Montag, 29. Dezember 2025

Parteien des Jahres: Die Linke und das Ende des Aufschwungs

Heidi Reichinnek hat die Linkspartei im Alleingang vor dem Ende bewahrt.

Das Jahr 2025 war nicht nur ein Jahr der Unsicherheit, der Neuordnung der Meinungslandschaft und der Aufkündigung alter Freundschaften. Es war auch ein Jahr der alteingesessenen Parteien, die bewiesen, dass in einer Demokratie nicht alle Stimmen gleich viel wiegen. Um die Handlungsfähigkeit des Staates in einer Zeit multipler Herausforderungen zu sichern, haben die Parteien wichtige Schritte unternommen, um ihre Position als Herz, Kopf und Gesicht der Demokratie zu festigen.   

Eine Brandmauer stärkt die innere Stabilität. Neue Allianzen über die alten ideologischen Gräben hinweg haben Vertrauen zurückgewonnen. Neue Leute reagieren mit bewährten Maßnahmen auf Veränderungen, die sie oft selbst nicht verstehen. Lager sind zerfallen. Wer eben noch Mitte war, ist heute schon rechts. Die gewachsene Bedeutung der Parteien hat die traditionelle Demokratie umgestaltet zur modernen Parteiendemokratie. 

Die liefert Democracy at its best. Parteienzentralen sind heute das Rückgrat des Systems, doch wie der Blick ins zurückliegende Jahr zeigt: Zu ihrem Besten ist das nicht.

Sie war so gut wie tot, als sie in ihren letzten Wahlkampf zog. Die Linkspartei, eine marktgängig flott verpuppte Reinkarnation der alten DDR-Regierungspartei SED, hatte jede Hoffnung aufgegeben, noch einmal an die Fleischtöpfe der Macht zurückkehren zu dürfen. Die Partei war zerstritten, sie mobbte ihre Führungsfiguren mit Leidenschaft und ihre einzige Hoffnung, ein paar wenige Sitze im Bundestag zu erobern, bestand darin, auf einige uralte prominente Einzelkämpfer zu setzen. Mit deren Hilfe, so hatte es der Vorstand beschlossen, sollte die Wahlgesetzgebung sich so gezielt ausnutzen lassen, dass es doch wieder klappt mit ein paar Genossen im Parlament. 

Rettung durch die Brandmauer 

Der nächste Sozialismus wird gut.
Dass es viel besser wurde, so gut sogar wie seit Jahrzehnten nicht mehr, verdankten die Linken ausgerechnet den Rechten. Die "Brandmauer", Jahre zuvor publizistisch gezogen, um der Union die Bildung einer Mehrheit rechts der Mitte auf Dauer unmöglich zu machen, sorgte für einen bundesweiten Aufstand der guten Gewissen, als CDU und CSU im Bundestag gemeinsam mit der AfD abstimmten. Das geschieht immer mal wieder, es passiert selbst den Grünen, der SPD und der Linken zuweilen. Doch angetrieben von einer enervierten Medienmaschine, die im "Tabubruch" (Deutschlandfunk) das Wetterleuchten einer neuen Hitlerzeit erkannte, brandete eine Welle von Demonstrationen durchs Land.

Es war wieder fünf vor Hitler. Friedrich Merz, Umfragen zufolge der kommende Bundeskanzler, wurde als Naziführer mit Hakenkreuzaugen karikiert. CDU und CSU waren die Steigbügelhalter einer kommenden Weidel- und Höcke-Diktatur. Eine Angst ging um in Europa, eine Angst, die nach Rettern rief, die nur von links kommen konnten, je weiter draußen, desto besser.

Just in diesem Augenblick geschah der Linkspartei ein Wunder. Heidi Reichinnek, eine Ostdeutsche aus dem Westen, tätowiert wie eine Ostmulle und talentiert, zu jedem Thema schnell ein paar Sätze abliefern zu können, wurde mit einer Bundestagsrede gegen die neue Nazi-Gefahr beim chinesischen Kurzfilmportal TikTok zum Star. Was genau Reichinnek sagte, verstand niemand. Aber das macht einen Teil der Faszination aus, die von der Jungfunktionärin mit dem Jungpioniereifer ausgeht.  

