Mittwoch, 26. Mai 2021

Klima im Korsett: Nation an der Grenze

 

Eigentlich gilt er auch emotional als würdiger Nachfolger seines Vorgängers Wolfgang Böhmer, dessen Ruf als Strickjacke unter den Ministerpräsidenten legendär war. Reiner Haseloff, nach langer Ausbildung in der Verwaltung und im Wirtschaftsministerium nachgerückt, nachdem er den Markt für illegale Glücksspiele im Handstreich ausgetrocknet hatte, ist der Hauslatsch zur gemütlichen  Böhmerjacke, ein Mann, der manchmal murrig Widerworte gibt, selbst der Kanzlerin. Aber dann doch mitmacht, weil es einer schließlich immer machen muss.

Widerworte nach Berlin

Dass der Wittenberger die Nerven verliert, kommt nicht vor. Auch nach acht Jahren im Amt hat Haseloff nahezu sämtlich Ziele verfehlt, die er hatte erreichen wollen. Doch nach einer letzten Legislaturperiode, die gemeinsam mit Rot und Grün durchregiert wurde, um den Angriff der Blauen auf die Demokratie anzuwehren, gilt es in Magdeburg schon als Erfolg, überhaupt noch im Amt zu sein. Erst im letzten Herbst hatte Haseloff seinen Parteichef und designierten Nachfolger enterben müssen, damit das gelang. Jetzt tritt er selbst noch einmal an, mit 67 im besten Renteneintrittsalter. Aber wer sonst sollte es tun. Sachsen-Anhalt hat doch nur noch knapp 2,2 Millionen Einwohnerinnen.

Dass Reiner Haseloff schwant, was in den kommenden vier Jahren auf ihn zukommt, hat der meistenteils trocken und unangefasst wirkende Katholik jetzt in einer dreiminütigen Suada erkennen lassen. Formell ging es nur um die Fertigstellung des letzten Teilstücks einer mehr oder weniger bedeutungslosen Autobahn in Ostdeutschland, die nach drei Jahrzehnten irgendwann befahrungsreif sein wird, wenig später aber vermutlich schon wieder zur Generalsanierung ansteht. 

Vulkanischer Ausbruch

Geradezu vulkanisch aber brach bei dieser Gelegenheit aus Reiner Haseloff heraus, was dem in allen Verwaltungsebenen geübten Christdemokraten augenscheinlich dieselben schweren Zukunftssorgen bereitet: Es passt alles nicht zusammen, es mutet alles hanebüchen an, der Klimasprint ins Paradies, angestrebt in einem Bruchteil der Zeit, die es in Deutschland allein braucht, einen Gartenzaun zu planen.

Haseloff hat die gleichen Bedenken. Nur mit Hilfe des Verkehrsbeschleunigungsgesetzes aus den Nachwendejahren sei es überhaupt möglich gewesen, so schnell zu bauen, dass das heute eine Autobahn wie die A14 vorhanden sei, deren langsame Fertigstellung allseits beklagt werden könne. Denn ohne Beschleunigungsgesetz, das zeigten andere Autobahnprojekte, gehe alles noch viel langsamer voran. Haseloffs Leiden: Dumemrweise sei die Praxis der Beschleunigungsgesetze trotzdem nicht auf ganz Deutschland ausgedehnt worden, sondern man habe den Osten ins selbe Genehmigungskorsett gezwängt wie den Westen.

Durch alle Instanzen klagen

Wir sehen den Unterschied", schimpft Haseloff, "wie lange wir uns durch alle Instanzen klagen". Währenddessen stiegen jedes Jahr die Baukosten und am Ende könne niemand mehr neue Straßen oder andere Teile der Infrastruktur bezahlen. Wenn man mit den entsprechenden Kosten plane, und es dauere zehn Jahre bis zum Bau, ja und dann wird es noch doppelt so teuer wie dreimal so teuer."

Unzweifelhaft hat Reiner Haseloff Angst vor der Zukunft, die ihm deutlich vor Augen steht. Spätestens mit dem neuen Klimagesetz, das für die nachfolgenden Regierungen und Parlament in Deutschland jede Menge großer Ziele formuliert, ohne Hinweise auf mögliche Wege dorthin zu geben, geht es nicht um die deutsche Unfähigkeit, eine Autobahn, einen Flughafen oder eine Fabrik zu bauen. "Wir werden die Energiewende und die Klimaziele nur erreichen, wenn wir diese Gesetzlichkeiten ändern."

Das deutsche Schnell

Er selbst habe vor zehn Jahren am Atomausstiegsbeschluss mitgearbeitet und er erinnere sich, wie "wir uns klar ins Stammbuch geschrieben haben, auch mit der Bundesregierung, das können wir nur machen, wenn wir die Alternativen neu bauen einschließlich Stromtrassen von Offshoreanlagen im Norden nach Süden, wo die Atomkraftwerke stehen". Man habe damals gewusst, dass wir "schnell fertig werden" müsse, er sehe aber heute "wir hängen heute Jahre hinterher."

Reiner Haseloff schwant eine schwierige nächste Amtszeit. Während die Kanzlerin aus dem Amt scheidet, fürchtet ihr sachsen-anhaltischer Parteifreund offenbar, noch während seiner nächsten Amtsperiode für die Folgen einer überhasteten, ungeplanten und unausgegorenen Energieausstiegspolitik haftbar gemacht zu werden. "Wir werden sozusagen als als Nation an die Grenze dessen kommen, was wir überhaupt noch ertragen wollen", warnt er angesichts eine fortschreitenden Verfalls der Infrastruktur. "Wenn mir das Klima retten wollen, müssen wir mit den gleichen Leuten, die die Energiewende vorangebracht haben, darüber reden, dass wir es nur schaffen können, indem wir bestimmte Dinge, die sich entwickelt haben in der Bundesrepublik, dass wir die optimieren", schachtelsatzt er.

