Mittwoch, 30. Januar 2013

Schnelle Bremse aus der Worthülsenfabrik

Erst kam der "Rettungsschirm", dann die "Energiewende", dann folgten "Stromautobahnen" und "Wachstumspakt", ehe "Schuldenbremse", "Mietpreisbremse" und "Benzinpreisbremse" nun das Zeitalter der Fortschrittentschleunigung bei den Sprachinnovationen aus der Bundesworthülsenfabrik (BWHF) einläuteten.

Mit der Forderung nach einer "schnellen Strompreisbremse" hat Bundesumweltminister Peter Altmaier neue Maßstäbe für neue Begrifflichkeiten zur Darstellung ungreifbarer Inhalte gesetzt. Ein halbes Jahr nach Vorlage des revolutionären Zehn-Punkte-Planes zu energetischen Umgestaltung Deutschlands profitiert der Energiegroßverbraucher Altmaier dabei von einer Bestellung, die noch sein durch die Idee eines energetischen Lebens-Limits bekanntgewordener Vorgänger Norbert Röttgen in der Berliner Worthülsenfabrik aufgegeben hatte.

Röttgen hatte nach einem neuen Fachbegriff verlangt, mit dem sich der deutsche Energieausstieg optimistisch umschreiben lassen sollte. Nach dem großen Erfolg der sogenannten "Brems-Serie", so heißt es in der BWHF, habe eine kleine Sondereinheit von BWHF-Geschwätzdesignern daraufhin in monatelangen Laborversuchen ermittelt, wie sich aus niedrigenergiehaltigen Resten des Atomausstiges und der im Volk ebenso bekannten wie beliebten Vokabel „Bremse“ ein nachhaltiges neues zusammengesetztes Substantiv bilden lassen könnte.

"Strompreisbremse" orientiert sich nun dicht an den Vorgängern "Mietpreisbremse" und "Benzinpreisbremse", verspricht aber dank innovativer technischer Ansätze, noch kostenneutraler in die Wirtschaftskreisläufe einzugreifen. Durch die Strompreisbremse habe "die unbegrenzte Subventionierung der regenerativen Energien ein Ende", sagte Altmaier voraus, der sich bei der Umsetzung der Bremse am Erfolg der venezoelanischen Regierung beim Verbot der Inflation orientiert. Die Strompreisbremse besteht bei Lichte betrachtet völlig aus sich selbst, ist also Wort allein, das seine Macht aus der eifrigen medialen Wiedergabe gewinnt.

Dass sich der neugeschaffene Begriff aus zwei völlig wesensfremden Worten zusammensetzt und keinerlei inhaltliche Substanz hat, macht allerdings die staatlichen Worthülsendreher, die sich selbst gern und nicht nur spaßhaft als "Staatsdeutsch-Komponisten" bezeichnen, ganz besonders stolz. Je hohler der Begriff, desto überzeugender klinge das inhaltsleere Gewäsch, mit dem sich das politischen Spitzenpersonal der Republik ein prächtiges Gepränge von Sachverstand und Tatkraft gebe, heißt es in Berlin, wo derzeit Vorarbeiten laufen, um pünktlich zur Bundestagswahl eine völligartige "Politik-Bremse" zu kreieren.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Sprachschmiede haben es geschafft, scheinbar einander abstoßende Begriffe zur schnellen Bremse zu verschweißen. Hier treten sie in die Fußstapfen eines Peter Weiss, eines Ror Wolf.
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Grüß dich Mehmet!
Grüß dich Murat!

Eh, geile Karre hast du dir zugelegt!
Klar, Alter, Chiptuning, Tieferlegung und morgen lasse ich eine schnelle Bremse einbauen.

Ey, was?

Schnelle Bremse, ey kennst dich nicht aus, oder? Besser als scheiß normale Bremse. Guckst du in Katalog.

Ey krass Alter! Ich bestell mir auch so scheiß schnelle Bremse!

Anonym hat gesagt…

Das Phänomen ist altbekannt:


Zitat Mephistopheles aus Faust I:

"Schon gut! Nur muß man sich nicht allzu ängstlich quälen
Denn eben wo Begriffe fehlen,
Da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein.
Mit Worten läßt sich trefflich streiten,
Mit Worten ein System bereiten,
An Worte läßt sich trefflich glauben,
Von einem Wort läßt sich kein Jota rauben."

Es war schon immer eine bewährte Methode der Rosstäuscher-Diskurhoheiten aus dem Füllhorn der Hohlphrasen immer wieder ein
neues 'Exemplar' zu zücken. Denn wer die Definitionshoheit über Begriffe und ihre Konnotationen hat, gewinnt auch die Lufthoheit über die Gedanken, siehe auch Orwell.