswesen, Dan Jørgensen, zuständig für die Maßnahme. Der dänische Sozialdemokrat ist überzeugt, dass die "praktische Änderung den Europäern helfen werde, Geld zu sparen und zu beweisen, dass Innovation sowohl Fortschritt als auch Verantwortung bedeuten kann". Gemeinsame Ladegeräte für "Smartphones, Laptops und andere Geräte, die wir täglich benutzen" seien "ein kluger Schritt, der die Verbraucher in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig Energieverschwendung und Emissionen reduziert". 

Dass nach wie vor jedes Gerät zumindest theoretisch ein eigenes Ladegerät benötige, weil Verbraucher unter Umständen gezwungen sein können, mehrere Geräte gleichzeitig zu laden, haben EU-Kommission, EU-Parlament und EU-Rat in der verschärften Ökodesign-Richtlinie berücksichtigt. Besitz und paralleler Betrieb mehrerer Ladegeräte bleiben vorerst erlaubt. Erst in der nächsten Verschärfungsstufe könnte eine Beschränkung des Besitzes von Ladegeräten auf eine Kabel/Netzteil-Kombination erlassen werden. 

Wird Mehrbesitz strafbar?

Mehrbesitz würde dann allerdings nicht sofort strafbar. Nach dem Vorbild der Amnestielösung nach der letzten Änderung des deutschen Waffengesetzes, die es erlaubte, eigene Waffen wie Taschenmesser und Schreckschusspistolen, die illegal geworden waren, straffrei abzugeben, wäre eine ähnliche Regelung auch für den Überbesitz an dann verbotenen Ladegeräten denkbar. 

Das Ziel lohnt die Mühe allemal, denn mit ihrer Initiative für einheitliche Ladegeräte will "die EU eine Zukunft gestalten, in der die Technologie für alle und für den Planeten besser funktioniert", so Jørgensen.  Zugelassen werden künftig nur noch Netzteile, die das - noch zu schaffende  - neue EU-Logo für einheitliche Ladegeräte tragen. Das werde, hat der studierte Politikwissenschaftler Jørgensen bestätigt, auch die Kompatibilität zwischen Geräten und Netzteilen auf einen Blick erkennbar machen. 

Was wo reinpasst, ist dann keine Frage von Versuch und Irrtum mehr. Durch diese ergänzende Kennzeichnungsregelung zur Vereinheitlichung der Ladeanschlüsse würden EU-Europäer bis zum Jahr 2100 rund 200 Milliarden Stunden Gefummel an Netzteilen sparen. Beim derzeitigen EU-Durchschnittsstundenlohn ergibt das eine Mehreinnahme von 4,36 Billionen Euro. Viel Geld, für das die EU bereits eine gute Verwendungsmöglichkeit gefunden hat.


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