Dienstag, 4. November 2025

Stahlpakt: Guter Zoll für den Wachstumsschub

Gute Zölle in der EU
Es kommt nie darauf an, was jemand tut, sondern immer darauf, wer es macht.

Schädlich! Verheerend! Wohlstandsverzehrend! Und natürlich spaltend. Auf die Zollpläne des US-Präsidenten Donald Trump gab es in Europa Anfang des Jahres nur eine einzige Antwort. Erstens würde das starke Europa sich das alles nicht gefallen lassen. Zweitens würde man den Präsidenten  zwingen, sich eines Besseren zu besinnen. Und dritten müsste selbst er doch einsehen, dass sein Vorhaben, die Industrie in den Vereinigten Staaten zu stärken, indem er ausländische Produkte mit hohen Zöllen aussperrt, schlussendlich nur die amerikanischen Verbraucher bezahlen würden.

Die Zolltarife der Taliban 

Das war nicht nur rechtswidrig, wie sich die Mehrzahl der Ökonomen einig war. Das war auch dumm. Trump würde durch seinen Traum von der Abschottung von der globalen Arbeitsteilung zum "Verlierer" (FAZ). Auch wenn Ursula von der Leyen das Allerschlimmste schließlich doch noch abwenden konnte. Für die EU handelte sich beherzt und mutig dieselben Konditionen aus, wie das Weiße Haus sie den afghanischen Taliban zugesteht, blieb der ganz große Freihandel als Ziel der Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft auf der vernünftigen Seite des Atlantik bestehen.

Kein Zoll für niemandem auf Nichts, etwa so, wie die EU seit dem Ende der Punischen Kriege mit Südamerika aushandelt.  Das Assoziierungsabkommen zwischen der Europäischen Union und den Staaten des MERCOSUR-Bündnisses - Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay - ist seit Jahrzehnten auf der Zielgerade. Klappt alles, werden auch die noch zu führenden Gespräche über das sogenannte "Begleitinstrument zur Stärkung von Nachhaltigkeitsaspekten" bis zum St. Nimmerleinstag abgeschlossen. 

Großgebiet mit Begleitinstrument 

Stimmen Rat und EU-Parlament dann im Rahmen des Trilogs zu, das gilt als Formsache, außer Frankreich stellt sich quer, könnte schon irgendwann eine der weltweit größten Freihandelszonen mit über 715 Millionen Konsumenten aus der Taufe gehoben werden. Faktisch würden danach sämtliche anderen Staaten Schlange stehen, um baldmöglichst auch zu den Zollsparern gehören zu dürfen.

Es wird ein knappes Rennen. Denn kaum hat die EU, einst gegründet als Zollunion und bis heute auf Zolleinnahmen zur Finanzierung ihres Betriebs angewiesen, unter der Leitung ihrer Besten einen erfolgreichen Abwehrkampf gegen Trump geführt, schwinden die Prinzipien in Brüssel und Berlin schneller als Brandmauer- und Stadtbild-Debatte den öffentlichen Raum verlassen haben. 

Die Krieger des Lichts entdecken ihr Herz für Handelsschranken, Einfuhrhindernisse und Zölle, je höher, desto besser. Ursula von der Leyen, immer dort, wo akut gerettet werden muss, hatte schon vor Tagen angekündigt, dass  EU-Kommission die wankende und dahinschwindende EU-Stahlindustrie vor Auswirkungen globaler Überkapazitäten schützen müsse.  

Kochen mit Luft 

Nicht mit  mit einem "Aktionsplan" diesmal, wie er noch im März im Handumdrehen eine "wettbewerbsfähige und kohlenstoffarme" Stahlindustrie schaffen sollte. Weil nämlich die "Stahlindustrie als Motor des europäischen Wohlstands" weiterhin gebraucht werde, nur eben stahlkochend in Hochöfen, die angetrieben werden mit grünem Wasserstoff, den es nicht gibt.  Nein, diesmal solle eine "Reihe von Maßnahmen den EU-Stahlsektor vor unlauteren Auswirkungen" der Stahlkocherei in Staaten schützen, die immer noch auf herkömmliche Weise arbeiten - und Strom aus fossilen Quellen beziehen.

