Montag, 11. April 2022

Im Spiegelkabinett: Grausamer Kampf ums Amt

Es sind die "Zeiten des Unvorstellbaren", Tage, in denen Dinge offenbar werden, die sich niemand jemals zuvor hätte vorstellen können. Politiker und Innen sind im Angesicht von großen Krisen, von Naturkatastrophen und Todesopfern, vor allem darauf bedacht, eine gute Figur zu machen. Während gestorben wird, verhandeln sie mit ihren Spindoktoren über "ein paar Sätze des Mitgefühls" (Malu Dreyer, sie lügen, wo es passt, und schwindeln, wo es sein muss.  

Und wenn man auch woanders ist

Es geht um Tatkraftsimulation und darum, die Menschen mitzunehmen, dort, wo sie sind, auch wenn man selbst woanders ist, in Gedanken oder im Urlaub zum Beispiel, von wo aus man heutzutage leicht selbst an Kabinettssitzungen teilnehmen kann. Aber nicht muss. Anne Spiegel, ein politisches Generaltalent, das mit noch nicht 40 Jahren bereits Ministerin für Familie, Frauen, Jugend, Integration und Verbraucherschutz, dazu Ministerin für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten und schließlich Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität und stellvertretende Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz war, ehe es Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wurde, steht seit Wochen im Fokus von Frauenfeinden, Grünengegnern und Regierungskritikern. 

Weil Annalena Baerbock, Robert Habeck und Olaf Scholz kaum an die berühmte Flinte zu pissen ist, die drei machen nach allgemeiner Auffassung einfach einen viel zu guten Job, rückte die aus der Boris-Becker-Stadt Leimen stammende Grüne ins Visier. Spiegel hatte bei der Flutkatastrophe im Ahrtal größere Sorgen gehabt, kommunikativ ungeschoren zu bleiben als Menschenleben zu retten, warft man ihr von interessierter Seite vor. Eine verharmlosende Pressemitteilung zu gendern sei ihr wichtiger gewesen als eines ihrer vielen, vielen Ämter als Umweltministerin zu walten. 

Der Kern aller Politik

Nun ist Kommunikation der Kern von Politik, in der sich alles darum dreht, gut auszusehen, das Richtige zu sagen und den Eindruck zu vermitteln, man habe vor, das Richtige zu tun. Kein Verantwortungsträger schleppt Sandsäcke, betätigt Sirenen, die ja sowieso nicht heulen würden, oder gibt meteorologische Prognosen ab. Politische Verantwortung ist eher politisch als praktisch, regiert wird über Ansagen und Auskünfte zu möglichen Absichten und Absagen. Wer für neun Ressorts zuständig ist wie es Spiegel war, der hat damit genug zu tun.

Anne Spiegel blieb also durchaus im üblichen politischen Handlungsrahmen, als sie einen Mitarbeitenden mahnte, eine besorgte, aber zugleich auch beruhigende Pressemitteilung abschließend bitte noch geschlechtergerecht zu formulieren, auf dass mögliche Todesopfer sich nicht über eine Nichtberücksichtigung in der Trauerarbeit beschweren könnten. Danach reiste Anne Spiegel in einen Familienurlaub, nach Frankreich, denn wer weiß, wie lange  man dort als deutsche Grüne und grüne Deutsche noch guten Gewissen hinfahren kann. 

Keine Bilder aus dem Pool

Es war, so sieht es im Nachhinein aus, nicht das glücklichste und vielleicht nicht einmal ein besonders glückliches Timing. Daheim wurde gestorben und die Ministerin spannte aus. Zwar gab es keine Poolbilder von Anne Spiegel wie damals von Rudolf Scharping und seiner Gräfin Pilati. Doch Spiegel trat auch nicht zurück wie der frühere Verteidigungsminister, der auf "total verliebt auf Mallorca" (Bunte) geplanscht hatte, als die Nation sich die Frage stellte, ob sie schon wieder bereit sei, für die Frieden in der Welt zu schießen und zu sterben.

Stattdessen trat sie vor die Kameras, Sonntagabend, beste Kanzlernde-im-TV-Zeit, eine Stunde, in der die Einsichtsfähigkeit Politikbetreibender traditionell am Tiefpunkt ist. Am Ende einer langen politischen Woche, wenn Anne Will zusammenkehrt, ist meist alles richtig gewesen. Und was falsch war, sieht man nun auch selbst und ist eigentlich seit Tagen dabei, es beim nächsten Mal besser machen zu wollen. Nicht wörtlich, was Anne Spiegel sichtlich am Rande des Nervenzusammenbruchs vortrug. Aber gut gemeint. 

Überfordert, aber entschlossen

Wer danach kein Mitleid hatte mit einer Frau, die überfordert ist von der Vielzahl ihrer Aufgaben, sich dieser Überforderung aber weiterhin gern stellen will, der hat kein Herz. Diese Frau aber, vier Kinder und als Ministerin für die vier großen Themen Familie, Senioren, Frauen und Jugend zuständig, ist eine Kämpfernatur, die über die übliche Berliner Schamgrenze hinausgeht, um festzuhalten, was sie hat. Bei ihrem Offenbarungseid packte Anne Spiegel alles auf den Tisch: Ihren kranken Mann. Ihre Überforderung. Die hohe Belastung  durch die vielen, vielen Ämter. Der lange Urlaub. Die Lügen danach.

