Dienstag, 11. Mai 2021

Impfen statt schimpfen: Die Corona-Zauberkünstler

Eines Tages wird der Tag gekommen sein, an dem man es besser macht.

Das Impfdesaster ist weg, wenigstens aus den Schlagzeilen, Deutschlands Medien haben sich entschlossen, als Erfolg zu werten, was an der Impffront erreicht worden ist. Fast acht Millionen Vollgeimpfte nach nur vier Monaten, rund 30 Prozent der Bevölkerung einmal "gepikst" (Bundesregierung) binnen von 120 Tagen. Wir sind wieder wer und wir werden immer besser, denn zwar sind die zehn Millionen Impfungen pro Woche, für die Finanzminister Olaf Scholz ab Ende März gesorgt hatte, noch immer weit, weit web. Aber sieben Millionen, das ist doch ein Anfang, der es erlaubt, vom "Impfturbo" zu schreiben und das wunderschöne Adverb "schon" in jedem einzelnen Satz unterzubringen.  

Es ist nichts falschgelaufen

Genaugenommen ist im Großen und Ganzen nichts falschgelaufen. Der Blutzoll für die Verzögerungen bei Start der größten Impfkampagne aller Zeiten liegt bei nicht mehr als ein paar tausend Toten, aber ein bisschen Schwund ist eben immer und der Gewinn, in der großen Krise gezeigt zu haben, wie fest die EU-Staaten zusammenstehen, auch wenn die Gemeinsamkeit sie etwas kostet, ist jeden Preis wert. Ursula von der Leyen, zwischenzeitlich angeschlagen, triumphiert. Die CDU, als Hauptverantwortliche für die zeitlupenhafte Befreiung von Eindämmungsmaßnahmen aller Art in Umfragen abgestraft, wittert Morgenluft. Der Sommer wird groß und die Wahl im Herbst dann eben doch gewonnen.

Beeindruckend an den Abläufen bis hierher sind weniger die Ergebnisse, als die jähen Wendungen, denen das Publikum seit Monaten folgen muss wie ein Schießhund dem hakenschlagenden Hasen. Was eben noch stimmt, ist jetzt schon grundfalsch, ein Glaubenssatz, der mit aller noch verbliebenen medialen Macht über alle Kanäle förmlich in die Köpfe gehämmert wird, kann schon im nächsten Augenblick das Gegenteil von dem sein, was zu glauben als angebracht und den Umständen angemessen gilt. 

Revisionismus im Wochenrhythmus

Zuletzt marschierte der Bundestag  ganz vorn in der Front der Revisionisten. Am 21. April verabschiedete das Hohe Haus die Bundescoronanotbremse als letzte Rettung vor der dritten Viruswelle. Am 24. April konnte das Gesetz inkrafttreten, schneller als jemals zuvor ein Gesetz. Und von diesem historischen Moment an dauerte es genau zwölf Tage, bis derselbe Bundestag sich entschloss, die eben verhängten Einschränkungen zur Rettung der Nation vor dem Volkstod für Geimpfte und Genesene wieder aufzuheben. Die ganz normale Inkubationszeit, die ablaufen müsste, um sehen zu können, ob der Tritt auf die Bundesnotbremse irgendeinen Effekte gehabt hat, war da noch nicht einmal ansatzweise abgelaufen. 

Einige Bundesländer aber waren ja schon vorgeprescht - sie hatten nicht einmal die normale Quarantänezeit für einen positiv PCR-Getesteten abgewartet, sondern die Bundesbremse mit Lockerungen außerhalb der Verfügungsgewalt des Bundes gekontert. Mit den neuen Lockerungsdiskussionsorgien beginnt nun eine neue Zeit der Unübersichtlichkeit: Aus dem Astrazeneca-Impfstoff, von dem die EU genug bestellt hatte, der aber nicht wie vereinbart geliefert wurde, der in Deutschland aber für Ältere ohnehin nicht zugelassen werden konnte, weil zwar die Europäische Arzneimittelbehörde an ihn glaubte, die deutsche Stiko aber impfstoffnationalistische Zweifel hatte, wurde erst ein nur noch für Ältere zugelassenes Vakzin.

