Donnerstag, 4. Juli 2013

Medien in der Moderne: Nonsens-Konsens

Wie man wurde, was man ist, und wo man hinkommt, wenn die Mediendynamik regiert: Peter Sloterdijk hat anlässlich der der Verleihung des Börne-Preises, der ihm vom früheren Preisträger Henryk M. Broder überreicht wurde, einen „Bericht über die Einholung des Weltflüchtlings durch Medien“ erstattet. Sloterdijk nahm dabei Bezug auf die vor einigen Jahren vom An-Institut für Angewandte Entrophie in Halle an Saale vorgelegte Emp-Theorie, allerdings berichtete der Großphilosoph aus eigener Erleben. Im Spätsommer 1999 sei er gegen eigenen Willen zum ersten Mal in die Mühle der Medien geraten, als er seine kleine Rede „Regeln für den Menschenpark“ gehalten habe, so Sloterdijk. Eher beiläufig sei er damals auf die beunruhigenden Perspektiven der Gentechnik eingegangen und er habe dabei einer „leisen Trauer über den Zerfall der alteuropäisch-literarischen Bildungsidee Ausdruck verliehen.

Soweit die Erinnerung, die von der nachfolgenden Debatte nicht bestätigt wird. Sloterdijk beobachtete damals am eigenen Beispiel, wie ein Thema losgetreten und den Berg hintergejachtert wird. „In diesem Vorgang bekam ich ein drittes Auge eingepflanzt“, glaubt er heute, „das von da an den medientheoretischen Blick besaß.“

Wie andere von der schieren Macht der blödsinnigsten Behauptungen faszinierte Zeitgenossen beobachtet Sloterdijk seitdem „den Wirbel aus sich selbst zitierenden Zitaten, wie er wochenlang durch die Medien kreist“, er hört „die Wildbäche der trüben Meinung gurgeln“ und registriert „die sich täglich verlängernden Sequenzen aus Kommentaren und Kommentarskommentaren“.

Die Mediendynamik, niedergeschrieben in wenigen kompakten Grundgesetzen, ist immerdar. „Der Nonsens entwickelte ein wunderliches Eigenleben in immer kleineren, selbstähnlichen Abbildungen“, beschreibt Sloterdijk anhand seines eigenen Falles. was bei „Spiegel“ und „Stern“ noch dröhnend und herrisch, großformatig und großinquisitorisch begonnen hatte, wiederholte sich in den „possierlichen Verkleinerungen der späteren Abschreiber immer wieder und immer wieder, bis zuletzt auch der ,Entenhausen Daily´die Botschaft weitergegeben hatte“.

Ein Muster, das Eva Herman und Thilo Sarrazin genauso erlebt haben dürften. Genau wie Sloterdijk plötzlich zum Propheten der Menschenzucht geworden war, hatte ein hysterisch um Aufregung balgendes Bataillion von Medienarbeitern auch in ihrem Fall nicht gelesen, nichts verstanden, aber Schlüsse gezogen: „Mit uns nicht!“

Peter Sloterdijk hat das Ende der Affäre ganz besonders bewundert. „Ich sah zu, wie nach wenigen Wochen die Fluten schlagartig zurückgingen.“ Kurz danach sein es gewesen, als ob nie etwas geschehen sei. „Nicht einmal Aufräumarbeiten waren nötig, die Angehörigen der rechthabenden Klasse ließen gleichsam von einer Minute auf die nächste von der causa Menschenpark ab, um sich anlässlich der beginnenden Buchmesse auf andere Objekte zu konzentrieren, die neue leichte Siege der Lektüre über den Text in Aussicht stellten“.

Sloterdijks Ausbildung zum Mediologen war an diesem Punkt abgeschlossen. „Ich wusste jetzt, dass Massenmedien nicht informieren, sondern zeichenbasierte Epidemien erzeugen.“ Er habe zudem begriffen, dass die Menschenrechte des Originals gegen die Gewalt der Paraphrase nicht zu schützen seien und dass es auf massenmedialer Ebene nie um Argumente gehe, sondern um die „Einspritzung mentaler Infektionen“: Auf der Themenbörse hätten nur jene Verzerrungen Marktwert, die dem Verzerrer Gewinn eintragen.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ganz ähnlich den phys. Erhaltungssätzen, wie z. B. die Impulserhaltung, gelten in unserer „republica bananica absurdistanica alemania“ die Gesetze von der Erhaltung einer Mindest-Hype, bzw. einer Basis-Hysterie.
Ziel ist die Aufrechterhaltung der „German Angst“ ist. Denn nur damit lassen sich die immer noch hochvirulenten Faschismus-Gene, und der dadurch permanent drohende Ausbruch eines 4-ten Reiches, in Schach halten.
Denn mindestens 5-6 tragende Säulen braucht die Dauerknieschlottererzeugung . Das sind z. Z. das pöööse Zeh-Oh-Zwo, die heimtückische Nazi-Gefahr, das teuflische Atoooom, die (schon etwas verblasste) AIDS-Gefahr, das sinistre Patriarchat, der perfide Kapitalismus und gelegentlich, falls zu viel Sorglosigkeit um sich greift, das Waldsterben und das Ozonloch.

Neben diesen „Konstanten“ werden periodisch „variable Paniken“ lanciert, wie Schweine/Vogel-Grippen, Ehecs, Rinderwahnsinn, Acrylamide, GAUs, Aschewolken, und derlei erschröckliche Bedrohungen/Gifte/Seuchen mehr.

Eigen ist sowohl den festen als auch den variablen Hysterien ist ein sinusoidales zeitliches Muster. Es ist genau auf die Reiz-Reaktions-Trägheit der Massen abgestimmt, sodass schon die nächste (n + 1-te) Hype am Horizont auftaucht, so die n-te gerade abebbt.

Jede dieser landesweit grassierenden, zyklischen Hysterien werden infam zur weiteren Entmündigung, Gängelung und Abschröpfung der Bürger missbraucht, als ob mit den „konstanten Bedrohungen“ nicht schon genug Wahnideen, Lügen, Betrug, Milliardenvergeudung, Misswirtschaft und Totalverblödung des Landes gerechtfertigt würde .

Ano-Nymus