Dienstag, 20. März 2018

Nazideutschland: Wie Klinsmann mal die AfD erfand

Pegidas Geburtssekunde. Odonkor flankt, Neuville trifft gegen Polen

Bisher galt die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung als Kreatur des grausamen Kreml-Herrschers Wladimir Putin, der auch hinter dem plötzlichen Flüchtlingszustrom von 2015 steckte, der Deutschlands Fachkräfteproblem lösen sollte, am Ende aber nur der AfD nützte. War das der Plan? Wie gelang es den Trollen aus dem Osten, Deutschlands gut eingeführte Demokratie binnen von nur 24 Monaten so zu erschüttern, dass eine Regierungsbildung nicht möglich ist und ehemals führende Sozialdemokraten beginnen, die Sprache des Packs zu sprechen? Welche Rolle spielte die EU, welche spielte Merkel? Und wie genau hat Jürgens Klinsmanns Entscheidung für rote Auswärtsdresse
dem neuen Nazideutschland den Weg bereitet?

PPQ sprach mit dem Gesellschaftsforscher und Milieuphilosophen Hans Hachteste, der als stellvertretenden Leiter des Kompetenzzentrums Rechts der Heinrich-von-Kleist-Universität in Gotha lehrt. Gebärdendolmetscherin Frauke Hahnwech hat das Interview auf bewährte Weise aus dem Clamositas in einfache Sprache übersetzt

PPQ: Herr Hachteste, zurzeit gibt es antisemitische Demonstrationen zumeist von Muslimen und Arabern. Ihr neues Buch ist insofern uralt, als es sich in gewohnter Weise mit der Neuen Rechten, der AfD und dem Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft befasst. Wäre es falsch, ihnen zu attestieren, dass Sie da doch ziemlich danebenliegen?

Hachteste: Das ist auf den ersten Blick nicht falsch. Man sieht immer wieder, wie Tausende völlig fanatische Muslime, die offen und aggressiv antijüdisch hetzen, Juden oder Israelis den Tod wünschen. Was aber ist mit den fast sechs Millionen AfD-Wähler*innen, übrigens zufällig genau die Zahl, die wir in Deutschland schon einmal hatten? Ich denke nein. Diese Leute haben indirekt auch den Holocaust gewählt. Ich halte es für einen sehr großen wissenschaftlichen und politischen Fehler, mir vorzuwerfen, ich hätte mein Thema verfehlt, nur weil sich ein neuer Antisemitismus im Gewand des Antizionismus breitmacht.

PPQ: Der ist in ihrem Buch kein Thema, weil es ihnen um die deutsche Schuld der Vergangenheit geht, die aufgearbeitet werden muss, nicht um die Übergriffe heute, verstehe ich das recht?

Hachteste: Mir geht es um den Mechanismus der Erinnerungsabwehr. Erinnerungsabwehr kann sich auch in einer Trivialisierung äußern, etwa, wenn Künstler einen Politiker, der das Shoa-denkmal in Berlin angeriffen hat, gleich selbst mit einem Shoa-Denkmal ehren. Hier wird der Mord an sechs Millionen Juden gleichgesetzt mit einem Spruch, den man dumm oder dämlich oder auch von der Meinungsfreiheit gedeckt finden kann. Das ist zwar keine explizite Leugnung, jedoch spricht die Forschung hier von einer Softcore-Leugnung, denn durch all diese Vergleiche wird der Holocaust in seiner Dimension entwirklicht. Insofern ist der sekundäre Antisemitismus der zentrale Aspekt im Antisemitismus-Diskurs überhaupt. Der herkömmliche Antisemitismus ist weniger en vogue.

PPQ: Viele Jüngere sagen, sie können es nicht mehr hören.

Hachteste: Da fängt es an. Wenn wir das zulassen, dann ist das Tor zu einem vierten oder gar fünften Reich weit offen.

PPQ: Schaut man sich um, mag man das kaum glauben. Wir haben seit Monaten keinerlei regierung mehr, die Nazis sitzen im Parlament, die Meinungsfreiheit ist zum Teil eingeschränkt, aber nirgendwo ist eine grausame Diktatur ins Sicht. Wie kommt das?

Hachteste: Auch der Nationalsozialismus in Deutschland war keine grausame Diktatur, sondern eine Volksgemeinschaft, die auf weiteste Unterstützung der Bevölkerung bauen konnte. Es war weniger eine Diktatur gegen ein Volk als Opfer, viele waren sehr involviert in das Geschehen und alle haben mitgemacht. Spätere oder parallel entwickelte Diktaturen haben das nicht mehr so hinbekommen: NS-Deutschland war eine antisemitische Volksgemeinschaft und keine Vorherrschaft einer kleinen Gruppe bürgerlicher Faschisten.

