Donnerstag, 11. Mai 2017

Drastische Provokation: ABBA singt von Marionetten

Ein Krähe hackt der anderen kein Auge aus: Bisher wollen sich deutsche Popstars nicht empört gegen Abba äußern.

Diesmal könnten sie zu weit gegangen sein. Die Provokation ist so drastisch, dass man sie nur schwer relativieren, den Imageschaden ein weiteres Mal reparieren kann. Gut möglich, dass dieses Lied dem Wesen einer bisher unbestrittenen Superband jene Eindeutigkeit beschert, die bislang fehlte.


„I´m A Marionette“ heißt es. Abba aus Schweden, geschlechtergerecht, megaerfolgreich, Hitmaschine seit ihrer brüllend komischen Aufarbeitung des tausendfachen Starebens in "Waterloo", haben es aufgenommen, es erntet Entsetzen. Nicht wegen Melodie oder Takt, sondern wegen der Sätze, die da gesungen werden. Von hilflosen Abgeordneten ist Rede, die sich wie „Haustiere" fühlen. Die als Marionetten von dunklen Mächten gesteuert würden.

Nun ist die Aufregung groß: Die als fortschrittlich und staatspolitisch zuverlässig geltende schwedische Pop-Band Abba hat sich doch tatsächlich politisch „rechts“ geäußert! Ein Skandal – so zumindest liest man es in diesen Tagen in vielen Medien.

Ein Skandal zumal, der ohne Aufschrei all der guten Rocker bleibt, die sonst um kein Mikrophon einen Bogen machen. Der Abba-Song „I'm a Marionette“, in dem die bisher eher unpolitisch agierende Gruppe aus Schweden einen angeblichen Abgeordneten vermeintlich über sich selbst singen lässt und dabei auch auf die Flüchtlingsproblematik anspielt, lässt die Gemüter hochkochen. Keine echte Demokratie in Deutschland? Irgendwas läuft falsch? Freiheit nur etwas, „das dir jemand erzählt hat“? Das kann ja wohl nicht sein! was passiert da letzte Nacht in Schweden?

Spiegel Online ist sich sicher: Die Sänger positionieren sich „endlich unverstellt als der rechtspopulistische Hetzer und Verschwörungstheoretiker, für den ihn viele schon lange gehalten haben“. Und für das Hamburger Abendblatt sind Abba nun „in Wirklichkeit vor allem wohl sehr schwedische Neurotiker“. und die Bild-Zeitung beklagt, dass das antidemokratische Hetz-Lied unter Deutschlands Musik-Stars so gut wie keinen zu stören scheint. Selbst auf das Angebot der Bild, mit öffentlich geäußertem Protest gegen Abba und deren Instrumentalisierung antisemitischer Klischees Schwung in die eigene Karriere zu bringen, sprang kein Star an.

Und das, obwohl die früheren Gewinner des European Song Contests keinen Zweifel daran lassen, was sie sagen wollen.

“You're so free that's what everybody's telling me”, heißt es da – also „Du bist so frei, das ist, was sie mir erzählen“ – spielt auf die vermeintliche Gewissensfreiheit deutscher Abgeordneter an, die sich letztlich doch immer der Franktionsdisziplin unterordnen muss, soll die Karriere nicht in Gefahr geraten. „Yet I feel I'm like an outward-bound, pushed around, refugee” – “gebunden” und “umgedreht”, nicht vie landers als ein “Flüchtling”, so fühlt sich der angebliche Volksvertreter, der hier klagt: „Etwas ist falsch, ich habe hat das Gefühl, dass ich nicht hierhergehöre, als ob ich aus dem Weltraum käme, fehl am Platz wie King Kong.“

Hetze, Hass und Zweifel am parlamentarischen Regime der Postdemokratie, das wird hier geschürt. „I'm a marionette, just a marionette, pull the string”, singt der Volksvertreter im Refrain. Dann nennt er sich selbst “jedermanns Haustier” und einen „dummen alten Clown”, später dann noch „a doll, like a puppet with no will””, also eine Puppe ohne eigenen Willen, der “somebody taught how to talk, how to walk, how to fall”. Klare Bezüge zur Reichsbürger-Ideologie auch im weiteren Text: „Kann mich nicht beschweren, niemand außer mir selbst hat Schuld“, lässt die Schwedentruppe ihren angeblichen Jammer-Parlamentarier singen, „etwas passiert, ich kann nicht kontrollieren, ich verlor meinen Halt, es ist verrückt“.

Der Bundestag als Tollhaus, der Abgeordnete als haltloser Insasse einer Demokratur, in der ihn dunkle Mächte benutzen. Inzwischen sind die Musiker der sich so harmlos gebenden Popformation zum Rapport beim Parteikreissekretär der schwedischen Akademie der populären Künste einbestellt worden. Hier müssen die Künstler sich für ihr Hetzlied rechtfertigen, gelingt das nicht, steht ein Auftrittsverbot im Raum.

PPQ dokumentiert den - angeblich von einer Abgeordneten des demokratischen Blocks gesungenen - miesmacherischen Refrain des umstrittenen Provokationssongs:

I'm a marionette, just a marionette, pull the string
I'm a marionette, everybody's pet, just as long as I sing
I'm a marionette, see my pirouette, round and round
I'm a marionette, I'm a marionette, just a silly old clown

You're so free that's what everybody's telling me
Yet I feel I'm like an outward-bound, pushed around, refugee




4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Es gibt noch eine weitere Gemeinsamkeit: Sowohl Naidoo als auch Abba verursachen Ohrenkrebs.

Anonym hat gesagt…

IST denn die wahrheit immer falsch und rechts ???

Gernot hat gesagt…

Zur großen postfaktischen Realität gehört, all die Maßnahmen, die keine Zensur sind, von Xavier bis facebook, als "neu" darzustellen.
Wer eigene Meinung geäußert hat, wurde schon seit ungefähr 20 Jahren aus allen möglichen "öffentlichen" Foren verbannt, seine Profile wurden gelöscht, seine E-Post-Adresse für Neuanmeldung gesperrt, einzelne Aufsätze oder Stellungsnahmen wurden entfernt usw.

Genauso wenig neu ist die "Musikauswahl" der öffentlich-rechtlichen wie der privaten Sender. Oder haben Sie je Forseti, von Thronstahl, Zero Zero Alfa, Jännerwein, Nature and Organisation oder auch nur die linken Dies Natalis im Radio gehört? Selbst die besseren DDR-Gruppen wie Panta Rhei und Renft scheinen schon zu suspekt zu sein für die heutige Zeit. Und nein, es ist nicht so, dass das keiner hören will. Der Musikgeschmack kommt vom Radio, nicht von den Zuhörern, denn die haben ja nur Auswahl aus dem, was ihnen angeboten wird.

*+* hat gesagt…

Gab mal Zeiten, wo man mit Marionetten-Lieder noch den Eurovisions-Contest gewinnen konnte, wie beispielsweise die wunderbare Sandy Shaw 1968 mit "Puppet on a string":

https://www.youtube.com/watch?v=GCs7iZGvK4s