Sorgen und Angst

Haseloff hat Sorgen, große Sorgen. "Wir werden die Energieziele nicht erreichen, da können wir Wasserstoffstrategien machen, wie wir wollen." Wenn Deutschland nicht schneller werde und "Instanzen möglicherweise eindampfe" oder Fristen verkürze und "dann das Projekt durchziehen" und nicht jeden einzelnen Schritt sozusagen beklagen lasse. Das sei notwendig "zur Rettung des Planeten" (Haseloff), denn so, wie "wir momentan unterwegs sind, schaffen wir es nicht."

Noch laufe zwar alles im "Korsett dieser alten Bundesrepublik" und so lange es gut laufe, sei alles in Ordnung. Doch Reiner Haseloff sieht sie schon kommen, die "Versorgungsprobleme in den nächsten Jahren", wenn "wir dort nicht schon noch nach vorne kommen". Skepsis ist angebracht, ebenso die Hoffnung auf eine Genesung der Welt nach deutschen Vorbild. "Wenn wir nicht mal, um die Welt zu retten, praktisch eine Stromtrasse über den Thüringer Wald hinbekommen, dann brauchen wir keine Verträge mehr abzuschließen, ob in Paris oder in Rio oder sonstwo", schimpft Reiner Haseloff: "Dann bleiben wir im Prinzip nur Sprechblase."


3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Solchen Leuten würde ich nichtmal Käuflichkeit vorwerfen, dafür bleibt bei so einem Provinzheini zu wenig hängen. Die glauben an das Zeug genauso, wie sie früher an die Transsubstantion bei der Messe geglaubt hätten.
Bei der Autobahn hängen nur ein paar Baumultis drin mit Legionen von Subs, paar Millionen, paar Milliarden, Schwamm drüber. Beim Klimading geht es um Billionen, die konstant fließen werden, da wurde schon für weniger die große Axt angesetzt.

Rückgratschwäche hat gesagt…

Ein rührende Kümmerlingstory aus der Sicht eines alternden Landesvaters, der sich zurecht sorgt, dass Deutschland trotz millionenköpfigem Fachkräfteimport es im Energieversorgungs- und Infrastrukturbereich nicht schafft, das sensationelle Tempo des Föhrärs im Autobahnbau auch nur ansatzweise zu erreichen. Und das zu einer Zeit, als es kaum Autos und somit keine Kfz-Steuer-Einnahmenflut gab wie heute unter Mobilitätsexperten wie dem schmierigen Scheuerlappen.

Vermutlich waren damals auch nicht so viele Bürokraten beschäftigungstherapeutisch damit befasst wie heute im Vollversorgungsparadies für unproduktive Nassauer. Die wurden zu jener Zeit nämlich für andere Spezialaufgaben gebraucht, denn schon unsere Vorfahren dachten grenzenlos und luden sich auch ohne pubertäre Willkommensmädels einfach irgendwo selber ein, um den dortigen Untermenschen endlich deutsche Zucht und Ordnung einzuprügeln.

Egal, seit Tschernobyl wissen wir, dass die Welt zumindest über den Schrebergartenzäunen der Michels tatsächlich grenzenlos ist.

Damals geriet ich als junger Mann auf einer Wanderung im Erdinger Moos bei München in den atomaren Schauer, in dem ich einen von emsigen Kleinkünstlern sauber präparierten Tierschädel fand, der bis heute meine Vitrine ziert und mich nachts mit seinem warmen neongrünen Glimmen erfreut. Seitdem bin ich ein Strahlemann, den keine Massenpanik mehr dimmen kann.

Aktuell jedenfalls können wir von Glück reden, dass unsere teuflischen Nachbarn mit ihrem Kohle- oder Atomkraftwerken dafür sorgen, dass hier im windigen Sonnenschlaraffenland das Tranfunzellicht trotz Energiesparbirnen in den Oberstübchen bei Flaute und Wolken nicht komplett ausgeht.

Aber, wenn wir Visionäre erst alle hübsche neue E-Cars, bequeme Pedelecs und sonstigen albernen Elektronikschnickschnack in Betrieb haben, dann, ja dann wird wahrlich klinisch sauberer Strom vom Himmel regnen.

Darum weiter so, denn das Gigawattimperium ist nahe. Fehlt nur noch ein Lord Voltemord als Kaiser aller nimmersatten Saftschlucker.

Ohm Sweet Ohm. Ein Traumtänzervolk schwebt davon ins Widerstands-Fantasialand.
Anschließend Radioactivity zum aufwachen in der global strahlenden Wirklichkeit.

Kraftwerk. Forever smart powervibes.

Anonym hat gesagt…

Ich neige dazu, dem 1. Kommentator darin recht zu geben, daß die den Mulm ernsthaft selber glauben. Noch vor ~ 350 Jahren hätte man einem engagierten Hexenrichter nicht ohne erhebliche Selbstgefährdung klarmachen können, daß er im Grunde eine Mistmade sei - er hielt sich für einen Retter der Menschheit.
Das sage ich nicht einfach so - ich kenne die Sorte seit den Siebzigern schon. Überall lauern die Malefizhexen, bzw. der Klassenfeind. Paranoid aus eitel Dummheit.