Freitag, 4. Juli 2008

Erpressung im Elbtal

Seine Mitglieder sind anonym, seine Ratsschlüsse rätselhaft. Stolze 851 Denkmäler in 140 Länder umfasst die vom der sogenannten Unesco-Welterbekommission erstellte Unesco-Welterbe-Liste, kein Mensch kennt sie alle, kein Mensch weiß, dass die Ruinenstadt Persepolis und die Ruinenstadt Tschoga Zanbil im Iran, die Ruinen der Partherstadt Hatra und die Ruinen der biblischen Siedlungshügel Megiddo, Hasor und Beerscheba in der Wüste Negev dazugehören. Außerhalb Deutschlands weiß deshalb vermutlich auch kein Mensch, dass das Dresdner Elbtal 2004 zum wichtigen Teil des Welterbes erklärt wurde - hierzulande allerdings kann niemand diesem Wissen entgehen, weil dem Elbtal "die Aberkennung des Titels droht" (Die Zeit).

Wegen der "umstrittenen Waldschlösschenbrücke" (Der Spiegel) nämlich. Zwar war der Welterbekommission zum Zeitpunkt der Verleihung bekannt, dass demnächst eine Brücke den wunderbaren Canaletto-Blick durchschneiden würde. Während aber Ruinen, die logischerweise nicht mehr den Originalzustand des jeweiligen Welterbestückes, sondern seine zerfallenen Rudimente repräsentieren, für die Unesco-Kommission welterbewürdig sind, ist es ein Elbtal mit Brücke nicht. Es gilt die Regel "Verfall ist gut, Neubau schlecht", wie ein Blick auf die komplette Liste verrät.

Statt aber nun, da die Bauarbeiten zur Errichtung begonnen haben, den Erbe-Titeln endlich abzuerkennen, damit die unbeteiligte Bevölkerung von weiteren Meldungen um den Dresdner Brückenstreit verschont bleibt, heizen die Kommissionsmitglieder - vertreten sind derzeit Länder wie Bahrain, Kuba, Barbados, Madagaskar und Nigeria, die Diskussion weiter an.

Denn nach drei Jahren Drohens und Mahnens darf das Elbtal seinen Titel als Welterbe nun doch behalten, aber natürlich nur "vorerst" (dpa). Voraussetzung für eine dauerhafte Titelverteidigung ist nach dem Willen der Unesco, dass Dresden die Bauarbeiten an der Waldschlößchen-Brücke beenden muss. Die Welterbeverwalter haben in Stellvertretung für Sachsen und die Dresdner entschieden, dass statt einer Brücke ein doppelt so teurer Tunnel gebaut werden muss.

«Wenn die Konstruktion der Brücke nicht gestoppt und der Schaden gutgemacht wird, wird das Elbtal 2009 von der Liste des Welterbes gestrichen», heißt es in einer Mitteilung der UN-Kulturorganisation. Bereits im vergangenen Jahr hatten die Kommissionsmitglieder ein Ultimatum verhängt und mit Aberkennung gedroht, jetzt gibt es erneut Verlängerung und nochmal zwölf Monate mit "Brückenstreit" (Die Welt) und angeblicher Aberkennungsangst.

Nicht bedroht ist der Welterbestatus der Altstadt von Havanna, die seit etwa 30 Jahren beharrlich verfällt (Foto oben). Vorerst helfen kunstvoll gefertigte Abstützstreben zwischen den einfallenden Häusern echts und links der kleinen Gässchen (Foto unten), die selbst schon Welterbestatus haben dürften. Und wenn die die Häuser irgendwann auch nicht mehr aufrecht halten können, fallen sie halt ein. Dann werden eben die Ruinen der Altstadt von Havanna Welterbestatus haben - schließlich sitzt ein Vertreter der - im Gegensatz zur Waldschlösschenbrücke demokratisch legitimierten kubanischen Regierung - im Welterbekomitee.

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Danke binladenhüter,
leider werden das nicht allzuviele lesen, im Gegensatz zu den Artikeln in der Qualtitätspresse u. -fernsehen über die pööösen Dresdner Brückenbauer.

Eisenschwein hat gesagt…

irgendwie - warum nur? - erinnert mich das an irland und die eu.

Anonym hat gesagt…

man kann sich so ne Brücke, die niemand braucht, auch schönreden

wenn die Baufirmen erstmal ihre Nachträge aus der Tasche holen (natürlich erst, wenn das letzte Baustop-Risiko verbannt ist) und die Brücke weit über 200 Mio kostet, wird das Kostenargument nicht mehr greifen - aber auch niemanden mehr wirklich interessieren.

traurig sowas...

Zum Beitrag der verfallenden Welterbestätten braucht nix gesagt werden - oberflächlicher und niveauloser gehts wirklich nicht
Schließt sich sozusagen dem Niveau der Brückenbauerfraktion nahtlos an. Gratulation.

Anonym hat gesagt…

Meiner Meinung nach sollte der Brückenstreit nach dem Bürgerentscheid 2005 vom Tisch sein. So sollte das hierzulande nunmal funktionieren. Andernfalls braucht niemand zu behaupten, demokratisch legitimiert zu sein, wenn man Demokratie nur akzeptiert, wenn es zu eigenen Meinung passt.

PS: Der Canaletto-Blick wird durch die Brücke nicht verbaut ;-).