Die EU-Kommission hält also einerseits natürlich "am Grundsatz des offenen Handels fest".  Andererseits kürzt sie die Menge des zollfreie nach Europa lieferbaren Stahl auf die Hälfte. Und verdoppelt für den Rest den Zollsatz auf 50 Prozent. So hoch muss der Schutzzaun sei, erstmal, um einen "starken Stahlsektor" zu erhalten, den man "für die Wettbewerbsfähigkeit, die wirtschaftliche Sicherheit und die strategische Autonomie" benötige. Aber auch dafür, dass er in Bälde "dekarbonisiert" (EU-Kommission) werde, so dass er dann "sauberen Stahl der nächsten Generation" liefern könne.

Ausgleichszölle für Gerechtigkeit 

Eine strenge Maßnahme nach dem Vorbild der erfolgreichen Sonderstrafzölle auf chinesische Elektroautos. Mit denen hatte die Kommission im Sommer 2024 die Daumenschrauben für die Produzenten in Fernost angezogen. Die würden, hieß es, im Gegensatz zu europäischen Autobauern, vom Staat bezuschusst. Deshalb müssten Ausgleichszölle für Gerechtigkeit sorgen. 

Die Bilanz des ersten Versuchs fällt beeindruckend aus: Im letzten Jahr vor den Abschreckungszöllen exportierten chinesische Hersteller 129.800 Autos mit reinem Elektroantrieb im Wert von 3,4 Milliarden Euro nach Deutschland importiert. Zahlen aus dem Jahr 2025 zeigen: In ersten fünf Monaten kamen die Exporteure nur noch auf 45.000 Fahrzeuge.

Ein schöner Rückgang um fast ein Fünftel, der den europäischen Herstellern geholfen und die Absatzflaute bei VW, Mercedes, Stellantis und Opel behoben hat. Die Wende zur Elektromobilität kommt endlich in Gang, und sie ist selbstgemacht. Nach demselben Muster eilen Kommission und Bundesregierung  nun herbei, der maladen Stahlindustrie aus der Misere zu helfen. Zollschranken hoch und damit die "Zukunft der deutschen Industrie" retten, so hat CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann den Plan umrissen, mit neuen EU-Einfuhrzöllen Wachstum zu generieren.

Unterschiede zum Jahresanfang 

Im Unterschied zum Jahresanfang, als Trumps Zollpläne ein verfrühtes Ende der Welt heraufbeschworen, sind diesmal alle dafür. Die sozialdemokratische saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) unterstützt die Forderung. Ihr Parteigenosse, der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese, wies vor dem geplanten Stahlgipfel darauf hin, dass "auch die chemische Industrie massiv unter Druck" stehe. Die Zollschraube, so hieß das, müsse noch viel weiter gedreht werden. Heiko Maas, nach einem kühnen Besetzungsmanöver seit kurzem Aufsichtsratsvorsitzer bei Saarstahl und Dillinger Hütte, hat sich noch nicht äußern können. Aber "für den Moment sind das gute Nachrichten."

Nicht jeder Zoll ist schlecht. Es kommt schließlich immer darauf an, wer ihn erhebt. Damit "hier in Deutschland produzierter Stahl seine Chance bekommen" kann (Rehlinger), darf der Freihandel nicht übertrieben werden. Schließlich müsse die Industrie hierzulande nicht gegen eine zuweilen irrwitzig erscheinende Energie und Transformationspolitik ankämpfen, sondern "gegen Dumpingpreise" derjenigen, die aufgrund ihrer Standortbedingungen günstiger produzieren. 

Hoffentlich kein Tünkram 

Vom Stahlgipfel im Kanzleramt, zu dem mit Friedrich Merz ein Mann eingeladen hat, dessen Zweifel am Erfolg einer Transformation zu grünen Herstellungsprozessen nach großem Widerspruch der progressiven Stahlparteien schnell wich, erwarten alle viel und noch viel mehr. Nicht noch einmal "Tünkram" (Habeck) soll Merz über die Möglichkeit erzählen, Stahl künftig nicht nur mit den rekordhohen deutschen Stromkosten zu weltmarktfähigen Preisen zu kochen, sondern das mit noch dreimal teurerem grünen Wasserstoff tun wollen. Sondern eines jener "wichtigen Signale" setzen, die als "konkrete und nachhaltige Hilfen für die kriselnde Branche" zu verstehen wären. 

