Montag, 8. Oktober 2012

Endlich amtlich: Europa endgültig gerettet

Auf diesen Moment haben die Menschen in Europa fast vier Jahre lang warten müssen, nun aber ist es endlich soweit: Heute spannen die Euro-Finanzminister bei einem letzten Treffen in Luxemburg den permanenten Rettungsschirm ESM auf, der Frieden und Wohlstand und den endgültigen Bestand Europas für die nächsten tausend Jahre garantieren wird. Mit dem Start des bedingungslosen Großgeldgeschützes wird die europäische Staatengemeinschaft vom Provisorium zur Dauereinrichtung, die nicht mehr und von niemandem abgelöst werden kann.

Europa wird damit schlagartig wieder zu einem Vorbild in der Welt, ein Kontinent, auf den Kanadier, Australier, Japaner und Brasilianer neidisch schauen, weil sie noch keine anderen Länder gefunden haben, mit denen sie künftig eine gemeinsame Währung teilen können.

Der ESM schafft die Sicherheit, dass stets ausreichend Geldgeschütze zur Verfügung stehen, um aufkommende Währungsbrände niederkartätschen zu können. Das ursprüngliche Verbot, dass Euro-Staaten sich in finanziell brenzligen Situationen nicht zur Seite springen können, wird mit den drei Buchstaben aufgehoben und zur Grundlage des künftigen europäischen Hauses gemacht. PPQ beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Multimilliarden-Rettungsschirm:

Wann hilft der ESM?

Voraussetzung für Hilfe ist zunächst die Erklärung eines Euro-Landes, dass es findet, dass ihm die Aufnahme von frischen Schulden am Kapitalmarkt zu teuer kommt. Der ESM kann dann allerdings nur einspringen, wenn die Krise des betreffenden Staates die gesamte Währungsunion gefährden würde, wie bei einer Krisen in einem Land immer der Fall ist. Dass diese Bedingung erfüllt ist, beschließen der Gouverneursrat, die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank. Der Staat, der Geld erhalten will, muss sich zu Reformen nach dem Vorbild Griechenlands verpflichten.

Das Geld im ESM ist als Hilfe zur Selbsthilfe gedacht: Dem Empfängerland soll durch die Unterstützung Zeit gekauft werden, damit es seine Staatsfinanzen in Ordnung bringt. Die Hilfskredite werden in Tranchen ausgezahlt. Das Direktorium muss jede einzelne freigeben, nachdem die so genannte Troika aus EU, EZB und IWF überprüft hat, ob das Land die Bedingungen einhält. Ist das nicht der Fall, muss das Empfängerland zum Erhalt von Hilfen erklären, dass es sich noch mehr anstrengen wird.

Welche Hilfsinstrumente hat der ESM?

Der ESM wurde mit demselben Instrumentenkasten ausgestattet wie der Vorläufer EFSF: Geld. Es stehen Milliarden zur Verfügung, die direkt im Keller des ESM hergestellt werden. Dazu wird ein elektronisches Verfahren verwendet, das äußerst umweltfreundlich ist und kaum Rückstände hinterlässt. Das ausgereichte Geld müssen die Staaten später an den ESM zurückzahlen, dazu können sie neue Hilfen beantragen und neue Versprechen abgeben.

Um das ohnehin fragwürdige Verbot der direkten Staatsfinanzierung durch die EZB zu umgehen, darf der ESM auch Staatsanleihen kaufen. Er kann neue Bonds direkt von einem Land erwerben, oder er kauft bereits begebene Anleihen am Sekundärmarkt auf es die EZB bisher tat. Damit sollen Spekulanten neue, sichere Anlagemöglichkeiten geboten werden. Der ESM kann bei den Anleihekäufen auch versuchen, private Investoren mit ins Boot zu holen. Er veranlasst sie dazu, indem er die von ihnen gekauften Anleihen gegen Verluste absichert.

Auf diese Weise gelingt es, über einen Hebeleffekt nicht nur Milliarden, sondern Billionen neu zu schaffen. Befindet sich ein Land weltgeschichtlich gesehen in einer vorübergehenden finanziellen Notlage, können Spekulanten mit Hilfe dieser Verlustversicherung beruhigt werden.

Was müssen die Hilfsempfänger tun?

Um den ESM in Anspruch nehmen zu können, muss jedes Land zuvor dem Fiskalpakt zugestimmt haben. Dabei orientiert man sich an der Zustimmung aller Euro-Ländern zu den sogenannten Maastricht-Regeln, die Bedingung für einen Beitritt zur Währungsunion waren. Der Fiskalpakt verpflichtet die EU-Staaten, eine Schuldenbremse einzuführen, so dass höhere Schulden nur nach einer zusätzlichen Parlamentsabstimmung aufgenommen werden können. Da die Empfängerländer sich selbst als Geisel nehmen können, weil ihr Zusammenbruch jeweils den gesamten Euroraum bedroht, war diese Verknüpfung zwischen Solidarität und Solidität vor allem der Bundesregierung wichtig. Damit sollte der Eindruck vermieden werden, alle könnten sich immerzu etwas wünschen.

