Sonntag, 27. März 2016

Rückkehr des Nationalismus: Auch Deutsche unter den Opfern

In der Stunde der Not wird der Nationalstaat, längst überlebt und von einer größeren europäischen Entität aufgehoben, für deutsche Medien wieder zu einer legitimen Rückzugslinie. Wo eben noch Hymnen auf die Entstaatlichung, das Wegfallen von Grenzen und Barrieren und die Auflösung der Nation im Allgemeinmenschlichen gesungen wurden, geht es mit einem Schlag wieder um Herkunft, Abkunft, Geburt und Nationalität.

Es ist eine Konzession an den unheiligen alten Zeitgeist, der schon so viele Kriege hervorgebracht hat. Deutsche interessieren sich hauptsächlich für deutsche Opfer, Spanier für spanische, Schweden für Schweden. Und wenn es um Schlagzeilen, Klicks und Aufmerksamkeit geht, nennen Medien deshalb unverblümt die Ursprungsländer von Menschen, die bei Flugzeugunglücken, Bombenanschlägen und Attentaten ums Leben gekommen sind.

Als Muster gilt dabei die Faustformel Entfernung zum Wohnort mal Entfernung zum Tatort gleich Buchstabengröße. Als gebe es eine Zwei- oder Dreiklassengesellschaft der Toten mit besseren Plätzen und schlechteren, werden deutsche Opfer ins Licht gerückt, während ausländische zur reinen Zahl schrumpfen. Von wegen Gleichheit vor dem Gesetz, vor der Moral, vor dem permanent tagenden Weltgericht der globalisierten Medienhäuser, deren Aufmerksamkeit traditionell mit jedem Kilometer Entfernung in einem Maß schrumpft, dass eine Verdopplung der Opfer erfordert, um nur der halben Raum zu füllen, wenn mehr als 100 Kilometer zwischen Ereignisort und Newsroom liegen.

Das Hemd der Herkunft ist näher als der Rock der gemeinsamen Aufgabe, ein geeinigtes, mit einer einheitlichen Währung, einheitlichem Datenaustausch und einem einheitlichen Anti-Terror-Kommando ausgestatteten Europa zu bauen. Verletzte Deutsche sind die besseren Opfer, Ausländer hingegen haben keine Namen, keine Nachbarn, keine Familien, kein Zuhause, das uns kümmern muss.

Europa zerfällt in der Stunde der Bewährung. Ein weiter Weg ist noch zu gehen, würde Joachim Gauck sagen.

Aber wo der Bundespräsident sonst um keine Mahnung verlegen ist, hier schweigt auch er.





2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

So mancher hat durch tapferes Schweigen und durch würdevolle Art, das Geheimnis seiner Dummheit bis zu seinem Tod bewahrt.

Gernot hat gesagt…

Das ist ja wirklich furchtbar ewig-gestrig, dass Italiener sich mehr für tote Italiener interessieren als für tote Bantus und Pygmäen vielleicht mehr Interesse an toten Stammesgenossen hätten als an toten belgischen Staatsangehörigen - wo wir doch alle eine große, glückliche Familie sind und alle Menschen gleich lieben - äh, also gar nicht?

A pro pos Belgier - wären die Medien so "national", würden sie sich sicherlich für Deutsche aus Eupen-Malmedy unter den belgischen Opfern interessieren.