Nicht die Ergebnisse, sondern der Stahlgipfel im Kanzleramt selbst sei "ein wichtiges Signal für die gesamte Industrie in Deutschland" hat Dirk Wiese übertriebene Erwartungen an Ergebnisse vorab einfangen. Er erwarte "klare politische Antworten" - im politischen Berlin gilt das als direkte Aufforderung, jetzt aber endlich mindestens von einem "klaren Kompass" zu sprechen und "die Energiekosten in den Griff zu bekommen" (Wiese). 

Chinas Stahlangriff 

Da in dieser Beziehung wenig Aussicht besteht, hat der auch der Parlamentarische SPD-Geschäftsführer die Zölle als Lösungssimulation im Hinterkopf.  Es gebe da "Länder, die die Regeln der Welthandelsorganisation systematisch verletzen". Auch wenn Deutschland und Europa sich deswegen nie beschwert hätten, sei klar, dass diese Staaten "die Regeln der WTO schwächt oder faktisch beseitigen" wollten "und damit auch unsere wirtschaftliche Stabilität und gesellschaftlichen Wohlstand nach dem Zweiten Weltkrieg."

Da müssen neue Zölle sein, auch wenn die letzte diesbezügliche Auseinandersetzung mit China noch genau andersherumgeführt wurde. Dann obendrauf noch das Übliche: "Der Industriestrompreis, eine zukunftsfeste Kraftwerksstrategie und die Deckelung der Netzentgelte". Schon wäre "unsere Industrie international wettbewerbsfähig" und die Arbeitsplätze gesichert. Und das, obwohl es ihr weiterhin an Abnehmern fehlen wird, so lange Autoindustrie unter China-Importen leidet der Wohnungsbau unter  dem Geiz der Vermieter und die Investitionstätigkeit unter dem Umstand, dass Friedrich Merz die Stapel von Ansiedlungsangeboten ausländischer Konzerne erst noch "ordnen" muss. 

Wenn Stahl erst teurer ist

Die Zölle werden es richten, denn wenn Stahl erst deutlich teurer wird, kommt auch die Bautätigkeit wieder in Gang. In einem Strategiepapier hat die SPD bereits eine Bevorzugung von Stahl aus Deutschland und der EU gefordert. Koste es, was es wolle, das Geld ist ja da, es hat dann nur ein anderer. Der zuständige EU-Kommissar Stéphane Séjourné hat den 50-prozentige Trump-Zoll schon als Geburtshelfer einer "Reindustrialisierung Europas" gelobt. 

Danach wird global immer noch zu viel Stahl auf dem Markt sein. In der Kommission wird von deutlich mehr als 600 Millionen Tonnen weltweiter Überkapazität gesprochen. Doch China, das nach den Zahlen des Weltstahlverbands heute noch mehr als 1.000 Millionen Tonnen produziert, wird damit aufhören und die überzähligen Hochöfen herunterfahren - auch aus Respekt vor der in Deutschland heimischen Stahlindustrie und ihrer schweren Lage. Die hiesigen Hütten produzieren gerade mal 40 Millionen Tonnen im Jahr, zu Preisen, die bei 550 bis 650 Euro pro Tonne liegen, so lange fossil geschmolzen wird. Der grüne Stahl würde dann bei 1.100 bis 1.200 Euro liegen - China liefert derzeit für 440 Euro.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Der Nominativ ist dem Dativ sein Feind. (Medienfuzzis halt. Rechtschreibung und Grammatik sind Nazi.)
Aber nun reden wir von von etwas ganz anderem:
<< Tzvika Brot aus der Partnergemeinde Bat Yam in Israel.

Der Judenhass muss wie eine Pandemie behandelt werden. >>

Ich bezweifle allerdings, dass dieses etwas nützen wird: Wer es zehn Jahre nach 2015 nicht geschnallt hat, der schnallt es nimmermeh'.