Freitag, 14. Oktober 2011

So viele Zügel, so wenige Pferde

Diesmal war es die bewährte Salonrevolutionskraft Sarah Wagenknecht, die im Wahlkampf um einen der demnächst freiwerdenen Vorsitzendenposten der PDS zum Brecht-Zitat Zuflucht suchte, ohne es explizit zu benutzen. Wir lebten doch alle in eine perversen System, in dem Banken bloß noch zocken und wetten und um die Wette spekulieren. Natürlich auf dem krummen Rücken des kleinen Mannes und der kleinen Frau, die am Ende immer alles bezahlen müssten, verkündete Wagenknecht als Gast des Fernsehgerichtes bei Anne Will, das diesmal einberufen war, einen Prozess gegen Bänkster und Spekulanten zu führen.

Das Publikum klatscht bei solchen tapfer ausgesprochenen Wahrheiten, weshalb Wagenknecht auch nicht die erste ist, die die Banken sattelt, um scheltend zu neuer Popularität zu reiten. Bodo Ramelow, ein anderer linker Vorturner, bemüht immer mal wieder "die Banken" im Plural, um die ganze Unmoral des Kapitalismus in zwei Sätzen erklären zu können. Auch Sigmar Gabriel, immer noch als Pop-Beauftragter der SPD amtierend, nebenher aber inzwischen auch Chef der deutschen Sozialdemokratie, wird nicht müde, "das Treiben der Banken" anzuprangern. In der Mehrzahl, immer. Die Gewinne würde bei "den Banken" privatisiert. Die Verluste aber solle die Gesellschaft tragen, der "Steuerzahler" (Gabriel).

Allen drei Kämpfer um mehr Gerechtigkeit sind da einig, einig sogar mit CDU-Kämpen wie dem notorischen Heiner Geissler und Grünen wie Claudia Roth und Jürgen Trittin. "Die Banken" sollen selber zahlen, rufen sie alle im Chor, nicht der Steuerzahler, der ein immer auch ein Wähler ist. Man müsse der Spekulation "Zügel anlegen" (Gabriel), "vergesellschaften" (Wagenknecht) und dafür sorgen, dass "erneute Krisen nicht mehr auf dem Rücken der Steuerzahler ausgetragen werden", wie der CDU-Experte Klaus-Peter Flosbach meint.

Das Sonderbare an diesen Parolen, die immer viel Applaus bekommen, ist allerdings der Adressat. Während Marx Mainstream geht, wie die "Welt" angesichts der parteiübergreifenden Konsenskloppe für Geldinstitute analysiert, bleibt die Frage, wer das eigentlich ist, "die Banken", fortgesetzt unbeantwortet.

Und das ist gar kein Wunder. Denn das, wogegen die große Koalition aus christdemokratischen Sozialkommunisten zu kämpfen vorgibt, gibt es in Deutschland schon lange nicht mehr: Von fünf privaten Großbanken, die einst das vierte Bein neben den öffentlichen Sparkassen in Kommunalbesitz, den staatseigenen Landesbanken und den genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken bildeten, ist nach einer über ein Jahrzehnt andauernden Verscheibungs- und Verkaufsorgie, bei der auf staatlichen Druck zuletzt die halbstaatlich gewordene Commerzbank die marode Dresdner Bank von der Allianz-Versicherung übernehmen musste, um akute Bedrohungen von den bei der liegenden Altersrücklagen von Millionen Deutschen abzuwenden, genau noch eine übrig: Die Deutsche Bank. Selbst die aber gehört zu mehr als der Hälfte deutschen Kleinanlegern, Steuerzahlern mithin und Wählern.

So viele Zügel, so wenige Pferde, denen man sie anlegen kann. Alle anderen Banken hierzulande sind staatlich, öffentlich, genossenschaftlich. Ihre Rettung durch den Staat ist folglich keine Rettung von miesen Spekulanten, sondern eine Rettung des Besitzes durch seinen Besitzer: Ließen staatliche Institutionen die Landesbanken fallen, entstünde den Ländern Milliardenschäden. Rettete der Staat nicht die Sparkassen und ihre zentralen Organe und Fondsgesellschaften, ständen die Vermögen von Kommunen und Landkreisen ebenso im Feuer wie die Altersrücklagen unzähliger kleiner Sparer. Ebenso bei Volks- und Raiffeisenbanken, deren Anteilseigner Millionen Wähler sind.

Wovon also reden Wagenknecht, Gabriel, Ramelow und Co.? Wen meinen sie, wenn sie von "Großbanken" sprechen, als lauere im Frankfurter Bankenviertel immer noch eine raubgierige Armada aus zahllosen Geldgiganten, die die welt lenken, wie es ihnen gefällt. Sie wissen es nicht, wie Wagenknecht verrät. Die Linkspartei dringe auf Anti-Banken-Proteste nach US-Vorbild und werde „alles dafür tun“, dass auch in Deutschland eine solche Bewegung entstehe, versichert die Politikerin allen Ernstes.

Es geht "gegen die Macht der Banken", es müsse „Schluss ist mit der Ausbeutung der Gemeinwesen durch diese Finanzmafia, durch die Zocker, durch die oberen Zehntausend“, sagt Wagenknecht. Wenn in Amerika eine Besetzung der Wall Street gefordert werde, muss man dann hierzulande nehmen, was man hat. Große Bankgiganten im Besitz von bösen Spekulanten, Hedge Funds und Milliardärsgesindel ist es nicht. Aber weil es blöd aussehe würde, eine Volksbank zu oder die örtliche Sparkassenfiliale zu besetzen, „dann müssen wir in Deutschland sagen: Occupy Deutsche Bank, Occupy Commerzbank“.

Kein Problem, denn wenn das Volk diese Institute besetzt, besetzt es sozusagen sich selbst - die eine Bank gehört Mitgliedern des deutschen Volkes ohnehin zu mehr als 50 Prozent, das andere zu einem Viertel sogar direkt dem deutschen Staat.

Wenn Politiker wirtschaften: Rott über den deutschen Staatsschuldenexzess

3 Kommentare:

eulenfurz hat gesagt…

Der Feind muß greifbar sein, dann lassen sich potentielle Wähler besser aufhetzen. Spekulationszockerei ist tatsächlich widerlich, aber jeder Bankkunde oder Rentenzahler ist letztendlich daran beteiligt und hofft - in seinem beschränkten Rahmen - auf Vorteile.

ppq hat gesagt…

genau so ist es

aber das will natürlich niemand hören

Volker hat gesagt…

Siggi Pop leistet jetzt auch Widerstand gegen sich.