Ehe die ersten Bundesländer darauf nichts mehr gaben. Und AstraZzneca für Erwachsene aller Altersgruppen zuließen. Wenig später folgte Johnson&Johnson. Jetzt für alle ab 60 empfohlen. Und freigegeben für alle überhaupt.

Der Zug wendet auf der Schiene

Was bleibt einem Bundesgesundheitsminister da noch? Der Zug hat auf der Schiene gewendet, die Fahrt geht nun in die Gegenrichtung. Den hält niemand mehr auf. Jens Spahn reagierte kurzentschlossen. Auch er gab Astrazeneca nun frei, allerdings nicht, ohne den anfangs auf vier Wochen, dann auf acht und schließlich auf zwölf Wochen streng wissenschaftlich festgelegten Zeitraum zwischen ersten und zweiter Impfung wieder streng wissenschaftlich auf vier Wochen zusammenschrumpeln zu lassen. Es sei "lebenspraktisch", den Abstand auf vier Wochen zu verkürzen, viele würden die Zweitimpfung lieber früher haben, "auch mit Blick auf den Sommer", sagt Spahn. Selbst wenn die Impfung dann - zumindest nach aktuellem Stand - weniger gut wirken werde. Käme es so, würde die EU den Hersteller einfach noch einmal verklagen.

Denn die Bundesnotbremse hat gerade erst gezeigt, wie Wille und Vorstellung Wissenschaftlichkeit in ihre Schranken weisen können. Noch ehe rein rechnerisch überhaupt eine Wirkung der Ausgangssperren hatte sichtbar werden können, erklärte der Gesundheitsminister die dritte Welle für beendet. Es sei wohl so, sprang ihm der Chef des Robert-Koch-Institutes bei, dass schon die Androhung der Verschärfung von Maßnahmen dazu führe, dass die Menschen ihr Verhalten vorsorglich änderten. Man kenne das aus der ersten Welle, versicherte Wieler. Damals hatte die Bundesregierung bekanntlich noch am Vorabend der ersten Ausgangssperren und Kontaktverbote behauptet, es werde im Internet "behauptet und rasch verbreitet, das Bundesministerium für Gesundheit / die Bundesregierung würde bald massive weitere Einschränkungen des öffentlichen Lebens ankündigen", das aber stimme "NICHT!" (Originalschreibweise.

Das Wunder von Wieler

Das Wunder geschah, zumindest im Rückblick. Als wenige Stunden nach der Mitteilung des Gesundheitsminsiters, es werde keine wie immer gearteten "Maßnahmen" geben,  genau diese Maßnahmen verhängt wurden, hatten Bürgerinnen und Bürger ihr Verhalten schon so grundlegend geändert, dass Lothar Wieler heute stolz zurückschaut. Im politischen, epidemiologischen, wissenschaftlichen und propagandistischen Berlin weiß jetzt jeder, dass es eigentlich immer reicht,  Maßnahmen nicht einmal anzukündigen oder gar anzudrohen.

Klug ergänzt durch die Vermeidung eines weiteren Anstiegs von Tests mit ungewissem Ausgang durch die weitgehende Schließung der Schulen und einen beruhigenden Hinweis auf das sehr seltene Auftreten ungewöhnlicher Blutgerinnsel in den Handzettel des Astrazeneca-Impfstoffes, ist der Abschwung der Inzidenzen recht solide abgesichert. Vertrauen kann nun wieder wachsen. Die Bundestagswahl wartet auf das große Vergessen. Es hat schon begonnen.


