Dienstag, 3. Mai 2022

Preppern: Rehabilitation der unsolidarischen Egoisten

Prepper sorgen stets erst für Probleme, haben sie aber gepreppert, entlasten sie die überforderte Infrastruktur.

Hinter ihren Kellerregalen voller Marmelade, Hartweizenbrot und Dauerwurst, die sie kalt lächelnd anderen Menschen vor der Nase weggekauft hatten, versteckte sich der Faschismus. Verschwiegene "Preppernetzwerke" (Der Spiegel) sorgten für einen vermeintlichen "Tax X" vor, sie horteten Essen, Batterien, Benzin- und Dieselvorräte, Waffen sogar, mutmaßlich in dem Wahn, ihre Überlebensrationen nach dem Beginn der Endzeit gegen die verteidigen zu müssen, die zu spät merken, wie wenige Kalorien in einem Politikerversprechen stecken. 

Das Ende von "Zuflucht Beuden"

Vor allem im weitgehend entvölkerten deutschen Osten fanden Jörg K. und seine Spießgesellen Raum genug, um ihre entsolidarisierte Verstellung von "Zuflucht Beuden" auszuleben - so hatten sie ihr Netzwerk offiziell genannt, selbstbewusst, als handele es sich bei der individuellen Vorsorge nicht um eine Straftat gegen Volk und Staat.

Die Behörden griffen, die Medien deckten auf. Die selbsternannten Mitglieder von "Zuflucht" wurden enttarnt, der Generalstaatsanwalt zog die Ermittlungen an sich. Großes Kaliber gegen die große Versuchung, die das Beispiel von Selbstversorgern, Hamsterern und Preppern immer in sich birgt: Die Vorstellung, nach dem Ende aller Zeiten, nach dem Ende der Zivilisation, der stabilen Stromversorgung und des fließenden Wassers im Bad weiterhin irgendwie zu überleben, fasziniert Menschen seit Charlton Heston Anfang der 70er Jahre als "Der Omega-Mann" Richard Mathesons Fantasie von einer Existenz auf einer entmenschten Erde nachspielte.

Ein Volk aus Omega-Männern

Fakt war seinerzeit, dass jeder Versuch, individuelle Verantwortung für sich zu reklamieren, Zweifel am staatlichen Vermögen schürte, seine Schutzbefohlenen zu nähren, zu wärmen und zu betten. Nur still und leise wagten es des Menschen, hier und da ein Ei mehr zu nehmen, eine Packung Toilettenpapier, eine Flasche Bier, eine harte Knackwurst. Frühere Anweisungen der Behörden, sich mit dem Lebensnotwendigsten einzudecken, um im Falle von Versorgungsengpässen wenigstens die ersten Tage zu überleben, verwandelte sich von einer weitsichtigen Maßnahme, die die Gemeinschaft in einer Pandemie oder einem Krieg entlastet, zu einem "unsolidarischen" (Armin Laschet) Akt des Hasses und der Menschenfeindlichkeit. 

Vergeblich trat die damals noch hochangesehene Bundeskanzlerin selbst vor die Kameras, um ein gutes Beispiel zu geben, wie in Zeiten des Mangels eingekauft werden soll. Jeder nur eins, jeder nur, was er bis morgen braucht.  Der "Hamsterer" war, was vor ihm der "Spekulant", der "Manager", der "SUV-Fahrer" und der alte weiße Mann gewesen war. Wer hamstert, ist asozial, hieß es. Wer sich Vorräte zulege, vergehe sich an der Solidargemeinschaft. Ihm sei an der Nasenspitze anzusehen, dass er den demokratischen Institutionen nicht ausreichend vertraue.

Das stille Ende von "Zuflucht Beuden"

Das Ende von "Zuflucht Beuden" ging im Kleingedruckten unter. Hamstern verlor an krimineller Substanz, eher amüsiert wurde über leere Regale Protokoll geführt und trennscharf unterschieden zwischen selbstverstärkenden massenpsychologischen Effekten, die zu gelegentlichen Versorgungsengpässen führen. Und faktischen Versorgungsengpässen, die als ausgefegtes Supermarktlager sichtbar wird. Beides ist nicht gut, beides im Griff zu behalten, muss nun jedermann und jede Frau helfen, daran lässt auch die neue Bundesinnenministerin Nancy Faeser keinen Zweifel mehr.

Die schlimmsten Untergangsfantasien, bis hierher gehegt und gepflegt von sächsischen Rechtsextremen und genährt von einem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenvorsorge, das "20 Liter Getränke, 3,5 Kilo Nudeln und Reis, vier Kilo Gemüse, 2,5 Kilo Obst, drei Liter Milch, 1,5 Kilo Fisch und Fleisch und ausreichend Hygieneartikel" für den Fall einer nicht näher beschriebenen "Notsituation" bereitzulegen empfiehlt, haben die Ministerinnenebene erreicht. "Wenn mal länger der Strom ausfällt", sagt Nancy Faeser, nicht "falls einmal der Strom ausfällt". Und sie hält "Notvorräte" nicht mehr für unsolidarisch. Sondern für "sinnvoll ".

Ein Baustein im Überlebenskampf

Der Krieg in der Ukraine, er hat auch hier zu einer Zeitenwende geführt. Die verpönte, verlachte und angeprangerte "Vorsorge für den Krisenfall", wie im Kalten Krieg ist sie nun wieder  ein fester Baustein der staatlichen Strategie, durch Wochen, Monate und Jahre zu navigieren, in denen "tatsächlich mal länger der Strom ausfällt oder das tägliche Leben auf andere Art und Weise eingeschränkt wird", wie Nancy Faeser die Aussichten beschreibt. 

