Montag, 3. November 2025

Die Abhänger: Erben in der sozialen Hängematte

Ältere und sogar Jüngere lassen sich in die soziale Hängematte fallen, sobald ihnen ihre finanzielle Versorgung die Möglichkeit dazu gibt. Eine Initiative engagierter Ökonomen fordert jetzt strenge Maßnahmen gegen Bummelanten. Abb: Kümram, Öl auf Sperrholz

Sie lassen sich mit der Geburt ins gemachte Nest fallen, später erben sie und liegen in der sozialen Hängematte, die Papa und Mama, Opa und Oma aufgespannt haben. Oft erben sie später auch noch, was ihnen ihre Altvorderen zugedacht haben. Für die Gesellschaft ist das ein wachsendes Problem. Wie eine aktuelle Untersuchung von Schweizer Wissenschaftlern der Universität Lausanne und der ETH Zürich nachweist, verstärken Erbschaften den Wunsch Älterer, frühzeitig in den Ruhestand zu treten. Das Arbeitsangebot werde dadurch deutlich gesenkt.  

Sie entziehen sich 

Der Zusammenhang ist erwiesen: Wer erbt, reduziert eher seine Arbeitszeit oder hört sogar ganz auf zu arbeiten. Besonders stark sei der Effekt von Erbschaften auf die Arbeitszeit nach Angaben der Wissenschaftler bei älteren Arbeitnehmern. Selbst nach nur 30, 40 oder 45 Jahren im Arbeitsprozess sehen sie in der finanziellen Sicherheit, die ihnen eine zufallende Erbschaft gibt, eine Möglichkeit, sich in die Rente zurückzuziehen. Wer es sich leisten könne, kürzerzutreten, tue das oft, ohne Rücksicht auf seine Verantwortung der Gesellschaft gegenüber zu nehmen. 

Kein Wunder also, dass die deutsche Wirtschaft seit Jahren nicht aus dem Tief kommt. Obwohl der Fachkräftemangel anhält, verschärfen die Erben ihn durch ihren massenhaften Renteneintritt. Versuche, den Trend mit einer Extraabgabe für Babyboomer zu brechen, scheiterten bisher am mangelnden Mut der Bundesregierung, mit strengen Maßnahmen gegen Erben vorzugehen. Auch die Initiative des Berliner Starökonomen Marcel Fratzscher, gegen die Verweigerung der Älteren, über das nächstmögliche Austrittsdatum hinweg weiterzuarbeiten, verpuffte folgenlos. 

Der Staat bleibt tatenlos 

Der Staat bleibt tatenlos. Obwohl Ökonomen seit Jahrzehnten davor warnen, dass die allmähliche Auflösung ddr Erwerbsgesellschaft früherer Jahre dazu führen wird, dass zu wenige Steuer- und Beitragszahler zur Verfügung stehen, um die grundgesetzliche garantierten Leistungen zur sozialen Teilhabe für alle zu schultern, sind entschiedene Schritte zur Verbreiterung der Einnahmebasis bisher ausgeblieben. Der Staat spare sich krank, warnt eine Gruppe engagierter Mikro- und Volkswirtschaftslehrer um den als Vater von Dynamisierungspaket, Wumms und Doppelwumms der Ära Scholz bekannten Entscheidungstheoretiker Wolfhardt Kremer. 

Als Initiative "Compass Gerechtigkeit" fordern die 47 Unterzeichner*innen von Kanzler Merz, seiner Wirtschaftsministerin Katherina Reiche und ihren Parteifreunden von CDU, CSU und SPD strengere Vorgaben für die Aufgabe eines Arbeitsplatzes, eine straffere Besteuerung von Nachlässen, die höher liegen als der Mindestlohn und "motivierende Maßnahmen", wie es heißt, um die Deutschen zu zwingen, mehr und länger zu arbeiten. 

Gleiches gleich und Ungleiches auch 

Kremer, der am Climate Watch Institut (CWI) im sächsischen Grimma Preisbildung, Entrepreneurship und Unternehmergeist (PEU) lehrt, verweist auf Übererben, die ohne eigene Leistungen bessergestellt seien als der Durchschnitt. Der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz, in Artikel 3 verankert, besage, dass Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden müsse. "Faktisch ist das ein Gebot, das nivellierende Eingriffe erlaubt." Wichtig sei hier die Beachtung der Verpflichtung des Staates, zur Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse aus § 72 Abs. 2 GG. "Bisher ist dabei immer auf regionale Unterschiede abgehoben worden", erklärt der Initiator von "Compass Gerechtigkeit". Er und seine prominenten Mitunterzeichner plädierten hingegen für einen individualisierten Ansatz.

