Dienstag, 26. Mai 2020

Staatsbetrieb Lufthansa: Flieg nicht so hoch

Hochnotpeinliches Verhör: Claus Kleber (r.) fordert das Ende des klimaschädlichen Flugbetriebs, Peter Altmaier (l.) aber will keine Einsicht zeigen.


So viele fügt sich nun durch Corona doch zum Besseren. Die AfD auf dem niedrigsten Zustimmungswerten seit Jahren, die SPD in einem ersten zarten Höhenflug. Deutschland ist die größte Volkswirtschaft der Welt, dennoch aber hält die Bundesregierung ihre Klimaziele ein. Die Zahl der Verkehrstoten ist gesunken, die Zahl der Heimarbeiter gestiegen. Verglichen mit ausgesuchten anderen Staaten gab es auch kaum Opfer im Land, das alle ringsum beneiden, weil es so schön ist und seine Menschen so gut und gerne in ihm leben. So gut und gerne, dass auch die Überlebenskrise der nationalen Airline Lufthansa als eine fantastische Gelegenheit begriffen wird. "Viele Menschen bemerken, dass man auch anders von A nach B kommen kann", mahnt etwa der Nachrichtenansager Claus Kleber den Wirtschaftminister in einem hochnotpeinlichen Gespräch über die beabsichtige Rettung der Fluglinie Lufthansa, "und Sie investieren in ein schrumpfendes Geschäft einen gewaltigen Betrag?"

Ein Gespräch unter Vielfliegern


Neun Milliarden. Fragwürdig, natürlich, denn die Lufthansa hat in den guten Jahren zuletzt nur drei Milliarden Euro pro Jahr verdient. Peter Altmaier aber steht zwar im Wort, weil er eingangs der Großkrise versprochen hatte, dass "kein Arbeitsplatz wegen Corona verloren geht". Doch angesichts des umweltvernichtenden Geschäftsmodells der Lufthansa scheint es aus den Redaktionsbunkern des Heute-Journals gesehen naheliegend, jetzt Schluss damit zu machen, wo gerade sowieso fast alle Maschinen am Boden stehen. "Es ist schlecht, wenn Leute stundenlang in engen Röhren sitzen, um ans Ziel zu kommen", fasst Claus Kleber seine langjährigen Flugerfahrungen zusammen. Weg damit, niemand braucht das mehr in Zeiten von Home Holidays und wunderschöner Fernferien per Onlinebesuch.

Die Bundesregierung aber wehrt sich. Im Gespräch der beiden Vielflieger betont Altmaier die "100.000 Arbeitsplätze" bei der Airline, die gesichert werden sollen. Nicht zuletzt, um mit ihrer Gemeinwohlabgabe von rund 1,5 Millionen Euro monatlich den Arbeitsplatz von Kleber zu retten, der als selbständiger Unternehmer für das ZDF moderiert und es mit diesem Geschäftsmodell zum bestbezahlten deutschen Nachrichtenansager gebracht hat. Zudem, so sagt Wirtschaftsminister Peter Altmaier, müsse die Lufthansa gerettet werden, um den "lukrativen Markt" der fliegenden Mobilität  nicht asiatischen oder arabischen Unternehmen zu überlassen. Als größter Anteilseigner bei Airbus, dem größten Zivilflugzeughersteller der Welt, hat Deutschland ein nicht unwesentliches Interesse daran, dass Firmen weiterexistieren, die Flugzeuge kaufen.

Rechnung ohne EU-Kommission



Doch in der EU-Kommission hat Claus Kleber einen mächtigen Verbündeten beim Kampf gegen Altmaiers Vorhaben gefunden, dafür zu sorgen, dass die Lufthansa aus der Krise "gestärkt hervorgeht". Wettbewerbskommissarin Margethe Verstager, die nur drei Fünftel von dem verdient, was Kleber monatlich nach Hause trägt, winkte zwar eine von Frankreichs angekündigte "Liquiditätssoforthilfe" in Höhe von sieben Milliarden Euro für die nationale Luftfahrtgesellschaft Air France noch beiläufig durch. Der Airline musste schließlich "die Liquidität zugeführt" werden, "die das Unternehmen dringend benötigt, um den Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs zu trotzen. Doch das geht im Falle des deutschen Konkurrenten nicht so einfach.

Denn europäisches Wettbewerbsrecht bleibt auch in der Krise zu beachten - zumindest wenn das finanzstarke Deutschland deutsche Firmen rettet und der Verdacht naheliegt, dass diese Rettung letztlich deren Wettbewerbsposition stärken wird. Das widerspräche europäischen Prinzipien, die auf einen Ausgleich zwischen denen bedacht sind, die ihr Geschäft dauerhaft betreiben, ohne jemals Geld zu verdienen, und deshalb fortwährend auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Und denen, die durch die "größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg" (Merkel) unverschuldet vorübergehend keinen Geschäftsbetrieb mehr aufrechterhalten konnten.

Obwohl die Bundesregierung selbst die entsprechenden europäischen Verträge unterzeichnet und damit die deutsche Entscheidungssouveränität über eine Rettungsmaßnahme wie die jetzt für die Lufthansa geplante Neun-Milliarden-Spritze an die EU abgegeben hat, zeigt sich Berlin uneinsichtig. Angefangen von der Kanzlerin, die sich selbst als ganz besonders große Europäerin sieht, bis zum Wirtschaftsminister, der das Reisen per Flugzeug immer noch für eine Selbstverständlichkeit zu halten scheint, stellt sich die deutsche Spitzenpolitik quer gegenüber der Forderung der EU-Kommission, dass die nach 23 Jahren im Privatbesitz nunmehr wieder teilstaatliche Fluggesellschaft Start- und Landerechte an schwächere Konkurrenten abgeben müsse, damit auch denen beim Überleben geholfen ist.