Flankiert von Entsagungsappellen, Clever-Preppern-Tipps für größere Lebensmittelmengen und Praxistipps für enorme Wasservorräte wird der so lange so entschieden verdammte unsolidarische Prepper-Egoist rehabilitiert. Er steht nun in erster Frontlinie gegen "Pandemien, Klimafolgen, Kriegsgefahren" (Faeser), ihm fällt die Verantwortung zu, für sich zu sorgen, so dass, wenn alle mitmachen, für jeden gesorgt sein wird. 

Aktentaschen gegen Atomblitze

Die Bundesregierung wird ihren Teil tun und in Bälde prüfen, welche sonstigen Schutzvorkehrungen notwendig sind. Nach einer aktuellen Zählung des Bundesinnenministeriums gibt es derzeit noch 599 Schutzräume in Deutschland, Bunker also, in denen ausgewählte Gruppen von Bürgerinnen und Bürgern den "Tag X" überleben könnten. Das reicht nicht ganz für alle, doch Nancy Faeser nennt zusätzliche Bunkerkapazitäten, die heute anders genutzt würden. Und sie sagt entschieden: "Es ist sinnvoll, wenn wir einige davon reaktivieren." Für alle anderen könnten Aktenmappen und Schulranzen aus der Bundestaschenreserve ausgegeben werden,  die recht zuverlässig gegen Atomblitze schützen.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wie konnte Deutschland innerhalb von 2 Monaten die Abhängigkeit von russischem Erdgas und Erdöl derart drastisch reduzieren?


Kam heute in der Tagesschau:

Im Vergleich zu 2021 konnte die Abhängigkeit von russischem Erdgas und Erdöl folgendermaßen reduziert werden:

Erdöl: von 35% auf 12%
Erdgas: von 55% auf 35%
Kohle: von 50% auf 8%

Kann man auch als Meldung von dpa in verschiedenen Medien nachlesen, z.B. hier:

https://www.zeit.de/news/2022-05/01/deutschland-verringert-energieabhaengigkeit-von-rus...

Ich muss sagen, innerhalb von 2 Monaten ist das eine absolute Meisterleistung. Bedenkt man, dass bei diesen Energieträgern langfristige Lieferverträge bestehen und erstmal ein großer Apparat in Bewegung gesetzt werden muss:

- um von Juristen den Ausstieg aus langfristigen Verträgen prüfen zu lassen,
- potentielle neue Lieferanten zu suchen
- Vertragsverhandlungen mit neuen Lieferanten aufzunehmen,
- neue Logistikpartner zu finden,
- logistische Kapazitäten für neue Lieferquellen zu bauen,
- usw. usf.

Normalerweise dauert ein solcher Prozess viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte. Insbesondere der Bau von Infrastruktur und neuen logistischen Kapazitäten benötigt viele Jahre an Genehmigungsverfahren und Bauleistungen.

Wo kommt eigentlich das Erdöl jetzt innerhalb so kurzer Zeit her?

Beide ostdeutsche Großraffinerien in Schwedt und Leuna hängen zu 100% an der Erdölleitung Freundschaft.

Wo kommt das Erdgas jetzt her?

Sowohl die Niederlande, Norwegen und Großbritannien haben schon vor Jahren signalisiert, dass sie keine zusätzlichen Erdgaskapazitäten haben und die Einspeisung ins europäische Gasnetz eher rückläufig ist. Die Niederlande selbst sind nach Deutschland und Italien der größte Abnehmer von russischem Erdgas.

Demnach kann die reduzierte Abnahmemenge aus Russland nur durch den Import von LNG ausgeglichen worden sein.

Wo wird aber das LNG angelandet? - Die Kapazitäten sind langfristig reserviert.

Mit welchen Schiffen wird das zusätzliche LNG transportiert? - Die Tankerkapazitäten sind ausgelastet und in der Regel für den asiatischen Markt bestimmt.

Wie gelangt das LNG von den Terminals im Ausland ins deutsche Netz?

LNG hat eine andere Zusammensetzung als russisches Erdgas. Wie konnten die großen Erdgasverbraucher ihre Anlagen so schnell umrüsten?

Wenn die Abhängigkeit von russischem Erdgas so schnell reduziert werden konnte, dann sind doch bis zum Herbst sicher noch weiter einige Prozentpunkte drin. Und wenn wir dann noch die Temperaturen in der nächsten Heizperiode reduzieren, Büros nicht mehr heizen (Home-Office), alle Beamten nach Hause schicken, dann könnte uns doch schon im nächsten Winter ein Erdgasembargo gegen Russland nichts mehr anhaben. Insbesondere wird dann Putins schärfste Waffe gegen uns wirkungslos.

Aber wie sieht es mit den Take or Pay-Verträgen aus? Wenn wir die Abnahme des Gases einfach aussetzen, müssen wir trotzdem die vereinbarte Abnahmemenge bezahlen.
Wer bezahlt das eigentlich?

Oder können wir einfach die Zahlung aussetzen. Schließlich befinden wir uns ja quasi im Kriegszustand mit Russland.

Und wie sieht das mit der israelischen Firma Sunimex aus?

Sie ist ja auf Merkels Wunsch alleiniger Handelspartner Russlands beim Bezug russischen Erdöls für Deutschland. Sunimex kauft das Erdöl von den Russen und verkauft es an die Deutschen mit einem saftigen Aufgeld weiter. Es wird gemunkelt, dass durch solche Konstruktionen Israels Staatshaushalt zu wesentlichen Teilen finanziert wird. Das kann doch die Israelis nicht kalt lassen, wenn wir denen einfach mal so eine wichtige Finanzierungsquelle trocken legen? Oder müssen wir, der deutsche Steuerzahler, auch dann den entgangenen Gewinn an Israel zahlen?

Fragen über Fragen, die seitens dpa leider nicht beantwortet werden.