Donnerstag, 31. August 2017

Wurzeln: Ein wachsendes Phänomen

Die Bedeutung sogenannter "Wurzeln" steigt, seit sich die SPD der Erblehre von Lyssenko angeschlossen hat.
Aydan Özoguz hat sie, der Fußballer Thomas Müller hingegen nicht. Cem Özdemir sind sie anzusehen, Horst Seehofer dagegen wäre zu viel Ehre angetan, attestierte man, dass er welche hat. "Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar", hat Özoguz, die von der SPD gestellte Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, denn auch schon vor längerer Zeit festgestellt. Deutscher ist, wer in Deutschland lebt, darauf deutet schon die Abstammung des Begriffes "deutsches Volk" hin, der sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Damals trat zum Wort "Volk", mit dem Schweinehirten die Gesamtheit ihrer schutzbefohlenen Schweine bezeichneten, das Adjektiv "teotisce", "tiutiscae" oder auch "diutisg", das vom germanischen Wort theudo - zu Deutsch deutsch - abstammte.

Dies wiederum bezeichnet den "Stamm" oder eben "das Volk", das deutsche Volk ist also nichts anderes als das Volk des Volkes, es hat keine spezifisch Kultur jenseits der Sprache. Womit unumstößlich fest steht: Das Volk ist im Falle Deutschlands das zum Volke gehörende Volk, das dadurch beschrieben wird, dass es lebt, wo es lebt, egal, so hat Angela Merkel festgelegt, ob schon länger oder erst ganz kurz.

Der einzige Unterschied sind die Wurzeln, die ein solches "deutsches" Volk natürlich nicht haben kann, weil es ihm nicht nur an gemeinsamem Genen mangelt, wie sie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" beharrlich etwa für das jüdische Volk diagnostiziert. Nein, nach Özoguz fehlt es eben auch an Sitte, Gebräuchen, gemeinsamen Erinnerungen und gemeinsamer Verantwortung. Wer hier lebt, wird damit automatisch Deutscher, allerdings einer, der zugleich einer neuen, besseren Generation von globalisierten Germanen angehört: Zum Heimatland tritt die Nebenheimat. In einem ist man zu Hause, in dem anderen daheim. Oder, wie der gescheiterte SPD-Chef Sigmar Gabriel lobt: Man ist deutsch. Und "türkischstämmig".

Es ist Ehrensache, dass ein Türke Wurzeln hat, selbst wenn er in der dritten oder vierten Generation in Deutschland lebt und als Kind deutscher Staatsbürger aufwuchs. Und dass der, der über keine verfügt, stolz darauf ist. Alle Menschen sind gleich geboren, gleich schnell, gleich groß und gleich intelligent, wenn man sie entsprechend fördert, das hatte der sowjetische Agrarwissenschaftler Trofim Denissowitsch Lyssenko schließlich schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrtausends herausgefunden. Aber mit Wurzeln. Noch besser.

Dass sich die Eigenschaften von Organismen nicht durch vermeintliche Gene, sondern durch Umweltbedingungen herausbilden, so dass unter bestimmten Bedingungen nicht nur aus Weizenkörnern Roggenpflanzen hervorgehen können, sondern sich Töchter anatolischer Bauern, Söhne kurdischer Gastwirte und Schwestern bekannter Islamisten als komplett kultur- und geschichtslose Deutsche fühlen können, gilt inzwischen als bewiesen. Wenngleich mit der Einschränkung, dass eben jene "Wurzeln" immer bleiben, so lange es sich beim Betroffenen nicht um einen Längerhierlebenden handelt. Cem Özdemir ist Schwabe, aber "türkischstämmig". Özoguz, geboren in Hamburg wie Uwe Seeler, ebenso.

Nur bei Deutschen, die schon immer hier leben, sind die vielbeschworenen "Wurzeln" kaum nachweisbar: "Türkischstämmig" kommt bei Google auf 36.000 Treffer. "Deutschstämmig" dagegen auf ganze 522. Wobei die Bedeutung von "Wurzeln" insgesamt gleichzeitig seit Jahren steigt, wie der Langfristchart bei Google Trends (oben) zeigt: Seit 2004 hat die Verwendungshäufigkeit des Wortes verdoppelt.

Mit zunehmend gelingender Integration scheint die Frage immer wichtiger zu werden, woher jemand kam, ehe er dort lebte, wo er lebt.




1 Kommentar:

Gernot hat gesagt…

Während sie die nachgewiesenen genetischen Unterschiede - oder besser Eigenarten - von Völkern bestreiten, forschen sie an ethnisch selektiv wirkenden Waffen.