PPQ: Manchmal heißt es aber, Stalin und Mao hätten viel mehr Menschen ermordet. Was sollte man da entgegnen?

Hachteste: Hierzulande hat das eine enorme Entlastungsfunktion. Andere waren noch schlimmer! Aber nur weil Hitler, Mao und Stalin Verbrechen auf der gleichen kategorialen Ebene begangen haben, kann man nicht sagen, dass es den Opfern egal ist, aus welchem Grund sie ermordet wurden. Das wäre eine Entwirklichung dessen, dass es vor dem NS-Staat noch nie Fabriken zur Vernichtung von Menschen gab. Die Sowjets haben keine speziellen Gruppen abgesehen von den Kulaken, die keine ethnische Gemeinschaft waren, ausgelöscht. Wer das nicht erkennen will, betreibt das Geschäft der Leugner.

PPQ: Wer hat etwas von dieser Gleichsetzung?

Hachteste: Russland, die AfD, Pegida, der rechte Flügel der SPD, die FDP, aber auch die Grünen und die Linken, die sich natürlich zu einem großen Teil über den Kampf gegen das Bedürfnis definieren, dass deutsche Schuld nicht mehr als präzedenzlos gelten soll. Also eigentlich alle.

PPQ: Zielt das letztendlich aber nicht auf eine Gemeinsamkeit der Schuld, die wir dann woanders abladen?

Hachteste: Das ist die perfide Art, wie ein vermeintlich christlich-jüdisches Abendland herbeifantasiert wird, um es gegen Andersglaubende in Stellung zu bringen. Hier ist natürlich der Islam zu nennen, eine Religion, die sich Frieden auf die Fahne geschrieben hat, aber instrumentalisiert wird, um ein gemeinsames Feindbild zu schaffen, man denke an Pegida. Natürlich ist der Islamismus eine große Gefahr, jedoch weigern sich seit den Anschlägen vom 11. September viele mit Absicht, zwischen dem Islam und Islamismus zu unterscheiden. Wohingegen natürlich eine Unterscheidung zwischen gutgemeintem Kommunismus und dem Missbrauch der Idee durch Stalin oder den Autobahnen und Hitlers Welteroberungsplänen stattfindet.

PPQ: Der Muslim, früher als Moslem bekannt, wird zum Ursprung alles Bösen?

Hachteste: Die Ablenkung ist absolut zentral. Es gibt viele Möglichkeiten, die deutsche Schuld aufzuweichen oder zu relativieren, aber der Islam ist die derzeit angesagteste. Das Bedürfnis, wieder stolz zu sein und nationale Aufgaben wahrzunehmen, ist ein großes Motiv für die Erinnerungsabwehr, die über das Herzeigen der Schuld und der Bedrohung durch andere erfolgt. Wenn Muslime gegen Juden hetzen, dann ist jeder Deutsche, der das nicht tut, in der Lage zu sagen: das lehne ich ab. Das gibt ein gutes Gefühl. Man darf wieder stolz sein auf Deutschland.

PPQ: Wo sehen Sie den Ursprung dieser Rückbesinnung auf den Nationalstolz?

Hachteste: Meine These ist: Als 2006 in der Nachspielzeit des WM-Spiels der deutschen Nationalmannschaft gegen den alten Gegner Polen der Sohn eines Ghanaers flankte und ein Franzose zum 1:0 für Deutschland vollendete, platzte im Jubeltaumel danach ein Geschwür auf, aus dem sich seitdem braune Pest übers Land ergießt. Ohne diesen Sieg kein Pegida, ohne Pegida keine AfD!

PPQ: Der nationale Taumel, die bedenkenlos geschwnkten Fahnen, das Unwidersprochenbleiben eines deutschen Siegeszuges...

Hachteste: Das hatte ungeheuerliche Bedeutung für das Zusammenschweißen von atomisierten Einzelnen, die sich zu großen Teilen gar nicht für Fußball interessiert haben. Insofern war das Thema nicht Sport, sondern nationale Identität. Der braune Schoß war fruchtbar noch, im Schatten deutscher Siege gebar er ein neues Selbstbewusstsein, das heute so weit gewachsen ist, dass es auf eigenen Grenzen beharrt, eigene Interessen als Nationalstaat behauptet und sich geriert, als habe es Auschwitz nie gegeben.

PPQ: Aber Deutschland-Fahnen gab es doch schon immer beim Fußball ...

