Dienstag, 16. Dezember 2025

Der große Coup: Bankraub in Brüssel

Für einen guten Zweck: Friedrich Merz aka "Robin der Fuchs" und Ursula von der Leyen als Maid Marian planen bei Euroclear in Brüssel einen der größten Coups aller Zeiten.

Die Sonne scheint über Brüssel und die Erde scheint bewohnbar. Der Morgen, einer der letzten vor der großen Entscheidung über Leben und Sterben eines ganzen Kontinents, hatte sich in ein glänzendes Licht gelegt, die eben noch graue Verwaltungsstadt für 27 Staaten funkelte mit kalter Stahl, ein schweigendes Versprechen, dass hier niemand das Knie beugen wird. Die Einheit steht. Seit einer Woche ist festgelegt, dass gar nicht mehr alle zustimmen müssen, wenn es um wichtige Dinge geht.

Ja, einige hatten Bedenken gehabt gegen den großen Plan, wie der große Teufel nach 19 Sanktionspaketen doch noch zur Aufgabe bewegt werden kann. Die Belgier bockten. Die Sklowaken und die Ungarn stellten sich wie immer quer. Selbst die Zentralbankchefin, eine treue Verbündete, schickte ungefragt eine Absage. 

Der Fuchs mit der Maske 

Als die beiden Führer*innen der EU im Dämmerlicht aus einem schwarzen Elektrolieferwagen steigen, der zuvor lautlos um die Ecke vor dem monumentalen Glaspalast der 1968 von der Morgan Guaranty Trust Co. gegründeten Zahlungsabwicklers Euroclear gebogen war, zählt das alles nicht mehr. Robin, genannt "Der Fuchs", und Maid Marian müssen nicht reden.  Wortlos rücken sie ihre Masken zurecht. Jeder Handgriff sitzt. Bruder Tuck im Wagen schaut auf die Tür. Die geheime Aktion "Expropriation of the Eagle" läuft pünktlich an.

Hinter der Glasfront der Bank mit ihren 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ahnt noch niemand etwas. Eine ältere Dame im Kontor zählt Münzen ab, die über Nacht eingeliefert wurden. Ein Kassierer in schnittiger Uniform nickt einem jungen Kollegen freundlich zu, der verschlafen hat. Als sich die Tür öffnet und Robin der Fuchs begleitet von Maid Marian fast unhörbar hereintritt, schreckt der erste Euroclear-Beamte nur auf, weil Will Scarlett das hellrote Schild "Vorübergehend geschlossen" klatschend herumdreht.

Tief unter der Kanalisation 

"Alle auf den Boden! Jetzt! Sofort!" zischt Robin mit einer Stimme, die zwar verzerrt durch die Sturmhaube, doch jedem aus Funk und Fernsehen bekannt. Ungläubig schauen die Verwahrer von endlos vielen Milliardenvermögen auf die drei Gestalten, die mit raschen Schritten zu den Schaltern eilen.

Hier geben an gewöhnlichen Arbeitstagen Demokraten und Diktatoren ihre Erspartes ab. Hier bitten Überreiche und Pleitiers darum, ihr Vermögen fest wegzuschließen, sei es vor der Ehefrau, sei es vor dem Zugriff fremder Finanzminister. Hier, 75 Meter tief unter der Brüsseler Kanalisation, geborgen in einer zum Tresor ausgebauten ehemaligen Bleimine, befindet sich seit den zeiten des letzten Zaren auch ein großer Teil des russischen Auslandsvermögens.

Wie viel genau, vermag niemand zu sagen. Immer wenn die Herrscher im Kreml wechselten, versuchten sie als erstes, möglichst viel vor ihren Nachfolgern in Sicherheit zu bringen. Verbürgt vorhanden sind Summen von 140 bis 210 Milliarden Dollar, es könnten auch Euro sein. Wie der für gewöhnlich gut informierte CDU-Abgeordnete Norbert Röttgen zuletzt im deutschen Fernsehen mitgeteilt hatte, könnte es so viel sein. Oder mehr, aber auch weniger.

Geld für die Ostflanke 

Jeder Cent aber wird gebraucht, um die Ostflanke der Nato zu stabilisieren. Deutschland hat nichts mehr, Ungarn will nicht, die Franzosen brauchen selbst und Spanien hat bestellen lassen, dass die eigene Randlage Sicherheit genug bietet. Die EU-Kommission kann zwar ohnehin nur fremdes Geld ausgeben, selbst das ist ihr aber mittlerweile ausgegangen. 

