Dienstag, 22. September 2020

Hass im Hirn: Überzüchtete Signale


Um Unterschiede zwischen Menschen zu beseitigen, braucht es zuallererst die Beseitigung von Begriffen, die Unterschiede markieren. "Mohr", "Neger", "LBGB" oder auch "Rasse" markieren Differenzen wie Hautfarben, verschiedene Haarfarben und unterschiedliche Sprachen. Wie unser Gehirn auf Unterschiede fokussiert, weil Worte sie mit voller Absicht hervorheben, hat jetzt eine Studie des An-Institutes für Angewandte Entropie der Bundeskulturstiftung untersucht.

Die Ergebnisse des Kognitionsforschers Hans Achtelbuscher zeigen neue Details zu einem wichtigen Verarbeitungs-Mechanismus, der im Sprach- und Erfahrungszentrum des Menschen wurzelt.

Wie kommt es, dass wir uns in unserem Stadtviertel zurechtfinden, obwohl sich die Straßen doch so verflixt ähnlich sehen? Entropieforscher eines An-Instituttes der Bundeskulturstiftung haben neue Einblicke in einen Mechanismus gewonnen, der bei dieser Fähigkeit eine wesentliche Rolle spielen dürfte. Besonders interessant: Er scheint nur dann gut zu funktionieren, wenn unser Gehirn in einem besonderen Takt schwingt und Begriffe verwendet, die Dinge bezeichnen, die besser unausgesprochen blieben, wie Achtelbuscher betont.

Übertriebene Unterschiede


Wenn man die Unterschiede zwischen zwei Fotos finden möchte, dann kann man dazu mit einer Software das eine von dem anderen Bild abziehen. Gleiche Bereiche sind danach schwarz, und nur Regionen, die sich zwischen den Aufnahmen verändert haben, treten hervor. Auch unser auf Unterschiede geradezu fixiertes Hirn nutzt ausgefeilte Methoden der Signalverarbeitung, um kleine Diskrepanzen deutlicher herauszuarbeiten - zum Beispiel zwischen einem Nachbarn und einem Unbekannten, einem Menschen aus der eigenen Stadt und einem Verwandten oder einem Angehörigen derselbe Nation.

Eine wichtige Rolle scheint dabei eine bestimmte Hirnstruktur zu spielen, der Gyrus dentatus. Er sitzt im Hippocampus, einer Region, die bei Merk- und Erinnerungsprozessen eine wichtige Rolle spielt. Ohne ihn haben Mäuse große Schwierigkeiten, kleine Veränderungen zu erkennen, stattdessen passiert es, dass sie Elefanten für Artgenossen halten.

Hierbei zentral ist vermutlich ein Mechanismus, der sich nach Angaben von Hans Achtelbuscher "Feedback Inhibition" nennt. Dabei werden Neuronen umso stärker gehemmt, je aktiver sie oder ihre Nachbarn zuvor waren. Dieser Verarbeitungsschritt verstärkt gewissermaßen die Diskrepanzen zwischen zwei Reizmustern - sie werden unähnlicher, so dass der Mensch oder die Maus glaubt, Muster, die sich stark gleichen, könnten sehr genau voneinander getrennt werden.

Schlimme Signalverarbeitung


Dadurch halten  Menschen mit weißer Haut Menschen mit schwarzer Haut für andersfarbig, obwohl sich beider Erbgut zu 100 Prozent ähnelt. So entstand durch Begriffe wie "Rasse" oder "Wessi" oder "Türke" die theoretische Annahme, dass es sich dabei um reale Phänomene handelt. "Wir haben nun erstmals auf der kognitiven Ebene überprüft, ob sie wirklich plausibel sind", erklärt Hans Achtelbuscher.

Dazu haben die Wissenschaftler bestimmte Zellen im Gyrus dentatus von Sachsen, Bayern und Menschen aus dem Ruhrgebiet stimuliert, sie um die Bezeichnung bekannter und unbekannter Gegenstände gebeten und dann ermittelt, inwiefern andere Neuronen dadurch gehemmt wurden. Mit Hilfe zahlreicher Messungen konnten sie so feststellen, wo das inhibierende Signal ankommt, wann die Hemmung einsetzt und wie lange sie wirkt.

"Mit diesen Werten haben wir dann eine Computersimulation gefüttert", beschreibt Achtelbuscher die aufwendigen Versuche, die zum Teil am Cern in Basel und unter Luftabschluss stattfinden mussten. "In ihr konnten wir zeigen, ob dieser Mechanismus tatsächlich zu einer spaltenderen Trennung ähnlicher Reizmuster führt und wenn ja, unter welchen Bedingungen."

Tatsächlich ergab die Analyse, dass der Gyrus dentatus von Rechtspopulisten Unterschiede im Reizmuster verstärken kann, während bekennende Linkspopulisten es schaffen, Verschiedenes gleich zu benennen. Wirklich effektiv funktioniere das in der Simulation aber nur, wenn das Gehirn bei der Signalverarbeitung auf Umstände stoße, die eine verbale Unterscheidung verhindere. "Wer den Unterschied zwischen Obst- und Steakmesser nicht kennt, nennt beide Messer", sagt der Forscher.

Muster mit voller Wirkung


Es kommt also auf die Sprachkenntnisse an, denen die so genannten Gamma-Rhythmen bei der Mustererkennung folgen. "In unserer Simulation sehen wir nun, dass die Musterseparation besonders krass wird, wenn sprachlich zu detailreich gedacht wird", betont der Leiter der Arbeitsgruppe. Grund: Beim Gamma-Rhythmus scheint der zeitliche Verlauf der Inhibition besonders gut Aktivitätsmuster zu beeinflussen. Anders ausgedrückt: Die durch ein erstes Muster ausgelöste Hemmung entfaltet exakt dann ihre volle Wirkung, wenn ein zweites Muster im Gyrus dentatus am aktivsten ist.

Wird nur ein Sprachmuster eingespeist, erfolgt im Hirn auch keine Trennung. In einem nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, ob sich die Erkenntnisse aus dem Computermodell nutzen lassen, um wünschenswerte Verhaltensänderung von Menschen bereits im frühkindlichen Stadium anzulegen. "Wer weniger Begriffe kennt, trennt automatisch weniger",  weist Hans Achtelbuscher  den weiteren Forschungen schon den Weg.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Linker: Ich wurde von einem gleichwertigen, mit mir völlig identischen Individuum mit Diskriminierungshistorie zusammengeschlagen und ausgeraubt.
Rechter: Ich wurde von einem beschi... ... zusammengeschlagen und ausgeraubt.

Der lachende Mann hat gesagt…

" zu 100 Prozent ähnelt". Danke für diese Formulierung!