Samstag, 30. Januar 2016

Das Absterben des Staates

Es war Friedrich Engels, ein heute weitgehend vergessener Fabrikant und Philosoph, der das Absterben des Staates in einer Zeit vorhersagte, in der das Proletariat die Staatsgewalt ergreift und die Produktionsmittel in Staatseigentum verwandelt. In einer zweiten Phase hebe es dann alle Klassenunterschiede und Klassengegensätze auf, und damit auch den Staat als Staat.

 Nur die bisherige, sich in Klassengegensätzen bewegende Gesellschaft, so Engels, habe den Staat nötig, denn der sei eine Organisation der ausbeutenden Klasse zur Aufrechterhaltung ihrer äußeren Produktionsbedingungen, also namentlich zur gewaltsamen Niederhaltung der ausgebeuteten Klasse in den durch die bestehende Produktionsweise gegebenen Bedingungen der Unterdrückung durch Sklaverei, Leibeigenschaft oder Lohnarbeit.

Engels ist für seine Prognose gefeiert worden, Lenin, Stalin, Honecker und andere versuchten sich an einer Realisierung seiner Idee, blieben allerdings in jener frühen Phase stecken, in der der Staat nach Allmacht streben muss, um sich selbst möglichst schnell absterben lassen zu können.

Erst Angela Merkel, Hamburgerin mit klassenmäßiger Grundausbildung in den sozialistischen Künsten, gelang das Wunder: Mit ihrem Bekenntnis, Deutschland könne seine Grenzen nicht mehr schützen, leitete sie eine Phase der gesellschaftlichen Entwicklung ein, in der das Absterben des Staates greifbare Zukunftsperspektive wird.

Der Staat ist schon heute nicht mehr "der offizielle Repräsentant der ganzen Gesellschaft, ihre Zusammenfassung in einer sichtbaren Körperschaft", wie ihn Engels beschrieb. Sondern Repräsentant einer Gesellschaft, die seiner nicht mehr bedarf, weil sie die Entwicklungsstufe überwunden hat, in der der Staat sich über ein Staatsgebiet definieren musste, in dem er durch sein Gewaltmonopol die Macht ausübte, die ihm erlaubte, Steuern einzutreiben, mit denen er sein Gewaltmonopol finanzieren konnte.

Deutschland, vom Saulus zum Paulus unter den Nationen gewandelt, lebt in einem Daueraufschwung, der die Staatseinnahmen sprudeln lässt wie die aufgeschnittene Halsschlagader eines halalenen Rindes. Der "Kampf ums Einzeldasein" (Engel) und die "daraus entspringenden Kollisionen und Exzesse", die Staaten alter Ordnung noch zwangen, sich eine besondere Repressionsgewalt zu erhalten, benötigt dieser Staat neues Typs nicht mehr. Er gibt die Grenzen frei, die Plätze, die Straßen; er gestattet Linken Teilhabe an seinem Gewaltmonopol und er erlaubt Rechtsextremen ebenso, zu tun, was immer sie wollen.

Engels irrt, wo er meinte, der Staat müsse zuvor "als Repräsentant der ganzen Gesellschaft auftreten" und die Besitzergreifung der Produktionsmittel im Namen der Gesellschaft vornehmen, ehe er sich in einem "letzten selbständigen Akt" auflöse. Auch ohne diesen in der Dogmatik eigentlich zwingend vorgeschriebenen Schritt ist das Eingreifen der Staatsgewalt in gesellschaftliche Verhältnisse In Deutschland "auf einem Gebiete nach dem andern überflüssig" (Engels) geworden. Nun schläft es wie vom großen kommunistischen Vordenker prophezeit "von selbst ein".

Neidisch schauen all die anderen Völker. Sie schauen auf dieses Land in der Mitte Europas. Sie schauen die Zukunft.

("Anti-Dühring", "Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft", dritte deutsche Ausgabe, S. 301 - 303.) (4)



4 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

Neidisch schauen all die anderen Völker. Sie schauen auf dieses Land in der Mitte Europas. Sie schauen die Zukunft.

Nunja, neidisch vielleicht, weil es für's Regieren viel leichter ist, alle Entscheidungen alleine zu treffen und auf Gesetze zu scheißen.

Aber bereits an der Landesgrenze zu Bayern, eigentlich zu jedem Landkreis, schlägt der Neid in blankes Entsetzen um und man wendet sich mit Grausen von diesem Blick in die eigen Zukunft ab.

Am deutschen Wesen wollen sie dann doch nicht genesen, unsere Nachbarn.

ppq hat gesagt…

das ist eben das traurige. dass die welt nicht sehen will, wie gut es ihr täte, so zu sein (oder erstmal werden zu wollen) wie wir.

Anonym hat gesagt…

6. Absatz 4. Zeile im "noch" fehlt das "o" - was hat das zu bedeuten???

Carl Gustaf hat gesagt…

Danke Herr PPQ, wegen solcher Texte schaue ich hier immer wieder gerne mal vorbei.

Ganz großes Kino ist das hier: "... Angela Merkel, Hamburgerin mit klassenmäßiger Grundausbildung in den sozialistischen Künsten ...". Ich bitte, dies bei Gelegenheit zitieren zu dürfen!