Donnerstag, 27. Mai 2010

Neue alte Geschäftsideen


Es ist alles anders und trotzdem wie immer. Mitten in der Krise trotzen einige allen Gesetzen, machen Umsätze wenn andere aus den Miesen nicht mehr rauskommen. Wie das in einem winzigen Ort in Mecklenburg-Vorpommern geschieht, beschreibt der berlinpankowblogger in einer Kurzschrift über ein Erdbeerfeld und seine Folgen.

Aus Erdbeeren wuchs hier ein Kaufrauschhaus voller Ramsch und Kram, schreibt er. Und weiter: Vor den Augen fängt es an zu Flimmern, das Herz rast und das Hirn bittet dringend um andere Bilder. Alles ist blau und rot und weiß. Es gibt alles und doch gibt es nichts. Nichts, das man braucht. Aber alles, was man brauchen könnte. Hier, an der Bundesstraße 105 zwischen Rostock und Stralsund, hat ein gewisser Karl eine ganze Welt Begehrlichkeiten geschaffen, die vorher nicht vorhanden waren.

Tausende von Leuchttürmen und Schiffen türmen sich hier auf, als wolle man den Weltmarkt samt China mit den Modellen überschwemmen. Jedes einzelne Modell mit einem Pappschildchen versehen, das es eindeutig als Produkt von Karls Erdbeerhof ausweist. Zwischendrin Hektoliterweise Erdbeer- und alle anderen Fruchtweine, Schnaps und Bier. Die Regale reichen bis unter die acht Meter hohe Decke, sind endlos lang und scheinen sich selbst automatisch mit neuen Produkten zu versorgen.

Wer es schafft, nichts zu kaufen, soll wenigstens gucken. Sieht man nach oben, kann man sich an ziemlich genau 13.267 Kaffeekannen erfreuen. Unter der Decke des riesigen Bauernmarktes (Eigenname) steht die (2009) weltgrößte Sammlung (Eigenwerbung) dieser Kännchen. Und während sich Radfulf-Kevin und Klein Cindy im Tobeland vergnügen, schaut Mama Cindy zu, wie in der Marmeladenküche frisches Erbeergelee gekocht, abgefüllt und verpackt wird. Eine reife Leistung, denn immerhin gibt es das eigentliche Hauptprodukt des Hofes wegen der fehlenden Sonne und Wärme erst in zwei Wochen.

Macht aber nix, interessiert keinen. Draußen glüht der Grill und Bratwürste, Steaks, Fleischspieße und Pommes gehen auch lange vor der Erntezeit der süßen Früchte zentnerweise über den Tresen. An der nächsten Ecke gibts Fischbrötchen und Bier, und Kaffee und Limonade. Die Kleinen fahren mit der Traktorbahn, drehen Runden im Fliegenden Kuhstall, die Alten gönnen sich eine Portion Spargel (den gibts schon) sowie ein Gläschen Erdbeerwein vom vergangenen Jahr. Ein guter Jahrgang, hört man an es an den Tischen tuscheln.

Gerade fährt noch ein Reisebus vor. Die Rentnertruppe aus Sachsen will zur Erdbeerbonbonmanufaktur und anschließend Erdbeertorte. Die gibt es aber eben noch nicht, Himbeertörtchen machen´s aber auch. Dann geht es noch vorbei an der Hasenbahn zum Dorfkrug. Dort fließt der Wein und auch das Bier aus dem Hahn und nebenan gleich noch ein paar "original von uns" gesammelte Bernsteine.

Wer Karl sein Erdbeerhof verlässt, hat wenigstens eine Tüte in der Hand und auf alle Fälle weniger Geld in der Tasche. Auch wenn es gar keine Erdbeeren gibt. Karl weiß eben, wie man das macht. Aus Scheiße Bonbon, hätte meine Oma dazu gesagt. Aber nicht bös gemeint, hätte sie auch noch gesagt. Denn immerhin: der Eintritt ist frei und fotografieren darf man auch wann und was man möchte. Im Gegensatz zu anderen, die mit ihren künstlich geschaffenen Begehrlichkeiten jeden und alle abzocken. Und Karl setzt noch einen drauf. Sogar auf dem Klo kann man hier noch was erleben. Deshalb auch Erlebnis-, und nicht mehr Erdbeerhof.


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