Donnerstag, 21. Juli 2022

Was wir über den Absturz der Antonow wissen - und was wir nie erfahren werden


Schneller ist vermutlich noch niemals ein Flugzeugabsturz eines Riesenfliegers abgehandelt worden, der beinahe zwölf Tonnen Munition geladen hatte. Doch so geschah es: Kaum war die Antonow An-12 der ukrainischen Fluggesellschaft Meridian Air Cargo von Serbien über die Türkei Richtung Jordanien fliegend über dem quasi am Wegesrand liegenden Griechenland zu Boden gegangen, knatterten die Schlagzeilen herein. 

Von "toxischem Gut" (Spiegel) an Bord war wolkig die Rede, der Flieger sei "in Flammen aufgegangen" (n-tv) und ein Video zeigte sogar "den Feuerball" (Bild), Was wir über den Absturz wissen, war anschließend klar. Er war passiert. Acht Tote. Nichts gefährlicheres an Bord als "Munition für Mörsergranaten" (Spiegel) oder "Waffen und Minen" (n-tv). Gehen Sie weiter. Hier gibt es nichts zu sehen.

Am Anfang noch Berichte

Unmittelbar nach der Klarstellung, dass etwas passiert war,  aber eigentlich nichts Aufregendes, endete die Berichterstattung. Dass ukrainische Frachtflieger Sprengstoff aus dem mit Russland sympathisierenden Serbien ins Klimakrisenland Bangladesh bringen, ist Luftfahrtalltag. Dass ab und an ein Flugzeug vom Himmel fällt, kommt vor. Dass danach nicht mehr über den Unfall berichtet wird, eher weniger.

Hier ist es so gekommen. Nach der ersten Meldungswelle endete die Benachrichtigung des deutschen Publikums abrupt. Es reichte gerade noch dazu, mitzuteilen, dass die Behörden versuchen, sich mit "einer Drohne ein Bild von der Lage zu machen, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass giftige Dämpfe von der Absturzstelle aufsteigen" (Bild) und "Sprengstoff- und Militärexperten" demnächst mit der Untersuchung der Unglücksstelle beginnen würden (NDR).  Auch vier Tage später ist es dabei geblieben. 

Zu viel anderes in Deutschland

Zu viel Hitze in Deutschland, zu wenig Gas oder doch genug, zu viel Klima und zu wenig Zeit für Details über die kleinen Katastrophen am Rande der europäischen Welt. Die Griechenland-Korrespondenten von ARD, ZDF, FAZ, SZ und Spiegel sind im wohlverdienten Sommerurlaub. BBC, CNN und die großen Nachrichtenagenturen sind anderweitig beschäftigt. Kein Grund zur Beunruhigung.

Was in Paleochori Kavala geschehen ist, lässt sich allerdings in griechischen Quellen nachlesen. Dort wird der Bürgermeister von Pangai mit dem fast schon scholzschen Satz zitiert, dass "kein gefährliches Material identifiziert wurde, das uns beunruhigt" und nun die Special Response Company for Nuclear-Biological-Chemical Defense vor Ort sei, um die Lage zu klären. Zudem seien Teams des Bataillons Landminenräumung dabei, die Munition zu lokalisieren, die weit um das Wrack herumliege.

Verbotene Sperrzone 

Vorerst bleibt ein behördliches Verbot des Fahrzeug- und Fußgängerverkehrs in den ländlichen Gebieten von Antiphilippi und Paleochori deshalb bestehen, aber technischen Team der örtlichen Versorger seien schon unterwegs, um die seit dem Absturz unterbrochene Stromversorgung für die Siedlungen Antiphilippi, Hortokopi und Paleochori wiederherzustellen, weil die inzwischen auch die Wasserversorgung bedroht. Leider, so der Bürgermeister, sei es "sehr schwierig, sich dem Flugzeug zu nähern, da das Stromnetz genau dort zerstört worden sei, wo das Flugzeugwrack liege, umgeben von Umgeben von jener geheimnisvollen "Munition für Mörsergranaten" des "Spiegel" und/oder den  "Waffen und Minen" von n-tv.