Niemand soll mehr mehr haben, keiner aber weniger. Vorhandene Erbmasse könne auf alle Bürger aufgeteilt werden. Das helfe gegen die wachsende Ungleichheit bei den Vermögen, die sich bei Besitzenden anreichern, bei allen anderen aber kaum bilden können. Zudem, davon ist Kremer überzeugt, ließe sich durch weniger große Erbschaften selbst in körperlich anstrengenden Berufen die Motivation stärken, bis zum Beginn der gesetzlichen Rente oder aber sogar darüber hinaus weiterzuarbeiten. "Wer nicht genug hat und nicht erbt, dem bleibt ja kaum etwas anderes übrig." 

Arbeit bis zur Bahre 

Dass die in der Debatte um die Arbeit bis zur Bahre immer wieder genannten Dachdeckern, Pflegekräften oder Erzieherinnen sich allesamt "wirklich kaputtmachen und schon Schwierigkeiten haben, bis 67 zu kommen", wie SPD-Vize-Kanzler Lars Klingbeil kürzlich verdeutlicht hatte, glaubt  Wolfhardt Kremer nicht. Dabei handele es sich um eine "Latrinenparole aus den Bundestagstoiletten", verbreitet von Politikern und Gewerkschaftslobbyisten, die "ihren Lebtag lang weder einen Dachdecker noch eine Pflegekraft gesprochen haben". 

Kremer, der mit seiner Arbeitsgruppe zum Thema Teilzeitquote, Schonplatzarbeit und Quiet Quitting geforscht hat, verweist auf Studien, nach denen  Senioren heute nicht nur jünger sind als vor 20 oder 40 Jahren, sondern auch fitter und gesünder. "Viele von denen könnten durchaus auch noch fünf oder zehn Jahre schwere körperliche Arbeit leisten und helfen, Deutschland und Europa wieder aufzubauen." Heranziehen möchte er am liebsten aber nicht nur die, die müssen, sondern auch die, die glauben, sich aufgrund ihrer Vermögenssituation einen schlanken Fuß machen zu können. Die Gutsituierten, häufig aufgrund ihrer Familien- und Verwandtschaftsverhältnisse zu anstrengungslosem Wohlstand gekommen, kosten den Staat Milliarden. 

Die faulen Aussteiger 

"Sie reduzieren ihre Arbeitszeit oder steigen ganz aus dem Berufsleben aus", warnt Kremer. Der Staat lasse das zu, obgleich Deutschland in einem Überlebenskampf mit China und den USA stehe, in dem jede Hand gebraucht werde. "Diese Leute arbeiten keineswegs alle weniger, weil sie körperlich oder zeitlich am Limit sind, geistig ausgebrannt oder komplett verbraucht und krank", sagt der Experte, "sondern schlicht, weil sie es sich leisten können." Mit Erbschaften und Schenkungen gemästet, sind es der Schweizer Studie zufolge besonders Menschen auf dem Gebiet der alten Bundesrepublik, die von über Jahrzehnte kumulierten hohen Vermögen profitieren, "obwohl sie selbst meist auch über hohe Einkommen verfügt haben und trotz der hohen Abgabenlast in Deutschland sparen konnten". 

Das Ergebnis zeigt sich in verheerenden Werten bei älteren Arbeitnehmern, die oft früher in Rente gehen, wenn sie erben. Am stärksten ist die unmittelbare Wirkung auf die Arbeitszeit laut der Studie, wenn Menschen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren erben. Als einzige Begründung nannten viele Kremer zufolge, dass es ihnen reiche. 

Nicht mehr mit letzter Kraft 

Da Erben großer Vermögen in der Regel bereits im Voraus wissen, was auf sie zukomme, seien sie auch in der Lage, ihren Ausstieg zu planen. "Schon im mittleren Alter wird da häufig nicht mehr mit letzter Kraft gearbeitet", ist Kremer sicher. Da es keineswegs mehr die höheren Altersstufen seien, auf die in Deutschland der Großteil der Erbschaften entfalle, wirke sich das bei Bruttoinlandsprodukt spürbar aus: "Im Durchschnitt wird mittlerweile im Alter von 60 Jahren geerbt", sagt Wolfhardt Kremer: "Die Auswirkungen auf die Volkswirtschaft sind erheblich, denn die geleisteten Arbeitsstunden sinken durchs Erben um 1,7 Prozent, wodurch das Bruttoinlandsprodukt um geschätzt 1,1 Prozent geschmälert wird." 

