Samstag, 8. Februar 2020

Schlacht um Leipzig: Rechts gescheitelt, rechts gekämmt

Gemkow Stichwahl
Plagwitz bleibt dreckig, Leipzig eine SPD-Hochburg.

Beinahe wäre Thüringen abgefallen, nur ein Machtwort der Kanzlerin selbst als höchster Machtinstitution im Land bügelte in letzter Sekunde aus, was unbeholfen agierende Provinzpolitiker im Begriff waren, der jüngsten Demokratie in der Mitte Europas anzutun. Doch kaum ist diese Front begradigt und Einmütigkeit hergestellt, dass es CDU- und FDP-Führung gelungen ist, Linkspartei, SPD und Grünen zu einer absoluten Mehrheit im grünsten Bundesland zu verhelfen, droht ein Einbruch des Faschismus im benachbarten Leipzig.

Die sächsische Metropole gilt eigentlich als Hochburg linker Riten, fest verwurzelt sind dort Traditionen aus den 20er und frühen 30er Jahren, als sich Rotfrontkämpfer und SA Straßenschlachten lieferten und jedes politische Lager seine eigenen Stadtteile mit eiserner Hand beherrschte. Leipzig insgesamt ist so links wie Chemnitz rechts, in einer Zeit, in nur Zeit bleibt für Pauschalurteile, ist die Pleißestadt beinahe so etwas wie ein Stück Westdeutschland im dunklen Osten.

Bei der ersten Runde der Oberbürgermeisterwahl aber geschah dann das Unerwartete. Burkhard Jung, der aus Siegen stammende Sachse, der seit 14 Jahren als Nachfolger des mittlerweile im Thüringer Exil lebenden Wolfgang Tiefensee amtiert, kam nur auf Platz zwei ein. Vorn in der Wählergunst lag Sebastian Gemkow, ein Christdemokrat, der in Leipzig geboren wurde und zuletzt sächsischer Justizminister war.

Ein Kulturbruch für die Stadt und ein Dammbruch aus der Sicht von Burkhard Jung. "Ich habe genau das erwartet, diesen Zweikampf", beschwichtigte er seine Anhänger mit dem bekannten Trick des "was man schon wusste, ist nicht so schlimm". Jung, 20 Jahre älter als sein Herausforderer, weiß, wie man in diesen Tagen mit politischen Gegnern umgeht. Jetzt gehe es um die Wurst, kündigte der Sozialdemokrat für den zweiten Wahlgang am morgigen Sonntag an. "Jetzt geht um Progessivität oder Rolle rückwärts, um Modernität oder fest verwurzelte Homogenität, es geht um Internationalität, Weltoffenheit, bunte Stadt oder rechts gescheitelt, rechts gekämmt."

Gemkow trägt keinen Scheitel, sondern eher eine Art dünne Haarrolle, und ausweislich früherer Angriffe auf den CDU-Mann ist ihm eine Nähe zu Nazikreisen sowenig nachzusagen wie eine Nähe zu rechtem Gedankengut. Doch auf tatsächliche Umstände und wirkliche Überzeugungen kommt es nicht an, wenn es um "die Wurst" (Jung) geht. Die SPD, in Sachsen eine Splitterpartei, die nur von der Stärke der AfD in der als Notgemeinschaft organisierten Landesregierung gehalten wird, inszeniert das Duell Jung gegen Gemkow als Duell eines bunten Modernisierers gegen einen verstockten Nahezu-Nazi, der es darauf angelegt hat, den Leipziger ihre Zukunft wegzunehmen.

"Wir haben jetzt die Aufgabe, alle, die eine moderne, offene, internationale Stadt wollen, zusammenzubringen und in den zweiten Wahlkampf zu bringen", zog Burkhard Jung eine klare Linie zwischen sich und dem eingebildeten Gegner, der auf seiner derzeit lahmgelegten Internetseite gemkow-2020.de Positionen vertritt, in denen krude Thesen wie "frei entfalten", "keine Freiheit ohne Sicherheit" und "Wohnungsbau ist der beste Mieterschutz" vorkommen.

Jung, der unter denkenwirnachvorn.de eine Wahlwerbeseite betreibt, die sich um die gesetzlichen Vorgaben und die europäische Datenschutzverordnung soviel schert wie die Kanzlerin ums Grundgesetz,  will "die Wirtschaftsstruktur noch breiter aufstellen", mit einem „Cool-City-Plan“ den Klimawandel bewältigen und "bis 2030 über eine Milliarde Euro in unseren Öffentlichen Personennahverkehr" investieren. Das sind Versprechungen, hinter denen sich grüne und linke Wähler versammeln können, die aber auch versprechen, die Mitte des neuen Bionade-Bürgertums anzusprechen, das Leipzig erst zur Boomstadt gemacht hat.

Weil Leipzig sicher ist, geht Burkhard Jung auf Provokationen nicht ein und verzichtet auf Hinweise darauf, dass es irgendwo Probleme geben könnte. Geht diese Strategie auf,  bleibt Jung im Amt und die rechts wie die links gescheitelte Realität vor der Tür. Es wäre ein Sieg mit Beispielwirkung für die kommenden Jahre, denn er würde beweisen, dass die Nazi-Karte selbst bei Bürgerlichen sticht.

1 Kommentar:

Jodel hat gesagt…

Der Herr Jung wird es sicher werden. Denn wie wir jetzt wissen, wählen wir einfach nochmal wenn beim ersten Mal irgendwelches rechtes Gesocks ins Amt gehievt wird. Die CDU sollte ihren Kandidaten lieber zurückziehen, sonst könnte es sogar noch ein Ultimatum der SPD geben. Das kann doch kein aufrechter Demokrat wollen.