2 Kommentare:

Abra Macabra hat gesagt…

Bei dem schwarmintelligenten Durchschnitts-IQ der alternden deutschen Wählerschaft liegt die zu überspringende Latte der Vertrauenszurückgewinnung so niedrig, dass man von einem Strich auf dem Boden sprechen könnte. Irgendwelche albernen Absurdistan-Versprechen für morgen, und schon sind alle vertrauensselig wieder da und schreien begierig "Weiter so!".

Laschet braucht sich also keine Sorgen zu machen, denn auf die Schlandler ist diesbezüglich Verlass. Besonders in Krisenzeiten kreuzen sie garantiert wieder an, was sie in ihrer Sippe bereits seit Jahren wählten. Für illusionären Sicherheits-Hokuspokus sind die Michels trotz gegenteiliger Alltagserfahrung nämlich immer zu haben, denn außer bizarrem Wunderglauben bewegt sie nicht viel.

Darum also ein kleiner Impfpieks mit ihnen unbekanntem DNA-Dreckszeug in den Arm, der ihnen die Kleinhirme matschig spritzt und schon erhoffen sie sich rasche Heilung, um bald wieder wie von Sinnen shoppen und feiern zu können.

Was war das im Lockdown für ein Affentheater, als es hysterisch um die Haare schön ging und panisch alle Klopapiervorräte gehamstert wurden. Bei denen hat das aus dem Kopf und das aus dem Darm drängende alleroberste Priorität. So ticken sie, diese Besserwisserseelchen, die sich einbilden, der gesamten Menschheit impertinent das korrekte Leben predigen zu müssen.

Diese Nulpen halten sich wahrhaftig für Zauberkünstler, die meinen, den global bedrohlichen Klimawechsel durch heimisches Radfahren stoppen und so die ganze Welt retten zu können. 80 Mio wohlstandsverweichlichte Traumtänzer gegen fast 8 Mrd hartgesottene Realisten, die täglich ums nackte Überleben kämpfen müssen. Wer da wohl siegt?

Das kann ein adipöser Man-gönnt-sich-ja-sonst-nix-Piefke oder Importsojafleisch-Veggiebuntling sich jedoch nur schwer vorstellen. Die fressen beide nämlich Kuchen, falls sie mal kein Brot haben, was angesichts täglich frisch aufgefüllter Supermärkte jedoch nie vorkommt.

Wo kommt sie nur her, diese ignorante Arroganz in unserem Größenwahn, immer alles richtig bzw. sogar besser als alle anderen Erdbewohner zu machen?

Anonym hat gesagt…

Der 24. April 2021, der Tag der Bundesnotbremse läutete einen neuen „Tag der Befreiung“ ein. Unser Endkampf - trotz verschossener letzten Patrone - führt geradedenkend zum Endsieg. Ja, die Umstände waren widrig! Die altbekannte Seite orchestrierte fortwährend Wehrkraftzersetzung, rief zu Disziplinlosigkeiten auf, delegitimierte mit Kritik die Regierung. Dazu europafeindliche Inselbewohner, die mit Kleingedruckten in Verträgen die deutsche Wertearbeit in Brüssel torpedierten und einen menschenfeindlichen Impfnationalismus an den Tag legten. Und über alles thronen die Trumpverwerfungen, die Folgen dieser Schreckensjahre werden auch in Deutschland noch Jahre des Wiederaufbaues in Anspruch nehmen. Doch der Sieg naht, über erste Brückenköpfe stabilisieren wir die Impffront zunehmend, das Virus weich zurück. Es ist schon zu geschwächt für Offensivinitiativen, eine Angriffswelle wird das Virus nicht mehr schaffen; die operative Kraft liegt ganz bei uns. Aber wir müssen geduldig sein, ein paar Monate werden die letzten Gefechte noch dauern. Dann können wir über die Nachkriegsordnung sprechen und Maßnahmen ergreifen, damit sich im Interesse der Bürger Geschichte nicht wiederholt.