Mittwoch, 30. Oktober 2013

Millionen mögliche Täter

Über Jahre verübte er Anschläge, wahllos suchte er seine Opfer aus - und obwohl hunderte argloser Autofahrer betroffen waren, schwiegen die Medien wie ein Stein. Das BKA fahndete, jedoch in aller Stille und über mehr als fünf Jahre ohne jeden Erfolg: Der geheimnisvolle Terrorschütze, der Lkw-Fahrer auf der Autobahn beschoss, blieb ein Phantom.

Erst im Sommer gelang es, den Täter zu fassen, plötzlich und unerwartet wallte eine kurze, aber steile Berichterstattungswelle durch die Qualitätszeitungen. Der "Autobahn-Schütze" ist danach ein schnauzbärtiger Fernfahrer namens Micha K., 57 Jahre alt und beheimatet in der Eifel-Gemeinde Kall. Seit Juli 2008 habe der ursprünglich aus der DDR stammende Berufskraftfahrer mehr als 700-mal auf Autotransporter geschossen und dabei eine Frau lebensgefährlich verletzt.

Soweit, so wahnsinnig. Im Lichte des NSA-Skandals aber erscheint noch wahnsinniger, mit welchen Fahndungsmethoden das BKA dem Täter auf die Spur kam: Die Fahnder postierten an den vom Schützen häufiger besuchten Autobahnabschnitten Kennzeichenlesegeräte, mit deren Hilfe über ein halbes Jahr verteilt 60 Millionen bis 80 Millionen Kfz-Kennzeichen vorüberfahrender Autos erfasst und 3,8 Millionen von ihnen gespeichert wurden. Parallel zu den 25.000 täglich fotografierten Kennzeichen wurden rund 600.000 Verbindungsdaten von Mobilfunkmasten entlang der jeweiligen Autobahnabschnitte erfasst. Funk- und Kennzeichendaten wurden in einem zweiten Schritt miteinander abgeglichen - und 50 Fahrzeughalter daraufhin als mögliche Täter ermittelt. Auch bei 312 Handynutzern erfolgte die Feststellung von Namen und Anschrift, weil sie aufgrund ihres Bewegungsprofils als Täter hätten infrage kommen können.

Am Ende führten die Daten die Fahnder zu Micha K.

Ein schöner Erfolg einer Schleierfahndung, bei der nahezu viereinhalb Millionen Deutsche ohne jeden konkreten Tatverdacht und ohne ihr Wissen einer Tiefenprüfung unterzogen wurden. Gegen diese anlasslose Überprüfung der Lebens- und Bewegungsgewohnheiten von fünf Prozent aller Deutschen war die Rasterfahndung nach der RAF ein Haschespiel im Kindergarten. Doch Ende gut, alles gut. Nach ersten Lobeshymnen die "Geschichte einer ungewöhnlichen Verbrecherjagd", die erfolgreich war, obwohl "alle konventionellen Suchmethoden erschöpft" gewesen sind, verstummt die Berichterstattung über die größte Ausspähaktion der bundesdeutschen Geschichte abrupt und nachhaltig.

Besser so, denn schon lange vor Beginn der Ausspähaktion hatte das Bundesverfassungsgericht die massenhafte Erfassung von Autokennzeichen für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ein Trottel. Er hätte nur die richtigen Bekennerschreiben hinterlassen müssen, da hätte Ströbele persönlich die Fahndung verhindert.

Anonym hat gesagt…

Der Beitrag enthält eine beruhigende, sowie eine alarmierende Information. Die beruhigende ist, dass er auf LKW-Fahrer schoss, die sich ja selbst fast ausschliesslich aus dem „Tätergeschlecht“ rekrutieren. Alarmierend ist indes, dass dabei dennoch eine Exponent.In des Opfer.Innen-Geschlechts auch noch lebensgefährlich verletzte.
(Ob und wie viele Männer verletzt wurden, und wie schwer, ist ohnehin in unserem Staats-Feminat vollkommen irrelevant.)

Spätestens dann war das „Schweigen wie ein Stein“ der Medien nicht mehr zu halten. – Andernfalls hätte die Entdeckung und Ergreifung eines LKW-Fahrer-Beschiessers mit der gleichen Lautlosigkeit erfolgen können, wie die vorangehende Fahndung.

Anonym hat gesagt…

hatte er wirklich sein Handy dabei ?

wie blöde ist das denn .