Samstag, 6. Februar 2021

Der Fußabdruck der Seuche: DDR plus Honecker

Ein Fortschritt immerhin ist nach 30 Jahren Einheit zu erkennen: Erich Honeckers Heimat im Saarland gibt sich nun auch als Teil der DDR zu erkennen.


Das ist sie wieder, die gute alte deutsche Teilung, die Mauer, der Eiserne Vorhang, der Graben zwischen Ost und West. Es bedurfte erst der Corona-Pandemie, um im zweiten Anlauf deutlich zu machen, wie wurstig die beiden Deutschlands in den vergangenen 30 Jahren aneinandergeklebt worden sind. Von wegen Gemeinsamkeit, von wegen ein Land. Mitten durchs Krisengebiet zieht sich die ehemalige Grenze wie eine Narbe, die Gut von Schlecht und Schlimm von weniger Schlimm trennt.  

Weiterhin zwei Deutschlands

Die Einheit, jeweils zu Jahrestagen beschworen und zu runden ganz besonders, musste zuletzt schon ohne die ganz großen Fensterreden auskommen. Als Bundespräsident Walter Steinmeier zum 30. antrat, die Taten der Altvorderen wenigstens virtuell zu ehren, wo die Seuche doch schon Feuerwerk und Budenzauber verhindert hatte, kam Helmut Kohl so wenig vor wie die SPD, die - angeführt von einem Saarländer - seinerzeit alles daran gesetzt hatte, die geschichtliche Sekunde zu verpassen, in der aus zwei Deutschlands wieder eins werden konnte. 

Rein völkerrechtlich vergeblich,auf der Landkarte der Pandemie aber mit durchschlagendem Erfolg. Corona breitete sich im ganz Deutschland von Anfang an asynchron aus wie in zwei einander fremden Staaten. Zu Beginn war es der Westen, der litt und starb und mit exponentiellen Infektionskurven die Rechnung zahlte für seine Lust auf Globalisierung, Wohlstandsurlaub und weltweiter Vernetzung. In den Hauptstädten der ersten Welle versammelten sich die Leugner, Maskenverweigerer und Staatsfeinde zu Zehntausenden, getrieben von Unmut und mangelnder Einsicht in die Notwendigkeit, sich frei für die Befolgung der Anweisungen von Bundes- und Landesregierungen zur Eindämmung der Grundrechte im Zuge der Corona-Zeiten zu entscheiden. 

Kommandowirtschaft in der DNA

Der Osten bis hin ins abgesehen tiefdunkeldeutsche Sachsen blieb abgesehen von einigen wenigen hot spots dagegen ganz ruhig. An der Straße der Gewalt, wo die Kommandowirtschaft früherer Jahre bis in die DNA diffundiert ist, vertrauten Bürgerinnen und Bürger den richtigen Entscheidungen aus Berlin, ohne zu jammern und zu klagen. Kopfschüttelnd schauten die Menschen zu den Brüdern und Schwestern nach Westen, wo viel zu große Menschenmengen ihre ganze Verachtung für Rechtsstaat und Infektionsgesetzgebung herausschrieen, angefeuert von Influencern wie dem Koch Hildmann oder dem Soulmusikanten Naidoo

Die Durchseuchung der demokratieerfahrenen Teilen der Republik nahm ein erschreckendes Tempo an und weder die lasche Laschet-Strategie zur Seuchenkontrolle noch der strenge Söder-Kurs schienen geeignet, die sich anbahnende Katastrophe aufzuhalten. Erst nach dem unbeschwerten Corona-Sommer startete der Osten zum Überholen, statt nur einzuholen: Waren und sind heute 1,75 Millionen der 70,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger im alten Westdeutschland infiziert, umgerechnet etwa 2,5 Prozent,   kommt die frühere DDR mit 550.000 Infizierten unter ihren nach Jahrzehnten ungebremster Abwanderung noch 12,5 Millionen Menschen im Gebiet hinter dem einstmaligen Grenzzaun auf eine Rate von 4,4 Prozent. 

Von Zusammenwachsen keine Spur

Von Zusammenwachsen keine Spur, abgesehen vom Saarland, der Region, aus der Erich Honecker stammte und in der mit Oskar Lafontaine der Mann noch immer residiert, der als SPD-Kanzlerkandidat gegen die nationale Besoffenheit antrat, die meinte, genug für die Sünden der Vergangenheit gebüßt zu haben. Die deutsche Einheit sei ein "historischer Schwachsinn", eine Übernahme des Ostens viel zu teuer und ein langsamer, eigenstaatlicher Weg der DDR die  - vor allem für die alte Bundesrepublik und den Weltfrieden  - verträglicherere Variante. 

Die "Frustrierten im Osten" (Edmund Stoiber) versagten dem sicheren Sieger daraufhin die Gefolgschaft. Lafontaine holte mit 33,5 Prozent das schlechteste Ergebnis der SPD bei einer Bundestagswahl seit 1957, sein Stern begann zu sinken und bis heute versucht die deutsche Sozialdemokratie immer mal wieder vergebens, mit sturzgeborenen Zehn-Punkte-Plänen bei denen zu punkten, die sie damals von der Türschwelle verweisen wollte. Ironie der Geschichte nun, dass Lafontaines Plan einer Erhaltung der DDR als eigener Entität in der Pandemie zeigt, dass er Hand und Fuß hatte. Und dass ausgerechnet das Bundeslandland, das Lafontaine 13 Jahre lang als Ministerpräsident regierte, das einzige ist, dass den Anschluss an den Osten schließlich doch noch geschafft hat.


3 Kommentare:

Die Anmerkung hat gesagt…

>> von wegen ein Land

Die BRD ist ungefähr genauso ein Land wie Europa ein Europa oder die EG oder EWG oder der Schengenraum oder besonders eng miteinander verbunden ist, also nichts weiter als ein lockerer Verbund von Regionen. Manchmal gerne auch lockerer.

Die Anmerkung hat gesagt…

Den Fußabdruck von Motifs Falschnußseuche kann man ab heute mit einen Telefon, das auch Fotos kann, dokumentieren. Es wird nie wieder Schnee geben. Motif am 1. April 2000. Kleiner Scherz.

https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/winter-ade-nie-wieder-schnee-a-71456.html

Volker hat gesagt…

Am besten ist das verlinkte Gesülze des Dietrich Herrmann (m/w/s) von der Böll-Stiftung.