Grausame Bilder, die da aus Berlin kamen, schwer zu ertragen selbst für hartgesottene Beobachter der politischen Bühne, die sich noch an die Auftritte von Rudolf Seiters als aufrechten Scheiterer an absurden Verschwörungstheorien oder an Cem Özdemir in seiner großen Rolle als reuiger Sünder erinnern. Die beiden Männer wurden seinerzeit zurecht auch unfair angegriffen, weil sie taten, was sie getan hatten. Anne Spiegel aber ist eine Frau. Sie lügt nicht, ihr geschehen allerhöchstens "unrichtige Angaben". Ihr Urlaub hatte doch "private Gründe". Sie würde heute alles anders machen, wenn sie könnte. Mehr kann niemand verlangen, auch wenn es die "Tagesschau" tut.


9 Kommentare:

Carl Gustaf hat gesagt…

Zwischen Kanzleramt und Arbeitsministerium werden bereits die Drähte glühen, um fix eine Dienstvereinbarung über Mobiles Arbeiten für Minister*innen rückwirkend auf den Weg zu bringen. Damit auch der Frankreich-Aufenthalt unter die Dienstvereinbarungen fallen kann, ist zwingend das Außenministerium zu beteiligen.

Das wird schon. Niemals war der Begriff "Spiegelfechterei" treffender als heute.

Arminius hat gesagt…

Während ich diese Zeilen schreibe, ist die Dame möglicherweise schon Geschichte. In jedem Fall werden die Messer im Grün*:Innen-Vorstand bereits gewetzt, um diese unappetitliche Angelegenheit zu beenden.
Als neues Familienmininster*:In steht bereits Antonia Hofreiter bereit, die sich extra für diesen Anlaß eine neue Identität als Quotenfrau zugelegt hat. Sie ist allerdings noch auf der Suche nach passenden Frauenkleidern

Jodel hat gesagt…

Mit der Frau muss man doch echt Mitleid haben. Offenbar wurde sie als Ministerin zwangsrekrutiert. Andere Leute würden bei vier Kindern und einem Mann mit Schlaganfall vielleicht kurz darüber nachdenken etwas kürzer zu treten, um die Familie betreuen zu können. Nein, hier müssen nur vier lächerliche Wochen Urlaub reichen, dann geht es zurück an die Front.
Aber Frau Spiegel ist ja auch grüne Politikerin und nicht andere Leute. Bei der dünnen Personaldecke muss im Amt ausgehalten werden, koste es was es wolle. Oder soll es, wie schon genannt, der Antonia machen. Himmel hilf.

Außerdem muss man nur mal einen Blick in die Vita der guten Frau werfen. Außer Ministerin hat die Gute ja leider nichts gelernt. Da tritt so einfach zurück, wenn Hartz IV auf dich und die deinen wartet. Scharping oder Seiters hatten da gut lachen. Die konnten nach dem Rücktritt Oberfahrradfahrer und Rot-Kreuz-Chef werden. Frau Spiegel hat aber so einen dürren Lebenslauf, der könnte man wohl nicht mal irgendeine nachgelagerte Bundesbehörde oder NGO anvertrauen ohne, dass sie diese in die Grütze reiten würde. Seit sich die Politikerkaste immer mehr aus im echten Leben ungedienten Unnützlingen rekrutiert, werden die Versorgungsposten für unverdiente Ausscheider auch langsam knapp. Da brauchen einfach zu viele eine Anschlussverwendung, weil sie nicht mal als Lobbyist für die Wirtschaft zu gebrauchen sind und wirklich niemand ihre Memoiren lesen wollen würde.

Was bleibt einer solch bemitleidenswerten Frau daher übrig, das den Spot zu ertragen und weiterzumachen, immer weiter. Ein paar Tage Urlaub werden nach dieser leidlichen Debatte hoffentlich auch noch drin sein.

Carl Gustaf hat gesagt…

Jemand sagte mir grad: "Gut, wenn ein Grünen-Minister im Urlaub ist. Dann kann er (resp. sie) wenigstens keinen ernsthaften Schaden anrichten."
Aber nun isse weg ...

Anonym hat gesagt…

der verfilzte Logenstaat benötigt besonders unfähige Parasiten

Anonym hat gesagt…

Anne (((Spiegel))) ist zurückgetreten - "was gilt's?" - Hiob 1.11 - sie wird seidenweich fallen.

Anonym hat gesagt…

Scharping ist damals gefeuert worden.

Volker hat gesagt…

"Andere Leute würden bei vier Kindern und einem Mann mit Schlaganfall vielleicht kurz darüber nachdenken etwas kürzer zu treten"

Ich habe größten Respekt vor der Dame. Trotz dieser enormen Belastung hat sie Zeit gefunden fürs Gendern.

ppq hat gesagt…

stimmt