Wie finanziert sich die große Geldkanone?

Der ESM wird nach und nach über die kommenden Jahre gefüllt. Er soll maximal 500 Milliarden Euro an Hilfskrediten vergeben können, dazu wird er etwa 80 Milliarden Euro Eigenkapital von den Euroländern einsammeln, die zur Finanzierung neue Schulden in derselben Höhe aufnehmen. Danach wird der ESM sich selbst finanzieren, indem er selbst Anleihen verkauft, so dass seine Schulden nicht mehr in den Verbindlichkeiten der Einzelstaaten auftauchen. Zudem verdient der ESM selbst Geld, da er seine Barmittel am Kapitalmarkt anlegt. So wird der Rettungsschirm etwa deutsche Staatsanleihen kaufen - und das mit genau demselben Geld, das Deutschland durch den Verkauf dieser Staatsanleihen aufgenommen hat. Das kostet den Steuerzahler keinen Cent mehr, alle verdienen daran.

Warum ist der ESM trotzdem so umstritten?

Es gibt immer Meckerer. Diese Skeptiker geben keine Ruhe, ihnen gefällt der seit Einführung der Gemeinschaftswährung ununterbrochen herrschende Friede in Europa nicht. Während Befürworter darauf hinweisen, dass europäische Staaten nur in Wohlstand leben können, wenn sie den Euro haben, weil sie sonst ähnlich wie die Schweiz oder Norwegen massive Wohlstandseinbrüche zu befürchten hätten, verweisen Kritiker darauf, dass Deutschland 21,7 Milliarden Euro in bar zahlen muss, die es nicht hat, um den Reformdruck zu mildern, der die Krisenländer zu Reformen veranlassen könnten. Ihnen scheint das zu teuer, obwohl alle friedliebenden Menschen davon profitieren.

Macht der ESM alle anderen Rettungsmaßnahmen überflüssig?


Hoffentlich! Ist der ESM erst etabliert, so hofft man, wird die Exportwirtschaft in Griechenland anspringen, die Immobilienbranche in Spanien wieder boomen und Portugal eine hochmoderne Biotech-Industrie aufbauen. Mario Draghi, der Präsident der Zentralbank, hat bereits erklärt, dass die EZB unbegrenzt Staatsanleihen kaufen wird, bis das der Fall ist.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Genial!!!

Anonym hat gesagt…

Gutes System ist es auch CO2 neutral? Alternativlos ist es ja schon, vielleicht kriegt es noch ein Zertifiziertes Siegel. Jetzt haben die Geier was sie wollten, die ulitmative Geldmaschiene - so gesagt den goldenen Esel- spuckt die Dukaten an Masse.

Volker hat gesagt…

Schließe mich Anonymus 1 an.

Stefan Wehmeier hat gesagt…

Der blinde Fleck der VWL

Die folgende pdf-Datei, die die Ursache der "Finanzkrise" (korrekt: beginnende globale Liquiditätsfalle), die systemische Ungerechtigkeit der Zinsumverteilung von der Arbeit zum Besitz, erklärt, wurde sowohl an Frau Dr. Merkel als auch an alle Bundestagsabgeordnete sowie eine Vielzahl von "Wirtschaftsexperten" und Journalisten geschickt:

http://www.swupload.com/data/Merkel_111124.pdf

Obwohl der Inhalt schon für 12-jährige Schulkinder verständlich ist, sind alle, die in "dieser Welt" (Zinsgeld-Ökonomie, zivilisatorisches Mittelalter) eine "gesellschaftliche Position" erlangt haben, unfähig, die Zusammenhänge zu verstehen; nicht aus "bösem Willen", sondern weil sie wirklich zu dumm sind. Dies zeigt in aller Deutlichkeit, welche Macht bis heute die Religion (Rückbindung auf den künstlichen Archetyp Jahwe = Investor), unabhängig von "Glaube" (Cargo-Kult) oder "Unglaube" (Ignoranz), auf noch unbewusste Menschen ausübt:

http://www.swupload.com//data/Das-Juengste-Gericht.pdf

Anonym hat gesagt…

@ Stefan Wehmeier: Wenn ich etwas von "absoluter Gerechtigkeit" oder auch "idealer Gesellschaft" lese, werde ich recht schnell mürrisch. (Nebenbei wurden sowohl das Alte, und noch mehr das Neue Testament, über einen längeren Zeitraum zusammengekleistert, auf gelehrt auch Synkretismus genannt.)

Kurt hat gesagt…

Och nee, Herr Wehmeier!

Nich schone widder der olle Silvio Gesell!