Bei der Untersuchung einer weißen Substanz unbekannter Herkunft rings um die Wrackteile zeigten  Messgeräte nichts Besorgniserregendes an. Dennoch stehe die Möglichkeit im Raum, die Siedlung Antiphilippi zu evakuieren, um die Ermittlungen ohne Unterbrechung durchzuführen und die Gesundheit der Bürger zu schützen. Nach Berichten eines Reporters riecht es in der gesamten Unfallgegend seltsam und die Anwohner wurden aufgefordert, in ihren Häusern zu bleiben, Türen und Fenstern geschlossen zu halten und ihre Klimaanlagen auszuschalten, damit möglicherweise gefährliche Stoffe nicht hereingelangen.

Waffenschmuggel durch die EU

Nach Recherchen der griechischen  Zeitung Ekathimerini  steht der Todesflug wahrscheinlich in Verbindung mit dem serbischen Geschäftsmann Slobodan Tesic, den die USA des Waffenschmuggels beschuldigen. Die Fluggesellschaft Meridian Air Cargo habe den Transport im Auftrag des serbischen Unternehmens Valir durchgeführt, das erst mit einem Anfangskapital von 0,85 Eurocent gegründet worden war und 2020 bereits einen Umsatz von 55 Millionen Euro erzielte. Die gefährliche Fracht an Bord meldete Meridian Air den zuständigen griechischen Behörden angeblich nicht. Warum auch: An der angeblichen Adresse des Firmensitzes in Kiew finde sich nur ein Nagelpflegegeschäft.


5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Turboprops der ersten Generation? Da können ja nur Mafiavögel und Halunken die Auftraggeber sein.
Der größte Auftraggeber ist jedoch die Bundeswehr.
https://www.mz.de/mitteldeutschland/leipzig/antonov-frachtmaschinen-uber-leipzig-krach-um-die-uraltflieger-1452370

Die Anmerkung hat gesagt…

https://www.jetphotos.com/info/An-12-01347701

UR-CIC Meridian Aviation 2022-02
EW-435TI Grodno Aviakompania 2014-12-12
UP-AN212 ATMA 2008-07
UN-11019 ATMA 2007-09
LZ-VEB Vega Air 1998-12-08
4K-12999 Unknown 1994-12-16
RA-12999 Ural Airlines 1993-03
CCCP-12999 Balkan Bulgarian Airlines 1990-10
CCCP-12999 Aeroflot 1971-02-15

Der lachende Mann hat gesagt…

Vielen Dank, PPQ!

ppq hat gesagt…

eine sehr interessante expedition war das!

Die Anmerkung hat gesagt…

https://www.heise.de/tp/features/Eiszeit-zwischen-Griechenland-und-der-Ukraine-7186494.html

Obwohl Griechenland bislang Rüstungsgüter im Wert von rund 300 Millionen Euro in die Ukraine schickte, ist zwischen beiden Ländern eine diplomatische Eiszeit ausgebrochen. Die Ukraine droht Griechenland mit Sanktionen.

Griechische Protestnote an Kiew
Die griechische Zeitung To Vima sieht einen Zusammenhang mit dem jüngsten Absturz eines ukrainischen Flugzeugs nahe der nordgriechischen Stadt Kavala. Aufgrund von Ungereimtheiten und falschen Deklarationen hinsichtlich der Ladung hatte sich die griechische Regierung mit diplomatischen Noten in Serbien und der Ukraine bei den jeweiligen Regierungen beschwert.

Das Flugzeug trat in den griechischen Luftraum ein, ohne, wie vorgeschrieben, eine gefährliche Ladung anzumelden. Selbst die nachträgliche Deklaration des angeblichen Übungswaffentransports erwies sich als falsch.

So wurden rund um die Absturzstelle Granatreste gefunden, die nicht Übungswaffen, sondern scharfen Gefechtswaffen zuzuordnen sind.

Zudem waren entgegen den internationalen Sicherheitsvorschriften, die Granaten samt Zünder unterwegs. Vorgeschrieben ist, dass bei Flugzeugtransporten die Zünder getrennt von den Granaten in einem separaten Flug transportiert werden müssen.

Ukraine droht mit Sanktionen
Laut der sehr regierungsnahen To Vima, die sich auf Quellen aus dem Außenministerium beruft, antwortete die Ukraine mit einer scharfen diplomatischen Note, in der Sanktionen gegen Griechenland angekündigt werden.