Insgesamt sei die Situation sogar noch angespannter, denn nicht nur das Erben, sondern auch vom Staat betriebene Glücksspiele führen zur Senkung von Leistungsbereitschaft und Arbeitszeit. Wie die Studienautoren um Marius Brülhart ermitteln konnten, haben Lottogewinne eine noch stärkere unmittelbare Auswirkung als Erbschaften: Lottogewinner lassen spontan von der Erwerbstätigkeit ab, wenn sie glauben, dass sie sich um ihre spätere Alterssicherung keine Sorgen mehr machen müssen.

Geduldete Vermögen 

Für die Initiatoren des "Compass Gerechtigkeit"  ist das ein klarer Fingerzeig. Nach Jahren, in denen der Staat Vermögende geduldet und die Weitergabe von Vermögen durch Freigrenzen im sechsstelligen Bereich auf Kosten der Allgemeinheit gefördert habe, sei es höchste Zeit für grundlegende Reformen. Statt nur "an der Erbschaftssteuer herumzuschrauben", wie Kremer entsprechende Forderungen von Linkspartei, Grünen und SPD nennt, gelte es, "das Erben in Deutschland mit einem großen Wurf  zukunftssicher zu machen". 

Dazu solle der Staat sich selbst als Universalerbe für alle Vermögen oberhalb der auch schon für den Boomer-Soli vorgeschlagenen Freigrenze von 12.852 Euro im Jahr einsetzen. Da in Deutschland Schätzungen zufolge rund 400 Milliarden Euro vererbt werden, wie das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) zuletzt vermutete, könne das treuhänderisch eingezogene Geld verwendet werden, um etwa jedem 18-Jährigen mit einem Grunderbe von 150.000 Euro beim Start ins Erwachsenenleben zu helfen. 

Schlange stehen nach der Uniform 

Kremer ist sich sicher, dass sich auf diese Weise auch die Frage beantworten ließe, wie die Bundeswehr ausreichend viele Rekruten finde. "Sobald es die Summe erst nach absolviertem Wehrdienst gibt, werden die jungen Leute nach der Uniform Schlange stehen."

Natürlich sei das noch nicht in trockenen Tüchern, denn eine andere Aufteilung der Erbmilliarden sei durchaus auch denkbar. So wäre es möglich, die eingehenden Summen auf alle Bürgerinnen und Bürger aufzuteilen. "Wir reden dann immer noch von einem Betrag von 4.500 Euro im Jahr, den viele trotz der schwindenden Kaufkraft des Euro als recht hoch empfinden werden. Auf ein ganzes Leben hochgerechnet ergebe sich für jeden Menschen im Land ein Betrag von zwischen 300.000 und 400.000 Euro. 

Die Gefahr, dass sich angesichts so hoher Beträge ein neuer Erbadel aus Bürgerinnen und Bürgern bilde, die ihren Anteil sparten, um ihn den eigenen Kindern zu  hinterlassen, sehe er nicht. "Jeder weiß doch dann, dass Beträge oberhalb der Freigrenze zu 100 Prozent weggesteuert werden, um eine gleichmäßige Vermögensverteilung zu garantieren und eine größere Gerechtigkeit herstellen kann".


6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein Leben lang für den Staat und seine Nutznießer arbeiten? Toller Plan.

Noch ein toller Plan:
...Polenz, sagte im Deutschlandfunk, man müsse weg von der Konzentration auf das Thema Migration. Nach Ansicht von Polenz profitiert von dieser Debatte allein die AfD.

Die AfD hat vor allem von der Nichtdebatte profitiert. Ein Teufelskreis.
"Erkläre mal einem Idioten das er ein Idiot ist"
(Dieter Bohlen)

Die Anmerkung hat gesagt…

Man könnte die Hängemattlinge die KI trainieren lehren, auf daß die endlich das Thema Beine und Füße behrrscht. Dafür ist in einer Hängematte immer Zeit.

>>"ihren Lebtag lang weder einen Dachdecker noch eine Pflegekraft gesprochen haben"

Scholz hat doch mal mit Honecker gesprochen?

>>"... werden die jungen Leute nach der Uniform Schlange stehen."

Das klappt nur, wenn Soldatenstiefel und Waffenrock genauso geil beworben werden wie Sneaker und Zalandofummel.

Anonym hat gesagt…

Die beiden Gestalten sind sichtlich körperlich behindert. Oder hat es der Kümram nicht so mit der menschlichen Anatomie? Lasse ruhen.

Anonym hat gesagt…

Kümram ist der erste Künstler weltweit, der den Stil von AI-Bildern getreu nachbilden kann. Als ein starkes Statement.

ppq hat gesagt…

da ist dem jungen meister wohl der pinsel ausgerutscht

Anonym hat gesagt…

Fragt sich nur, was sozialschädlicher ist: Die Erbenhängematte oder die Parteienhängematte. Erben machen eher selten völligen Blödsinn mit Geld, das ihnen nicht gehört.