Montag, 9. Mai 2022

Doku Deutschland: Die Papierkrieger

Mitarbeitende des Hauptverwaltungsamtes (h.l.) beim Mittagsspaziergang am Ufer der Spree.

Sie können froh sein, das alles gar nicht im Einzelnen mitzubekommen. Ich mache die Sache hier nun seit 25 Jahren, aber war im Moment los ist, das habe ich noch nie erlebt. Flügelschlagen, Aufregung, jähe Wendungen. Du kommst morgens früh in dein Büro, alles sieht aus wie immer. Aber dann geht die Tür auf und die Wirklichkeit kommt zu Besuch. Auf einmal ist alles anders, Zeitenwende jeden Tag, manchmal aber nur bis mittags, dann ist schon wieder Befehlsausgabe und die Truppen werden umgruppiert.

Verwaltungen sind keine Armee

Nur dass wir eben keine Armee sind, sondern eine ganz doofe alte triste deutsche, ja, fast würde ich sagen preußische Verwaltung.  Wir organisieren Leben, aber auf der feinstofflichen Ebene. Oben wirft ein Politiker, auch mal eine Politikerin, eine Idee rein. Unten kommt eine Verwaltungsvorschrift raus, ein Gesetz, eine Verordnung, eine Richtlinie. Etwas jedenfalls, an das sich de Bevölkerung halten kann. Und, das sage ich gern, auch halten muss. Unser Papier, also das, was wir produzieren, das sind die Befehle für die Gesellschaft,  wir spannen die Richtschnüre für das Handeln aller, die Fangnetze, aber auch die Rechnungen.

Das ist ein geruhsames Geschäft, in dem Zeit nur insofern eine Rolle spielt, dass jede Verwaltung sie hat, einfach, weil ihr Leben unendlich ist. Während die Politiker, die meinen, über die Verwaltung zu gebieten, alles jetzt und gleich und augenblicklich haben wollen, weil bei ihnen nicht so knapp ist wie Zeit. Als ich beim Gerd Schröder damals anfing, ein junger Kerl, der aus einer Provinzbürokratie kam, war das Prinzip schon etabliert. Und ältere Kollegen sagten, das sei schon immer so gewesen, man müsse sich deshalb nicht verrückt machen. 

Papierkrieg im Büro

Der Wechsel nach Schröder hin zur Merkel hat die Sache durchaus beruhigt, zumindest bei uns hier im Hauptverwaltungsamt, sie kennen es vielleicht besser als HVA. Die Merkel regierte mit der ruhigen Hand, in der der Schröder immer eine Flasche Bier hatte. Der war ja ein Genusspolitiker, der wollte auch Spaß bei der Arbeit haben. Bei der Merkel, ich hatte mehrfach Vortrag bei ihr, bekam man aufgrund dieser Mundwinkel dagegen immer den Eindruck vermittelt, sie wisse so recht nicht, wie das Wort Spaß zu verstehen ist. Sie hatte zweifellos Humor. Aber der war wohl eher von der dreckigen Art, also das Lachen über andere. Hier muss ich aber sagen, das sagten die Kollegen so. Ich selbst habe das nie beobachtet, es deckte sich nur mit meinem Gesamteindruck.

Jedenfalls, um zur Sache zurückzukommen, die meisten Wechsel waren ja dann Merkelwechsel, da ging es am Montag nach der Wahl weiter wie es am Freitag davor aufgehört hatte. Derselbe Papierberg, dieselbe Schippe, derselbe Auftrag, ihn abzutragen. Dass es der Dings, also der Mann, der die Merkel dann beerben sollte, mir fällt der Name gerade nicht ein, dann nicht geschafft hat, war schon ein Schock, selbst für die Kollegen hier, die wie ich rotes Blut haben und kein schwarzes, also mit dem Schröder gekommen sind, nicht mit dem Kohl oder der Merkel. Der Scholz war dann ein Trost, auch ein Verwaltungsmann, ein Kaltblüter, einer, von dem wir sicher waren, dass er den Stein auf dem anderen lässt.

Bremsen ohne Bremslicht

Soweit ließ sich das auch alles gut an. Die Neuen hatten wieder ihre Projekte, die neuen Minister drängelten, die Verwaltung bremste, aber möglichst so, dass die Bremslichter nicht aufleuchteten. Politisches Alltagsgeschäft, wenn Sie mich fragen. Der ganze Kram mit dem Brexit, mit Trump und der neuen Distanz zu den Freunden in den USA, dem Gesellschaftsumbau, mit dem Energieausstieg, den neuen Geschlechterbildern für alle, sogar die Pandemie und die massiven Angriffe der Leugnerer, das hätten wir gewuppt wie nichts. Irgendwann wäre es durch gewesen, dann hätten alle geguckt und gesagt, so ist das nun also.

Nur mit dem Krieg und dieser Dualität der eigenen UK-Stellung bei gleichzeitiger Erfordernis, Hurra zu einem eigenen Fronteinsatz zu rufen, damit war der ganze Laden hier überfordert. Sie müssen ja bedenken, wir waren alle immer noch im Umbau, Zuschnitte änderten sich, Verwaltungsbüros mussten umziehen, hier und da waren noch die Maler drin. Und auf einmal sollten wir die Marder finden, die irgendwer vor vier Regierungen auf irgendeinem Schrottplatz abgestellt hat. Und Munition liefern. Und Öl besorgen. 