Die Lager streiten erbittert um die Milliarden, die ihnen nicht gehören: Sahra Wagenknecht von der deutschen Putin-Partei hält die Idee, das Vermögen der russischen Zentralbank anzuzapfen, für einen politischen Fehler. Russland werde das Geld später einklagen und die an der Aktion beteiligten Staaten würden zahlen müssen. Der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter hingegen ist fasziniert von der Idee, fremdes Vermögen einfach so abzugreifen, indem man sich selbst die Genehmigung dazu erteilt. Es reiche nicht, das Geld nur einzufrieren, so dass es der Besitzer nicht mehr vernwenden könne. Man müsse es vielmehr selbst in Besitz nehmen, und es der Ukraine zur Verfügung stellen.

Ein Auge auf den Zarenschatz

Woher sonst nehmen und nicht stehlen? Und so warfen Ursula von der Leyen und Friedrich Merz fast gleichzeitig ein Auge auf den sogenannten Zarenschatz: Funkelnde, frische Milliarden, fremdes Eigentum zwar, aber vollkommen ausreichend, um sie als Sicherheit für einen Kredit von einer Bank zur anderen zu tragen. "Wie genau das geht", hat der mit der Transaktion vertraute Norbert Röttgen das hochgeheime Verfahren beschrieben, "kann ich Ihnen nicht sagen, das kann wahrscheinlich keiner."

Damit alles klappt, obwohl so viele dagegen sind, braucht es Nacht und Nebel. Auf den Überwachungsmonitoren tanzen leichtfüßig Silhouetten, gebückt, zielgerichtet, eine Choreografie aus Präzision und Adrenalin. Der großgewachsene Mann, seiner Haltung nach der Anführer, hält seine Waffe etwas zu hoch. Niemand soll Verletzte werden. Die kleine Frau, schmal und sportlich, knurrt einen knappen Befehl über den Tresen. 

Tränen des Glücks 

Auf der anderen Seite des Pandemieglases, das hier aus Kostengründen nie abgebaut worden ist, fällt ein Becher um. Heißer Kaffee läuft über Antragsformulare für einen Solarkredit, die am Nachmittag ein Vertreter der Regierung von Südsudan hätte unterschrieben solle. Eine Kassiererin weint, leise, aber es sind Tränen des Glücks. 

Viele hier bei Euroclear haderten in den vergangenen Wochen mit der Weigerung der belgischen Regierung, aus selbstsüchtigen Gründen nicht an den völkerrechtlichen Regeln zum Umgang mit fremden Staatsvermögen rütteln zu wollen. das Blutgeld der Russen zu verwalten, erschien vielen unmoralisch, auch wenn die gigantischen Summen eingefrioren waren. 

Nirgendwo anders in Europa sind schließlich noch ähnlich opulente Geldmengen greifbar, deren Transfer nach Kiews in Russland als letzte Warnung verstanden worden wäre. Mangels vorhandener Druckmittel hatte die EU in letzten Sanktionspaketen schon dazu übergehen müssen, ganz harte Schnitte für die Zeit nach den Olympischen Sommerspielen in Los Angeles anzukündigen.

Weg mit den bürokratischen Regeln 

Dass Europa nicht ewig Geduld haben würde mit den bürokratischen Regeln, die es daran hindern, ähnlich hemdsärmlig für den Frieden einzutreten wie US-Präsident Donald Trump, war absehbar. Mehrfach hatte Friedrich Merz die Europäer zu Einigkeit aufgerufen und die Amerikaner gewarnt. 

Eine Übernahme der russischen Guthaben sei alternativlos und es gebe auch Völkerrechtler, die darin kein allzu großes Problem sähen. Verliere Russland den Krieg, könne es sich nicht beschweren. Gewinne es, müsse es ohnehin zustimmen, Reparationen zu zahlen. "Die Wahrscheinlichkeit, dass das nicht passiert, ist", hat Norbert Röttgen das Spannungsfeld beschrieben. Also ganz klein, so klein sogar, dass Deutschland zwar mit 50 Milliarden bürgt, aber komplett aus dem Risiko ist.

Das stärkt den Finanzplatz 

Aber schiefgehen kann immer etwas, gerade beim Geld. Die haben Angst, die anderen fürchten sich. Dritte warnen vor einem Dauerschaden für den Finanzplatz Europa. Wenn erst jeder, der hier Geld angelegt habe, damit rechnen müsse, dass sein Treuhänder es nicht mehr herausrücken dürfe, würden einfach alle mit ihren Konto woandershin ziehen, fürchten die Skeptiker. 

