Dienstag, 9. Juni 2009

Verbot der Woche: Nach der Büchse nun die Flasche

Gut ausgedacht war das alles mit dem Verbot der Getränkedose, die die weltweit erste aktenkundige Entfindung einer ingenieurtechnischen Entwicklung durch eine Regierung weltweit war und die so ertragreiche PPQ-Aktion "Verbot der Woche" überhaupt erst inspirierte. Die Welt würde gerettet, das Klima zurückkippen, an den Straßenrändern lägen nicht mehr soviel tatenloses Weißblech und die Pfandflasche als solche würde selbstverständlich ein großes Comeback feiern.

Es kam auch alles, wie es kommen musste. Statt teure Büchsen voller Bier zu kaufen, die nach Leerung achtlos ins Gebüsch flogen, stiegen Deutschlands Partytrinker auf Pfandflasche um. Natürlich nicht in der Absicht, am Ende einer langen Partynacht mit einem Dederonbeutel voller Leergut heimwärts zu taumeln. Ökonomisch völlig korrekt, rechnen selbst rechenunkundige Trinker aus bildungsfernen Schichten anders: Die Bierbüchse kostet 50 Cent, die fort sind, wenn ich sie wegwerfe. Die Flasche aber kostet nur acht, und sie beim Abgang kracht sie auch noch.

Seitdem ist Deutschland jeden Samstag, jeden Sonntag und jeden Montag von Nord nach Süd mit Glasscherben bedeckt wie eine mahnende Installation an die Reichskristallnacht. Selten nur kann die neuentstandene soziale Schicht der Flaschensammler schnell genug alles greifen, was hinter den kalten Genußrechnern zu Boden fällt. Der Rest zerscheppert, zerdeppert, dient als scharfkantige Waffe bei Schlägereien vor Diskotheken, wird zum Wurgeschoss gegen anrückende Polizisten und macht Deutschland ein Stück ökologischer, für Barfußläufer aber auch etwas schwieriger zu durchwandern.

Der Hamburger Senat reagiert jetzt entschlossen: Mit einem Flaschenverbot auf dem Kiez von St. Pauli. Er reagierte damit auf die Zahl der Schlägereien auf und an der Reeperbahn, bei der Flaschen als Waffen eingesetzt wurden. Nach Angaben der Polizei gab es 2008 fast 130 Fälle - 2000, als die deutschen Wandertrinker und Grillpartybesucher noch aus Dosen tranken, waren in vergleichbaren Fällen gar keine Flaschen zur Hand. Das Flaschenverbot gilt jeweils an den Wochenenden von 22 bis 6 Uhr sowie vor und an Feiertagen, es so alle Arten von Getränkeflaschen betreffen, auch Saft- und Milchflaschen.

Bewährt es sich, dürfte eine deutschlandweite Verhängung nur noch eine Frage der Zeit sein. Dann müssen Biertrinker und Weinliebhaber, die unterwegs trinken wollen, auf Tütengetränke umsteigen: Ein findiger Geschäftsmann aus Weißenbroda im Vogtland ist derzeit dabei, die alten Milchbeutelbefüllanlage der ehemaligen Genossenschaftsmolkerei in Wartau/Dosse mit Hilfe japanischer Gefriertechnologie so umzurüsten, dass Markenbiere ohne großen Geschmacksverlust in praktische Polyethylenbeutel abgefüllt werden können.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Gelegentlich muß auch mal Lob sein:
Das war noch besser als der geniale letzte Satz des Stiegler-Artikels ("Thießen, der als Sektenbeauftragter der SPD-Bundestagsfraktion arbeitet und fürchtet, sich bei weiterer schrumpfender Wählerbasis später auch um die eigene Partei kümmern zu müssen.")

Friederich hat gesagt…

Ja schon, der Artikel ist einerseits nett, aber andererseits doch auch ziemlich diskriminierend. Man hat es ja nicht mal nötig, den Spät- oder Westgeborenen zu erklären, was ein Dederonbeutel ist. Das wird wieder viele hilflose Leser hinterlassen.
Zum Glück gibts Onkel Friederich.

ppq hat gesagt…

er hätte regulär auch im ersten anlauf mit können und nicht mit kann enden sollen.

aber wir diskriminieren können und wir diskriminieren den westen, wies dem durkchefelrefule gerade passt.

der hinweis von friedrich ist aber goldrichtig. wir planen jetzt ein lexikon der vergessenen ddr-begriffe, haben aber vergessen, welche das waren

ppq hat gesagt…

ergänzend: onkel friedrichs bild ist genial

nwr hat gesagt…

Die neue Öko-Losung:

Pack dein Bier
in Altpapier!

Friederich hat gesagt…

Das spannende ist doch: Wenn, wie im Artikel angedeutet, die Schauchbeutel wiederkommen, dann müßten ja auch diese Schlauchbeutelständer eine Renaissance erleben. »Schlauchbeutelständer« ist übrigens ein Wort, das Google nicht kennt, das muß also unbedingt ins Lexikon. Oder wie haben diese Dinger geheißen, die das Zusammenrutschen einer Milchtüte verhindert haben? Hatten die überhaupt einen Namen oder waren die genauso namenlos wie diese Riegel an den Supermarktkassen, die auf dem Band die Waren verschiedener Kunden optisch abgrenzen … na Ihr wißt schon, was ich meine …?
So einen Schlauchbeutelständer habe ich letztens in einem ungarischen Gästequartier im Kühlschrank gefunden. Da konnte ich gleich mal eine Geschichtsstunde mit den Kindern abhalten.
Vielleicht sollte man die Dinger jetzt einfach als Geschmacksmuster schützen lassen und reich werden.

Es wird auch spannende Szenen geben, wenn z. B. in Halle-Neustadt schon etwas angetrunkene Alkis am Pommesstand vor dem Aldi mit dem Taschenmesser einen weiteren Bier-Schlauchbeutel aufschneiden, der vorher schon etwas geschüttelt war.
Vielleicht wird ja auch Frau Bätzig darauf bestehen, daß Alk nur noch im Schlauchbeutel verkauft werden darf, weil die Dinger so uncool sind, daß dann garantiert kein Teenie mehr säuft.