Mittwoch, 3. Dezember 2014

Prozess gegen Femen: "Merkel geht sehr berechnend vor"

Vor bald einem Jahr sprang sie mit nacktem Oberkörper auf den Altar des Kölner Doms, um gegen die Kirche und die Herrschaft des Patriarchats zu demonstrieren. Jetzt wird der mutigen Nackt-Aktivistin Josephine Witt in Köln der Prozess geamcht - es drohen drei Jahre Haft wegen angeblicher Störung der Religionsausübung. PPQ hat mit dem Deutschland-Kenner Werner Knopf über das Verfahren gesprochen, das international hart kritisiert wird. Im Interview erklärt Knopf die Rolle der Bundeskanzlerin und der Kirche in dem weltweit verfolgten Prozess.

PPQ: Das Verfahren gegen Josephine Witt ist im Begriff,  das Image Deutschlands in der Welt zu beschädigen. Hat die Justiz mit der Anklage überreagiert?

Knopf: Nein. Die Bundeskanzlerin ist sehr berechnend vorgegangen. Die Verschlechterung in den Beziehungen hat man billigend in Kauf genommen. Angela Merkel wird die Reaktionen sogar nutzen, um ihre innenpolitische Botschaft zu verstärken: Wir lassen uns von außen nicht kritisieren. Der Prozess ist wichtig für das Regime. Er erfüllte bestimmte Aufgaben: Einerseits sollte er abschreckend auf die Opposition wirken, andererseits bestimmte religiöse Gruppen hinter Merkel scharen. Das ist für die Bundesregierung wichtiger als das Image in der Welt.

PPQ: Welche Gruppen will die Bundesregierung durch das Manöver hinter sich bringen?

Knopf: Den großen konservativen Teil der Gesellschaft, der Aktionen wie den Witt-Auftritt ablehnt. Das ist Merkels Wählerpotential, die Bürger vom Land und aus den Städten der Provinz. Diese Leute lehnen eine vermeintliche Verwahrlosung der Sitten tendenziell ab. Die Mehrheit der Deutschen empfand den Nackt-Auftritt in der Kirche als abstoßend., obwohl Frau Witt ja recht lecker aussieht. da schaut man als Mann schon gern hin.

PPQ: Verstärkt das harte Vorgehen gegen die Nacktaktivistin den Zulauf der Protestbewegung gegen Merkel?

Knopf: Ich glaube nicht. Zwar wird die Frau zur Märtyrerin gemacht werden. Das ist für Merkel negativ, eine Art Pussy-Riot-Effekt, der ja auch Putin schwer zu schaffen gemacht hat. In der Hinsicht wird auch Frau Witt zur Symbolfigur, die von der Opposition genutzt werden könnte. Die Wirkung auf die breitere Bevölkerung aber wird begrenzt sein, weil Femen nur einem kleinen, sehr sexinteressierten und fast schon radikalen Teil der Opposition bekannt ist.

PPQ: Wird das Verfahren gegen Frau Witt zu einem Schauprozess?

Knopf: Dafür spricht schon das große Interesse staatstreuer Medien an dem Fall. Die Frau waren nur einen Moment in dieser Kirche nackt, aber von "Spiegel" bis zu den Staatssender hat jeder darüber berichtet. Das System Merkel hat zu diesem Zeitpunkt nach einem Vorwand gesucht, um gegen die Opposition vorgehen zu können und sie zu diffamieren. Josephine Witt, man muss das so sagen, kam da gerade recht, um die konservative Mehrheit zu mobilisieren.

PPQ: Warum befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung ein hartes Urteil gegen die Frau?

Knopf: Viele Deutsche lehnen ab, was die Frau getan hat. Sie finden das pervers. Die deutsche Gesellschaft ist hochgradig intolerant gegenüber allem, was anders ist, seien es Homosexuelle, Ausländer oder Künstler, die einem konservativen Weltbild widersprechen. Man sieht es als abartig an, aus Protestgründen öffentlich Sex zu haben. Die Gesellschaft ist noch stark von der Hitlerzeit geprägt. Sie ist erst seit sieben Jahrzehnten in einem Prozess der Öffnung. Frau Witt ist auch ein Ausdruck dieser Öffnung, aber das findet noch im Wesentlichen in Großstädten statt, aber kaum in den Provinzen.