Eine Gefahr, die Ursula von der Leyen nicht sieht. Gerade erst hat die Kommissionspräsidentin wissen lassen, dass sie den europäischen Finanzplatz stärken werde. Die EU brauche privates Kapital, um die USA und China demnächst bei KI und Cloud und Rüstung und überhaupt einzu- und zu überholen. 

Das Herz der Finanzunion 

Um Euroclear, das unscheinbare Herz der Finanzunion, balgen sich seit Monaten die Begehrlichkeiten. Niemand gelang hinein in die Festung aus Glas und Stahl. Die Milliarden, die hier lagern, sind abstrakte Zahlenreihe. Der Reichtum von Staaten und Konzernen wird ausgedrückt durch Besitztiteln. Dass der einzige rechtssichere Weg, an die Milliarden heranzukommen, durch rechtliche Schlupflöcher führt, vorbei an den Sicherheitskameras des Völkerrechts und mit einfachen Mehrheitsentscheidungen hinein in die virtuellen Tresore, steht seit Wochen fest. 

Alle Bemühungen, die gesamte EU-Mitgliedschaft einzuschwören auf den einmaligen Coup, sind gescheitert. Käme es trotz der Drohung der Außenbeauftragten Kaja Kallas, man werde über die Frage beraten, bis ein positiver Beschluss vorliege, zu einer Ablehnung, wäre das die größte Blamage, die die EU jemals erlitten hat.

Ein romantischer Raub 

Die Nacht- und Nebelaktion "Expropriation of the Eagle" setzte deshalb vorher an. Wenn die russischen Milliarden erst weg sind, kann das Geld den Ukrainern helfen, ohne den Helfern zu schaden. Es ist ein romantischer Raub nicht für den eigenen Luxus, sondern für Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit aller. Ein Bankraub, wie in der Kriminalästhet Klaus Schönberger als kulturelles Phänomen beschrieben hat: In einer kapitalistischen Welt, in der Güter im Überfluss existieren, die aber vielen nicht genug Mittel gewährt, sich Zugang zu verschaffen, ist der trickreiche Gangster ein romantischer Held. 

Kriminell, aber liebenswert, so schildert der österreichischer Psychoanalytiker Otto Fenichel den Reflex einer Gesellsckaft, die es gern sieht, wenn es den Richtigen trifft. Der Räuber hat ihre Sympathien, weil er auf eigene Faust Ungerechtigkeiten korrigiert - er beschenkt die Armen oder, wie im Fall Euroclear, er gibt denen, die es nötig haben. 

Respekt und Sympathie 

Ob 100.000 Euro, zehn Millionen oder 210 Milliarden wie im Fall der eingefrorenen Vermögenswerten der russischen Zentralbank, die Menschen halten gern zu den Kleinen, die mit den Großen nicht auf Augenhöhe konkurrieren können. Frech sein, gewitzt und skrupellos, das kommt seit den Tagen Robin Hoods immer an. Sich vor aller Augen und öffentlich angekündigt in die geheimsten Schatzkammern des wichtigsten europäischen Zahlunsgdienstleisters zu schleichen, um an unfassbar hohe Geldmengen als Grundlage für einen ordentlichen Reparationskredit zu gelangen, trifft auf Respekt und Sympathie.

Der EU-Rat, eine der für die meisten EU-Bürger völlig undurchschaubaren Institutionen der Gemeinschaft, erscheint auf einmal wie der Robin Hood unter den multinationalen Bürokratien. Da wird nicht gezaudert und gezögert, da wird zugegriffen, wo das Geld im Schrank liegt. Vermögen gehören dem, der die Hand drauf hat.

Bertolt Brechts Irrtum 

Als Bertolt Brecht spöttelnd fragte, was denn ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank sei, ahnte er nicht, dass Jahrzehnte später niemand mehr eine Bank gründen oder überfallen muss, um sich die Verfügungsgewalt über deren Guthaben zu verschaffen. Der militante Sozialrevolutionär  Karl Plättner raubte im Sinne von Marx’ zur Expropriation der Expropriateure mit der Waffe in der Hand. Die Gebrüder Sass leerten die Safes reicher Eliten nach penibel ausbaldowerten Plänen. Die EU kommt mit einem Formbogen, der die Bank zur Herausgabe des Geldes verpflichtet.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ursula will den Finanzplatz Europa stärken, und eigentlich alles andere auch. Man muss sich mal vorstellen, was für ausgeklügelte Stärkungspläne die Konkurrenz aufgezogen haben muss, um unseren von so klugen Personen gemanagten Kontinent abzuhängen. Vielleicht sollten die beiden mal das Geheimrezept für diese Stärkungszauber klauen gehen.