Das war zu viel. Es ist, anders kann ich das nicht sagen, Chaos ausgebrochen. Hinter den Kulissen, natürlich. Wir können unseren Medien dankbar sein, dass sie aufpassen, was sie sagen und schreiben, sage ich immer. Dass man da seine drei, vier Handvoll Vertrauensleute hat, vielleicht auch fünf, mit denen die Talkshow besetzt werde, wo sie dann Sätze sagen, die guten alten Zeitungsschreiber wegzitieren können und zu denen ergänzend dann noch die, die diesmal nicht in der Talkshow waren, einen Satz des Entsetzens von ihrem Presseteam übermitteln lassen. Das lässt uns von der Hauptverwaltung wenigstens ein bisschen Luft, mit der Rasanz der Ereignisse mitzuhalten. Ich selbst habe nicht den Eindruck, dass uns das immer ausreichend gelingt, aber den Versuch ist es wert.

Krieg gegen das Unheil

Wir haben einen Krieg zu gewinnen, sage ich meinen Leuten jetzt immer, einen Krieg gegen das Unheil, einen Krieg gegen eine fremde Macht, die auch die Weiterexistenz unserer Behörde bedroht, wenn man es genau nimmt. Da werden wir es mit den Vorschriften nicht so genau nehmen können wie bisher, da werden wir uns auch selbst schaden, weil viele Dinge, die wir uns über mehr als ein Jahrhundert erarbeitet haben als deutsche Verwaltungen, jetzt mit einem Achselzucken über Bord geworfen werden. Aber nun ist es mal so. Da muss man als Hauptverwaltungsbeamter auch flexibel sein und sich anpassen. 

Unsere Front ist die innere Verwaltung, unser Krieg ist der Papierkrieg und wenn Sie jetzt lachen, beweist das, dass wir ihn gewinnen. Unsere Vorgänge sind es immer noch, die den ganzen Laden hier beisammen halten und ihn vorwärtsbewegen. Wie immer tragen die Hauptlast der deutschen Kriegsbemühungen ja unsere deutschen Verwaltungen, insbesondere wir von der Hauptverwaltungsbehörde des Bundes. Dass Sie das draußen, das gar nicht bemerken, zeigt mir, dass wir unsere Arbeit sehr gut erledigen. 

Mehr Doku, mehr Deutschland: "Kein schöner Land in dieser Zeit"



4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

https://tuktube.com/w/b2b034f9-c64f-4c7c-91de-349c922163ac

Anonym hat gesagt…

Was schaffte das beste aller großmäuligen MIchel-Schlands in den vergangenen 20 Jahren eigentlich?

Seine Ruhmestaten sind folgende: Sie wollten ihre geistig behinderte Piefke-Freiheit am Hindukusch verteidigen, aber durch Brunnen bohren und Mädchenschulen bauen. Dann folgte nach dabei über 50 krepierten Soldaten die nur panisch zu nennenden Flucht vor Rechtgläubigenhorden, denen man zum Abschied noch gleich Waffen im Milliardenwert überließ, damit sie sich gegen zukünftig einmarschierende Westewerte besser verteidigen können.

Und jetzt stänkert dieses politische Kroppzeug samt Anbetungsirren wegen einer korrupten USA-CIA-Enklave namens Ukraine sogar gegen Russland und will das mit gelieferten Geschützen beschießen lassen? Wie blöd ist das denn? Die scheinen in ihrer neuen vielfältigen Einfalt echt zu glauben, keinesfalls aktive Kriegspartei geworden zu sein, weil z.B Asow-Nazi-Brigaden dann den Abzug ziehen und dort mit Made in Germoney Russen umbringen.

Deren typische Schildbürgerlogik besagt schließlich auch,, dass man Sonnenlicht in Säcken und Kisten ins unterbelichtete Ratloshaus tragen kann, wo ihre Experten die Fenster vergessen hatten.

Kriegsverlierer-Kadavergehorsam gegenüber dem White House wegen 1945 ist ja noch halbwegs verständlich, aber woher kommt dieser dummdreiste Selbstmordeifer, sich mit einer militärisch bedrängten Atommacht anzulegen, die sich zurecht gegen die wortbrüchige Umzingelung durch die intrigante NATO wehrt?

Inzwischen denke ich, dieses quasi schon hirntote deutsche Volk steht auf dem Siegertreppchen für das nächste Artensterben ganz weit oben. Dieses herdentriebgesteuerte Nutzvieh friert und hungert nicht nur gerne für den Irrsinn seiner Führer, nein es krepiert für die wohl auch noch begeistert. Eine primitive Kultur fanatischer Zerstörung, die wegradiert gehört, bevor sie in ihrem grenzenlosen Größenwahn doch noch den ganzen Planeten in Schutt und Asche legt.

Der Mensch hat sich in seiner viel vermutenden Unwissenheit Millionen Götter ausgedacht, doch keins dieser allmächtigen Wesen scheint intakte Gläubigenhirne erschaffen zu können.

Wie sonst ist der global grassierende Irrsinn zu erklären?

Anonym hat gesagt…

Brunnen bohren und Mädchenschulen bauen ...

Noch besser: Da haben gewisse Baufirmen auf öffentliche (= unsere) Kosten Buden hingepfuscht, die nach etwa 18 Monaten schon weitgehend zerbröselt waren. Passiert ist den Strolchen m.W. nichts, außer tadelnder Erwähnug / leichter Anmecker.

László Trankovits hat gesagt…

So ganz nebenbei sprechen Sie von dem Verschwinden („Artensterben“) der Deutschen. Denn wenn wir weiter die sensiblen Antifaschisten im Kreml provozieren, dann werden diese doch über kurz oder lang die Geduld verlieren und diese „Vasallen“ des Weißen Hauses atomar zur Ordnung rufen. Sie müssen es ja wissen, fürchte ich.