Kanzlerin stellt sich gegen Europa


Demonstrativ hatte sich Kanzlerin Angela Merkel als Erste gegen die Forderungen aus Brüssel gestellt und einen "harten Kampf" angekündigt, sollte die EU das nach einem Vorschlag aus der Bundesworthülsenfabrik "Stabilisierungspaket" genannte milliardenschwere Rettungsunternehmen nur unter Auflagen genehmigen.  Obwohl der Bund mit dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds eigens einen neuen Schattenhaushalt gegründet hatte, um "die ökonomischen Auswirkungen der Pandemie auf Unternehmen abzufedern, deren Bestandsgefährdung erhebliche Auswirkungen auf den Wirtschaftsstandort oder den Arbeitsmarkt in Deutschland" hätte, pocht die Kommission ihrerseits auf ihr Recht, eine Genehmigung versagen oder wettbewerbliches Auflagen machen zu können.

Eine Chance, die Europa nutzen muss, denn die EU stand bisher im gesamten Krisenverlauf vollkommen im Schatten, weil die Nationalstaaten angesichts der ernsten Lage ohne die üblichen langwierigen Rücksprachen mit der Operettenetage (siehe: "Europäische Lösung: Die längsten 14 Tage der Menschheitsgeschichte") jeweils unabgesprochen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus getroffen hatten.

Nach Abschluss dieser wilden und anarchischen Phase ist die EU-Kommission nun gezwungen, an einem Präzendenzfall durchzuexerzieren, dass nicht jeder Mitgliedsstaat tun und lassen  kann, was er will. Dazu sucht Margarethe Verstager den Konflikt mit dem größten, zugleich aber bekanntermaßen einsichtigsten Verletzer der gemeinsamen Verträge. Altmaiers Zuversicht, dass die Wettbewerbskommissarin den Staatshilfen am Ende doch einfach so zustimmen werde, dürfte enttäuscht werden. Es wird wie immer eine europäische Lösung geben: Weit in der Zukunft, wenn niemand mehr an die Sache denkt, irgendein fürchterlich fauler Kompromiss, der allen Seiten die Möglichkeit gibt, zu behaupten, man habe sich durchgesetzt und Europa sei ein weiteres Mal eine ganz großartige Hilfe gewesen.


7 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Man kann aus vielen Gründen gegen die Stütze für den Teuerflieger sein. Aber was macht Kleber?
Klebers Einstieg: Nach Corona würden Firmenkunden weniger fliegen, weil es (Zoom etc.) billige Alternativen zum Reisen gäbe. Privatkunden würden weniger fliegen, weil man auch anders von A nach B käme (z.B. mit der Galeere nach Mallorca), und überhaupt: Klima!
Altmaier soll sich dann dafür rechtfertigen, dass er 9 „Milliarrrrden“ (Kleber) in die Branche steckt, obwohl ihm, Kleber, sonnenklar ist, dass sie schrumpfen wird, und der Staat in den Augen Klebers ein Investor ist, der Geld möglichst profitabel anlegen sollte. Statt den Trottel nun auszulachen oder ihn zu fragen, auf was seine Prophezeiungen und Voraussetzungen basieren (auf nichts), stolpert Altmaier in die Falle und eiert herum wie ein betrunkener Pennäler. Länger habe ich es nicht ausgehalten.

Volker hat gesagt…

"Viele Menschen bemerken, dass man auch anders von A nach B kommen kann"

Das hört man in der letzten Zeit oft, dieses "von Corona haben wir gelernt".
Muss ich mich umstellen, vor Corona war ja Greta meine Lehrmeisterin.

ppq hat gesagt…

der kleber war in diesem "interview", das eher einem inquisitorischen verhör glich, einfach unübertrefflich

Anonym hat gesagt…

>>Schießtraining in der Murksburger Innenstadt , Mamapapa-shuttleservice , Karate und Kraft Mager ( oder wie der Quark aus israel heißen man ). <<

Schon sehr OT, Nachsicht bitte. "Grobschlosser" im pfoinen Rittergut sagte so.
Wir Pankration*-Gestählten pflegen es "Graf Mager" zu höhnen.
*Im Unterschied zum klassischen Pankration ist bei uns auch der Griff an die Gonaden und der Fingerstich (Biu-Dshi)in die Klüsen erlaubt und geboten.

Jodel hat gesagt…

Unser Politiker lassen sich von unseren Nachrichten-Fritzen ein ums andere Mal vorführen wie kleine Schuljungen. Kann man denen nicht einen kleinen Rhetorikkurs spendieren, damit die sich auch einmal wehren können. Zu einem Verhör gehört ja auch, das sich einer verhören lässt.

Eine einzige Rückfrage, wie oft denn der Herr Oberpharisäer selbst in den letzten Jahren so einen Umweltvernichtungsbomber von A nach B bestiegen hat, hätte dem die Luft abgelassen. Dazu noch die Frage ob der Herr Kleber gerne die Kündigungen an all die überflüssigen Airline-Nichtsnutze persönlich zustellen möchte. Würde ja auch noch zusätzlich CO² einsparen. Jeder wüsste dann sofort wer Koch und wer Kellner ist. Aber da ist keine Gegenwehr. Nichts. Nada.

Wieso haben bei uns eigentlich alle Politiker genau null Selbstbewusstsein gegenüber den Medien? Glaubt jemand ein Macron, ein Kurz, ein Johnson oder gar ein Trump würden sich so am Nasenring durch die Manege ziehen lassen. Was läuft da bei uns falsch?

ppq hat gesagt…

@jodel: die sendung hätte ich sehen wollen. herrlich

Jodel hat gesagt…

Ich auch. Man darf ja mal träumen.