PPQ: Wieso steht die katholische Kirche Nacktaktivistinnen so unversöhnlich gegenüber?

Knopf: Die Kirche hat sich benutzen lassen. Natürlich fand die Aktion in einer Kirche statt, und die Kirchenführung hat das empört. Daraus aber ist ein politischer Fall geworden, in dem sich die Kirche instrumentalisieren ließ. Sie war nicht die treibende Kraft, dazu wurde der Prozess zu groß und zu politisch aufgezogen. Von kirchlicher Seite gab es ja durchaus auch Andeutungen, man sollte Milde walten lassen. Aber die Kirche ist zu abhängig vom Staat. Das ist bedauerlich.

PPQ: Stars wie Madonna und die Red Hot Chili Peppers haben sich mit Pussy Riot solidarisch erklärt. Frau Witt steht bislang allein. Woher kommt das?

Knopf: Das kann man noch nicht genau abschätzen. Es gibt Zyklen in solchen medialen Aufwallungen. Oft folgt nach einer Wahl härtere Rhetorik, dann flacht sie wieder ab. Im Moment würde ich das noch innerhalb des üblichen Rahmens sehen. Das Regime sucht sich nach innen zu stabilisieren und nutzt dafür das "Feindbild Kirchenfeind". Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Bundesregierung den Bogen diesmal nicht überspannt.

PPQ: Woran machen Sie das fest?

Knopf: Merkel umgibt sich mit lauter Hardlinern, sie mauert sich regelrecht mit ihnen ein. Das zeugt von einer großen Unsicherheit. Sie umgibt sich nur mit Leuten, von deren Loyalität sie vollständig überzeugt ist, verliert dabei aber den Kontakt zu Bevölkerung. Anders als früher bedient sie kaum noch den liberalen Teil der Elite, was zu wachsenden Konflikten führen wird.

Das System Merkel seziert


11 Kommentare:

Gerry hat gesagt…

Das Interview täuscht ein Interesse/Machtkalkül Merkel im Fall Witt vor. Dabei ist es der BK völlig wumpe.

ppq hat gesagt…

ablenkung!!!!

Anonym hat gesagt…

Naja haben diese femen nicht anders verdient?
Mit ihreren verdrehten Vorstellungen?
Die hätte man still und heimlich zu lebenslänglich verurteilten müssen

Gernot hat gesagt…

Anscheinend begreift das niemand als Persiflage auf die Kritik an den Reaktionen in Russland.

Kleiner Tipp am Rande: Strafrecht dient dem Schutz von Rechten, nicht der Befriedigung von Empörung.

ppq hat gesagt…

gernot, satire ist nur gut, wenn sie unentdeckt bleibt

Anonym hat gesagt…

Dompropst Norbert Feldhoff:
«Die Justiz in Deutschland und in Russland könne man wohl kaum miteinander vergleichen.»

Tja, schachmatt, PPQ! Das fällt nämlich unter das Vergleichsverbot, das genauso für die DDR und das Dritte Reich gilt!

In Deutschland möchte der Gesetzgeber nämlich nur Messdiener vor einem Tittentrauma schützen, in Putins Reich aber den Machthaber vor dem Willen der fortschrittlichen Völker!

Anonym hat gesagt…

Ja das ist wie Äpfel mit einem Apfel mit loch zu vergleichen

Geht gar nicht

ppq hat gesagt…

ist "könne man wohl kaum" der konjunktiv von "kann man nicht"?

mir sind da einfach zu viele rückversicherungsvokabeln drin

Gerry hat gesagt…

Die Russen sind da einem sympathisch. So wenig sie sich in der Rechtssprechung anderer Länder einmischen, so ignorieren sie auch die Sticheleien von aussen. Um dann sogar auf Fürsten Art begnadigen zu können. In einer Demokratie undenkbar, da gibts kein feudalen Firlefanz mehr.

Die Anmerkung hat gesagt…

1200 Ocken kostet so ein halbnackter Sprung über den Altar, behauptet eine Illustrierte. Hätte die junge Frau noch mal so viel drauf gelegt, wäre sie vollnackig da rumgehopst.

So viel Geiz sollte dann doch seine Strafe finden.

Anonym hat gesagt…

usa : die Leute haben die Schnauze voll von den Negern