Hachteste: Aber nicht so. 2006 war anders als beispielsweise 1990. Erstens war es eine Weltmeisterschaft im eigenen Land, es war eine vollkommen andere Stimmung. Kaum ein Auto oder Haus kam ohne ein deutschnationales Symbol aus, insbesondere haben Teile der deutschen Intellektuellen mitgemacht. Es gab unzählige Autoren, die von der Gemeinschaft des Volkes fabulierten, da hörten sich Texte teils so an, als wären sie 1937 geschrieben worden. Hitler wurde hoffähig, als Klinsmann entschied, in neuen roten Trikots erstemals seit der Ardennenschlacht 1944 wieder deutsche Angriffslust demonstrativ auszustellen.

PPQ: Man sagt ja, dass die WM 2006 sportlich eine der schlechtesten war.

Hachteste: Sportlich war das überhaupt nichts. Für Sport interessiert sich der Deutsche nicht. Entscheidend war der begleitende, von Anfang an geplante deutsch-nationale Event. Beispielsweise hat Jürgen Klinsmann in seiner Kabinenansprache vor dem Spiel gegen Polen historisch völlig unreflektiert gesagt: „Das ist unser Spiel. Das lassen wir uns von niemanden nehmen! Schon gar nicht von Polen. Die stehen mit dem Rücken zur Wand und wir knallen sie durch die Wand hindurch!“ Wenn das ein Deutscher sagt, hat das eine andere Bedeutung, als wenn es ein Amerikaner sagt. Klinsmann hat als Trainer der US-Mannschaft später nie so gegen Polen gepöbelt und gedroht, vielleicht auch, weil die USA nie gegen Polen antreten mussten.

4 Kommentare:

Gerry hat gesagt…

Realsatire in seiner reinsten Form. 6 Millionen Afd-Wähler (Zombiefilm?), Klinsmann, Hitler, Stalin - sensationell. Dass beide Gesprächsteilnehmer dabei ernst geblieben sind ... Naja, wenn man das Profilbild Frau Thorwarths Profilbild betrachtet, völlig humorbefreit.

Danke ppq für diesen Beitrag.

Anonym hat gesagt…

Wenn man genug vom Holocaust hat und endlich einen Schlußstrich unter die Geschichte ziehen möchte, weil man eben kein Tätervolk mehr ist und weil die Generation der Täter nicht mehr lebt, dann ist man ein Antisemit?. Wenn man genung von der Selbstkasteiung hat, nicht mehr den Gesslerhut grüßen möchte und nicht mehr den Büßgürtel tragen möchte, dann ist man Antisemit?

Ich bin frei, ich möchte nicht mehr länger büßen, nennt mich Antisemit, es ist mir egal. Alles ist besser als sich ewig schuldig fühlen zu müssen!


Adebar

Anonym hat gesagt…

Aber was denn sonst ? - Niemals darf der Kotau vor den heiligen Narrativen, dem „goldenen Kalb“ des Kulpatismus enden, ist es doch sein einziger Zweck ewige Schuldneurose und damit Unterwürfigkeit, Lenkbarkeit und Zahlungswilligkeit zu generieren. -

Bekommt ihr doch seit nunmehr über 70 Jahren eingeflüstert, es sei im Grunde Alles „relativ“, alle überkommene Ethik faul, jeglicher Wertekanon obsolet, alle Wert-Maßstäbe hinfällig, ausser EINEM, dem Singularissimum Pösissimum Absolutissimum, ausserhalb jeglicher Infragestellung, Vergleichbarkeit und Diskutierbarkeit. –

Feige genug seid ihr ja, euch sogar unter Androhung fürderhinniger Inhalation von Siebluft diese bodenlose Infamie, diese Tyrannei bieten zu lassen. –
Vielleicht doch nicht ganz zu Unrecht, würde nämlich bei „erneutem Verstoss“ gegen die rothschildplanetare Agenda der Rest der Welt vermutlich in einen brutalen, finalen Vernichtungskrieg gegen die „Abtrünningen von den heiligen Narrativen“ getrieben werden. –

Zwei lehrreiche „Paradigmen“ dafür gibt es schon, werden diese zwar von den Grossmeistern der Geschichtsfälschung in ihr genaues Gegenteil umgelogen, können indes durch „erfahrungsbedingtes Richtigstellen“ der Aussage-Vorzeichen in einen sehr konsistenten Kontext gebracht werden.

Anonym hat gesagt…

... weil man eben kein Tätervolk mehr ist und weil die Generation der Täter nicht mehr lebt ...

Das impliziert, daß wir zwar ein "Tätervolk" waren, es aber nicht mehr sind ...
Und sonst so? Schon mal mit kalten Umschlägen auf der Birne versucht?
Nicht so viel Guido Knäpp (Langenscheidt oder Bing Translator, schwedisch,) gucken, denn davon wird der Kürbis sehr weich.