Der zweite Versuch 

Reichinnek ist der zweite Versuch der kleinen Partei, die sich den Namen einer ganzen politischen Denkrichtung angeeignet hat, Anschluss an die großstädtischen Kreise junger Radikalisierter zu gewinnen. Im ersten Anlauf hatte es Carola Rackete versuchen sollen, eine Westdeutsche mit kulturell angeeigneter Rasta-Frisur, der die Lust daran, ihre Wahlversprechen einzuhalten, aber schon nach einem Jahr vergangen war. Ohnehin hatten die ostdeutschen Stammwähler mit der als Flüchtlingsretterin tätigen Frau aus Kiel gefremdelt - kaum ein Milieu lehnt den 2015 von Angela Merkel eingeleiteten Flüchtlingszustrom so strikt ab wie die hinter der antifaschistischen Brandmauer sozialisierten Sachsen, Thüringer und Mecklenburger.

Heidi Reichinnek vertritt dieselben Positionen wie Rackete. Doch ihrer Herkunft wegen sehen ihr das viele alte Genossen nach. Mit ihr als dem freundlichen Gesicht des Sozialismus glückte der Linkspartei das Kunststück, sich als letzte Bastion vor der Machtübernahme durch die neuen Hitlers, Goebbels und Himmlers zu inszenieren. Stolz verweist die Partei auf steigende Mitgliederzahlen, seit man "den Klassenkampf wieder nach vorne" stelle.

Fern der Arbeiterklasse 

Obwohl keine andere Partei abgesehen von den Grünen so fern der Menschen lebt, die sie zu vertreten vorgibt, hat die Linke Depression und Untergangsfurcht hinter sich gelassen, die sie vor einem Jahr noch existenziell plagten. Aus den traurigen Resten einer Organisation, die nach dem Ende der DDR als Kümmererpartei für den Osten gewisse Erfolge einfuhr, ist eine Formation geworden, die mit  antikapitalistischen Parolen und Ankündigungen eines neuen Sozialismusexperiments auf gesellschaftliche Spaltung zum eigenen Vorteil setzt. 

So lange es den Funktionären gut geht, weil das schräge, schrille Spitzenpersonal einen ausreichend großen Prozentsatz an Wählerinnen und Wählern anspricht, taugt das sozialistische Gerechtigkeitsversprechen als Zukunftsvision.

Verbote, Bestrafungen und höhere Steuern 

Wo immer sie ein Mikrofon hingehalten bekommen, predigen Reichinnek und ihr Kollege Jan van Aken  Enteignungen,. Vergesellschaftungen, Verbote, Bestrafungen und höhere Steuern. Für eine Anhängerschaft, deren soziale Zusammensetzung in etwa der der gesellschaftlichen Gruppe gleicht, die stur Grüne und SPD wählen, was immer die beiden Parteien auch zusammenregieren, ist das ein reizvolles Angebot: Im urbanen Milieus des hochgebildeten und verbeamteten Bionadeadels wie ganz unten in den Studenten-WGs ist die Sehnsucht groß, dass ein starker Mann oder besser noch eine starke Frau kommt und die Welt vor dem Klimawandel, vor Krieg, Trump und AfD rettet. 

Medien, die im Bemühen, ihre Leserschaft nach deren Vorstellungen zu bedienen, von ganz weit links außen auf die Gesellschaft schauen, sehen die Linkspartei plötzlich als "Mitte". Da entstehe gerade etwas Großes, analysierten sie nach der überraschenden Wiederauferstehung der SED als einer Partei, die beim grünen Nachwuchs Sympathien weckte und linke Sozialdemokraten in Versuchung brachte. Aus sechs Prozent waren zwölf geworden, in nur wenigen Wochen. Was also sprach dagegen, dass die Linke in ein paar Monaten eine Volkspartei sein würde?

Wie festgeklebt in Umfragen 

Die Inhalte. Das Personal. Die Angewohnheit von Menschen, auf Spektakuläres zu reagieren, bald darauf aber jedes Spektakel langweilig zu finden, selbst Heidi Reichinnek. Ein Phänomen, das den Aufstieg der Linken erst abgebremst und schließlich beendet hat. Seit Monaten schon tut sich nichts mehr in den Umfragen. Wie festgeklebt hängt die Linke zwischen zehn und zwölf Prozent  der Stimmen. Die Partei, mittlerweile auch von der Union als nützlich, wenn auch nicht demokratisch anerkennt, kommt aus dem Ghetto des Gebets von Kommunismus, Gerechtigkeit und allmächtigem Staat nicht heraus. 

Die Mitte, das sind die anderen, ausweislich ihrer Wähler ist sogar die AfD mehr Mitte als Linke, die durch ihre Strategie der Zuspitzung, Spaltung und Polarisierung zwar die Grünen in der Beliebtheit überholt hat. Das aber auf Kosten des eigenen Lagers: Es waren grüne Bürgersöhne und vegane Pferdemädchen, die nach dem Abschied von Robert Habeck und Annalena Baerbock hinüber zu Reichinnek und van Aken wechselten, den beiden frischen Gesichtern des Extremismus der bürgerlichen Mitte, für die der nächste Sozialismus immer der erste richtige bleiben wird.

Einsatz für Sonderrechte  

Dieses sektiererisches Bürgertum kennt keine Grundrechte, sondern nur Sonderrechte bestimmter Gruppen. Oft hat sich Heidi Reichinnek schon für die Rechte von Frauen und Kindern und für "soziale Grundrechte" eingesetzt. Über die allgemeinen und allen Gruppen inklusive Frauen und Kindern gleichermaßen zustehenden Bürgerrechte hat sie sich noch nie geäußert. Spalten, polarisieren, die sozialen Milieus gegeneinander ausspielen und die Armen auf weniger Armen und die weniger Armen auf Reichen hetzen, das ist das Spiel der Linkspartei. 

Was für das ungeübte Auge aussieht wie eine Koalition von Weltfremden, Realitätsverweigeren, Revolutionsromantikern und Geschichtsvergessenen,  ist in Wirklichkeit ein Geschäftsmodell, dass es der Funktionärskaste der Linken erlaubt, im verhassten demokratischen System des Kapitalismus bestens zu überleben. Wenn dazu ein Bündnis mit allerlei Verwirrten gehört, das Parteitage in ein Panoptikum als bizarren Gestalten mit gruseligen Zukunftsplänen macht, ist das der Parteileitung nur recht. Sie hat nie das ziel gehabt, die ganz gewöhnlichen Menschen draußen zu erreichen, die "die das Land am Funktionieren halten", wie es der SPD-Chef Lars Klingbeil einmal nach dem Anschauen einer 3sat-Doku über Klempner, Straßenbahnfahrerinnen und junge Schreiner beschrieben hat.

Arbeiterfolklore und Klassenkampfparolen 

Nein, sie adressieren mit Arbeiterfolklore, Klassenkampfparolen und der plumpen Inszenierung als  antifaschistischer Kraft im Titanenkampf gegen das Vierte Reich eine Zielgruppe aus gutsituierten Staatsangestellten, Studenten in Nicht-MINT-Fächern, prekären Bürgergeldempfängern und Verhältnishassern, die sich gern an den früheren Großparteien rächen würden. Billiger als mit einem gratismutigen Kampf gegen Gespenster ist Begeisterung nicht zu ernten.

Der Erfolg bleibt auf  bestimmte Milieus beschränkt, doch für die Führungsetage der Partei ist das ohne Bedeutung. So lange durch ein Bündnis mit Islamisten, selbsternannten Antikolonialisten und Migrationsverfechtern ausreichend anti-marktwirtschaftliche, antidemokratische und antisemitische Anhänger mobilisiert werden können, langt das zu, eine wohlstandsverwahrloste kleine Gruppe aus hauptamtlichen Funktionären in Lohn und Brot zu halten. 


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

< Böse Zungen behaupten ja, der ganze Wokeness-Kram diene dazu, den USA den wirtschaftlich lästigen Konkurrenten Europa vom Hals zu schaffen, indem man ihn erledigt. >
Danisch um 11.20
Hadmut ist, wieder einmal, sehr dicht dran. Aber ...